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Konzert-Bericht
 
Profi mit einem Gitarrengurt

Wallis Bird

Oberhausen, Schloss Oberhausen
19.06.2021

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Wallis Bird
"Freistil" steht auf dem Ticket für das Konzert von Wallis Bird beim Indie-Radar-Ruhr-Open-Air auf dem Innenhof des Schloss Oberhausen. Eigentlich verweist das nur auf den Namen der Konzertreihe, in der im Rahmen des "Neustart Kultur" diesen Sommer ein buntes Programm über verschiedene Bühnen der Stadt toben wird, trotzdem gibt es auch gut wieder, was die Zuschauer an diesem Abend erwartet: Eine Musikerin, die sich ihrem Schaffen betont freigeistig und mit viel DIY-Charme nähert und dabei auch rund 15 Jahre nach ihrem famosen Debüt "Spoons" immer noch einen Riesenspaß am eigenen Tun hat.
Tatsächlich ist Wallis Bird schon zum Spaßen aufgelegt, bevor das Konzert eigentlich beginnt. Winkend, tänzelnd, lachend zelebriert die in Berlin heimische Irin schon den Weg aus dem Backstage, als sei ihr Ziel nicht ein Singer/Songwriter-Konzert in Oberhausen, sondern die Titelverteidigung der Boxweltmeisterschaft im National Stadium von Dublin. Eine Szene mit Symbolcharakter: Zwei Stunden lang wird die quirlige Musikerin aus kleinen Dingen eine große Sache machen und anschließend das ihr treu ergebene Publikum richtig glücklich nach Hause schicken. Solo steht Bird an diesem Abend auf der Bühne, aber das vergisst man schnell, denn das 39-jährige Energiebündel - "The sheer visceral energy could kick-start an entire economy...", schrieb einst die Irish Times - hat alle Tugenden einer Straßenmusikerin verinnerlicht. So sucht sie einerseits ständig, mit bisweilen ein wenig übertrieben wirkender Heiterkeit, den Kontakt zu ihrem Publikum, lässt keinen Zwischenruf, kein Niesen unter den Zuhörern unkommentiert und spielt andererseits ihre bereits sichtbar ramponierte Lakewood-Akustikgitarre zumeist so laut und wild, dass der halbe, ach was, der ganze Ruhrpott sie hören kann. Dass ihr dabei gleich mehrfach Saiten reißen, ist ein Umstand, den Bird natürlich auch ausschweifend zelebriert, nicht zuletzt, weil sie - nach der langen Pause etwas aus der Übung - ein wichtiges Utensil zu Hause vergessen hat. "Ich bin Profi mit einem Gitarrengurt!", sagt sie augenzwinkernd über den Faux-pas und redet sich auch sonst in bestem Denglish ständig um Kopf und Kragen, ohne dabei viel Programmatisches zu sagen. Die Botschaften und Überzeugungen, die sie vermitteln will, findet man stattdessen in ihren Liedern.

Immerhin sorgt das Wechseln des Arbeitsgeräts für kleine Atempausen, denn bisweilen hört Bird zwischen den Liedern selbst fürs Stimmen nicht auf zu spielen, und überhaupt scheint sie am liebsten zehn Dinge gleichzeitig zu tun. Oft ist der Wechsel zwischen Gitarre, A-cappella, Loops und mitgestampften Beats geradezu fliegend und ellenlange Anekdoten werden mit ausschweifenden Körpergesten unterlegt, als würde sich die Welt aufhören zu drehen, wenn Frau Bird mal still steht. So beeindruckend diese Energieleistung auch ist - ihr wüster Stil, die Gitarre zu attackieren, sorgt dafür, dass sie nicht nur Saiten schreddert, sondern bisweilen auch die Nuancen ihrer Lieder. "Der nächste Song ist der Hammer", ruft sie einmal, als wollte sie sagen: "Er wird euch mit voller Wucht treffen" - und genau das tut er dann auch.

Die wahren Highlights des Konzerts, bei dem die Lieder aus Birds aktuellem sechsten Album, "Woman", eher eine nebensächliche Rolle spielen, sind deshalb vor allem die stillen Momente, für die Bird kurz die Melissa Etheridge-würdige Power gegen folkige Feinheiten eintauscht, etwa, wenn sie für ein, zwei Lieder ans Keyboard wechselt, das hinreißende "The Dive" singt - eine neue Nummer, die durch einen Sprung vom Zehnmeterbrett im Berliner Schwimmbad Hasenheide inspiriert wurde - oder mit "Brutal Honesty" einen von gleich mehreren Publikumswünschen erfüllt. Doch dass sie sich anschließend für die leisen Passagen im Set geradezu entschuldigt, unterstreicht, dass sie ihrem Publikum an diesem Abend nicht das Herz zerreißen, sondern es am ganzen Körper durchschütteln will. Das gelingt ihr prima, zumal am Ende ihres regulären Sets "To My Bones" noch einmal für viel Bewegung und ausgelassene Stimmung im Publikum sorgt, obwohl ihr am Ende praktisch die Stimme versagt - angesichts der Tour de Force zuvor kein Wunder. Das Finale gestaltet sich deshalb wohltuend ruhig. Erst sucht sie sich ein paar frei gebliebene Stühle vor dem Mischpult, um gemeinsam mit ihrer Tourmanagerin und Partnerin Tracey Kelleher und dem Tontechniker Aidan Floatinghome als Harmoniestimmen aus dem Zuschauerraum heraus unverstärkt "In Dictum" zu singen, um dann zurück auf der Bühne als letzte Zugabe "You Are Mine" aus ihrem umjubelten Erstling im Schneidersitz zum Besten zu geben, weil inzwischen auch noch der eine Gitarrengurt, der den Weg von Berlin nach Oberhausen gefunden hatte, verschüttgegangen ist.
Ein wenig wird man nach diesem ergreifenden Schlusspunkt das Gefühl nicht los, dass es dem Auftritt sicher gutgetan hätte, wenn Birds unbestrittene Fähigkeiten als nachdenklich-besinnliche Songautorin genauso zur Geltung gekommen wären wie ihre Talente als vor Lebenslust überschäumende Buskerin. Aber dafür ist dann vielleicht Zeit, wenn bei Konzerten etwas anderes im Vorderrund steht als die unbändige Freude darüber, endlich mal wieder die eigenen vier Wände verlassen zu dürfen.

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Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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