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A Party With Jeremy & Judy

Andy Shauf
Helena Deland/ Leith Ross

Köln, Luxor
06.05.2022

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Andy Shauf
Es hat sich eine Menge geändert, seit Andy Shauf 2015 das letzte Mal in der Domstadt aufgespielt hatte. Damals war er noch einer von vielen hoffnungsvollen kanadischen Songwriter-Adepten, die sich mehr redlich als erfolgreich bemühten, ihre musikalische Identität in einem sattsam ausgelobten Genre wie dem klassischen Storyteller-Setting zu finden. Heute - sieben Jahre und drei geniale, zusammengehörige Konzeptalben später - gehört Shauf zu den angesagten Vertretern seiner Zunft und kann es sich leisten, mit einem Nightliner und gleich zwei Support-Acts durch die Lande zu reisen. Dass die pandemiebedingt bereits zwei Mal verschobene Tour im dritten Anlauf nun ausverkauft war, zeugte davon, dass es Shauf zwischenzeitlich gelungen war, mit seinen sanftmütigen, sentimental/romantischen, melancholischen Folkpop-Songs den Nerv der Zeit zu treffen und junge Damen - publikumstechnisch sozusagen Brot und Butter für den männlichen Songwriter unter 30 - als Zielpublikum abzugreifen. Will meinen: Es war denn wieder mal ordentlich voll im Kölner Luxor.
Des vollen Programmes wegen begann die Veranstaltung dann bereits gegen 19 Uhr mit dem Auftritt von Leith Ross. Leith kommt ebenso wie Andy Shauf und Helena Deland aus Kanada, hat aber nicht über die normale Ochsentour zu ihrer Berufung als liedermachende (nichtbinäre) Person gefunden, sondern über - ähem - TikTok. Das ist schon eigenartig genug - weil dieses Medium sich ja sicherlich nicht an eine Zielgruppe mit einer besonders langen Aufmerksamkeitsspanne richtet, zeigt aber, was man alles erreichen kann, wenn man nur genug ausprobiert. Immerhin hat Leith eine kurze LP bzw. lange EP mit dem Titel "Motherwell" eingespielt, die eine Reihe angenehm temperierter Folkpop-Selbstfindungs-Songs enthält, die a) von den luftig transparenten Band- und Vokal-Arrangements leben, die b) beim Live-Vortrag natürlich keine Rolle spielen können und sich c) performerisch und harmonisch der Phoebe Bridgers-Schule des Flüsterpop zuordnen ließen. Das kurze (aber in Anbetracht des eher gleichförmigen, balladesken Ausgangsmaterials genau richtig lange) Set wurde des Weiteren abgerundet von einer Coverversion von Leiths Lieblings-Trennungs Song "A Tender Lie" von Dolly Parton.

Helena Deland war offensichtlich regelrecht überwältigt vom enthusiastischen Zuspruch des Publikums und konnte ihr ganzes Set über ein honigkuchenpferdiges Grinsen nicht unterdrücken. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Songs ihrer Solo-LP "Someone New" und jene ihrer unzähligen EPs nicht eben zu besonders fröhlichen Beispielen ihres Genres gehören. Zum Glück spielte sie nichts von ihren im letzten Jahr erschienen Experimental-Projekt "Hildegard", sondern probierte lieber ein paar neue Tracks - wie z.B. die aktuelle Single "Swimmer" - aus. Leider sind nicht alle ihre Songs so melodisch attraktiv angelegt wie der Titeltrack zu "Someone New" - aber in der komprimierten Form des Support-Sets vermittelte Helena einen Eindruck von der emotionalen Tiefe, die sie in ihren Songs auszuloten imstande ist. Freilich am Interessantesten an diesem Set war dann der Umstand, dass Helena im richtigen Leben und auf der Bühne so ganz anders zu sein scheint, als die ernsthafte, nachdenkliche, grüblerische Person, die sie über ihre Songs zu vermitteln scheint. Da kann man mal sehen, wozu Live-Konzerte (im Gegensatz zu Streams und TikTok-Videos) gut sind.
Das gilt natürlich nicht grundsätzlich, denn Andy Shauf wird man auch über seine Live-Konzerte nicht besser kennenlernen als über seine Musik. Andy Shauf einen wortkargen, introvertierten Performer zu nennen, wäre eher noch stark übertrieben. Bereits bei seinem letzten Besuch in der Domstadt fiel er ja als fast schon autistisch agierender Musikus auf - überwand sich damals aber zumindest dazu, seine Titel anzukündigen und am Ende der Show zu fragen, ob noch alle wach seien. Selbst das verkniff er sich dieses Mal - hatte es aber zumindest aufgegeben, alle Songs mit geschlossenen Augen zu singen und das Publikum und seine Musiker vollkommen zu ignorieren. Dennoch: Mehr als seine Songs gab Andy Shauf auch bei dieser Show nicht Preis. Nicht, dass das die Sache weniger interessant gemacht hätte, denn Andy Shauf hatte ein originelles Konzept, eine Unzahl attraktiver Songs und eine kompetente Band (inklusive eines Klarinettisten/Saxophonisten) im Angebot.

Das Konzept bezieht sich auf die letzten drei Alben Andy Shaufs, die - wie sich nun herausstellte - eine durchgehende Geschichte erzählen, und die der Meister auf dieser Show nun in lockerer Folge zusammenfasste. Auf dem Album "The Party" von 2016 lernten wir eine Menge verrückter Charaktere kennen - darunter vermutlich auch Jeremy und Judy, deren Geschichte Andy auf den folgenden beiden Alben "The Neon Skyline" und "Wilds" weiter spinnt und sich dabei wohl auf eigene Erfahrungen beruft, auch wenn er deutlich macht, dass die Geschichte um Jeremy und Judy (die natürlich nicht gut endet, allerdings auch nicht wie bei Romeo und Julia in der Tragödie gipfelt) fiktiv angelegt ist. Sei es drum: Ein solch schlüssiges Konzept hat es - zumindest nicht über einen Zeitraum von mittlerweile sechs Jahren und drei Alben) in dieser Form auch noch nicht gegeben.

Was die musikalische Darbietung betrifft, so konnte Andy mit seinen Jungs mächtig auftrumpfen. Die letzte Tour war nämlich eine eher spröde, frugale Angelegenheit gewesen, die den interessanten Arrangements von Andys Studioproduktionen (insbesondere mit Bezug auf die Klarinetten- und Streicher-Parts) so gar kein Paroli bieten konnte. Damit war jetzt Schluss und auch wenn die Band jetzt nicht gerade mit langen Live-Improvisationen aufwartete und die Tracks meist im knappen Drei-Minuten-Format unterbrachte, bot das Konzert einige interessante Live-Momente. Da war zum Beispiel das ebenso überraschende, wie offensichtlich ungeplante Drum-Solo, mit dem die Stimmpause zwischen zwei Tracks überbrückt wurde oder das fast schon irritierende, psychedelische Gitarrensolo in dem Song "Thirteen Hours", das klang, als habe es zuvor in einer dunklen Höhle gelauert und immer wieder schön auch die Momente, in denen mit Klarinette/Saxophon und Mellotron die Bläserarrangements von Songs wie "Try Again" emuliert wurden. Gute Songs hat Andy Shauf ja zur genüge - und da wunderte es dann kam, dass er sich die besten (etwa die aktuelle Single "Satan" oder das als Zugabe gegebene "Jaywalker" vom "Wilds"-Album) gar bis zum Schluss aufhob. Als das Konzert dann nach insgesamt 18 Tracks zu Ende ging, blieb dann die Setlist betreffend kaum ein Wunsch offen. Kaum auszudenken, was Andy Shauf noch erreichen könnte, wenn er sich mal dazu durchringen könnte, mit seinen Fans zu reden.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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