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Entlich zu Hause!

Orange Blossom Festival 24 - 1. Teil

Beverungen, Glitterhouse-Garten
03.06.2022

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Rembert Stiewe und Simon Baranowski
Genau genommen geht es hier natürlich um die Berichterstattung der Ausgabe 24C des Orange Blossom Festivals, das ja bekanntlich pandemiebedingt mehrfach verschoben werden musste und mit einer Online-Stream-Version (OBS 24A) und einer improvisierten Teilausgabe bei den Freunden von Grand Hotel Van Cleef (OBS 24B) so ein bisschen ja auch schon irgendwie stattgefunden hatte. Da das aber alles zu kompliziert ist, sagen wir einfach: Entlich ist das OBS wieder da, wo es hingehört: Zu Hause - Pfingsten im Garten der Glitterhouse Villa - und zwar ordentlich runderneuert und aufgepimpt.
So wurde das Gelände erneut erweitert und umorganisiert, damit auch und vor allem in Pandemiezeiten mehr Platz und Ordnung für die Musikfans gewährleistet werden konnte. Das komplette Gelände wurde mit mehreren Verweilinseln und Aktivitäts-Spots räumlich entzerrt, eine Leinwand im hinteren Teil des Geländes, auf der das Programm von der Hauptbühne übertragen wird, sorgte für mehr Entspannung beim Drängelfaktor und das Nadelöhr beim Merchverkauf wurde durch die gesamte Nutzung des ehemaligen Lagers und eine Verlagerung der bislang extern liegenden Devontionalien-Abteilung merklich entschärft.

So richtig interessant dürfte aber für die Fans eher der Umstand gewesen sein, dass es gelungen war, fast das komplette Line-Up des ursprünglich für 2020 geplanten Events auch für die tatsächlich stattfindende 2022er-Ausgabe "mitzunehmen" - mit interessanten Folgen übrigens, denn einige der Acts hatten ja zwischenzeitlich neues Material produziert und sind teilweise ja auch zu veritablen Superstars herangereift. So waren Acht Eimer Hühnerherzen und Fortuna Ehrenfeld - die zuvor für die Minibühne verpflichtet waren - für die Hauptbühne eingeplant. Das Projekt Husten (die Supergroup um Gisbert zu Knyphausen, Moses Schneider und Tobias Friedrich) hätte zwar jetzt auch ein Album am Start gehabt, musste aber Corona-bedingt kurzfristig absagen - was aber durch den kurzfristigen Einsatz von Shirley Holmes ausgeglichen werden konnte.

Sei es drum: Los ging es mit minimaler Tränendrüsenbemühung - nach einer für die Verhältnisse bemerkenswert unsentimentalen Ansage von Rembert Stiewe und Simon Baranowski - mit dem Wiener Quintett Thirsty Eyes. Samuel Ebner und seine Jungs (plus der permanent verschmitzt schmunzelnden Drummerin Margaret "Unknown") sind ein leicht durchgeknalltes, angeschrägtes Ensemble, das eigentlich wie für das OBS zurechtgezimmert scheint. Mit einem eigenartigen Mix aus rauem Rumpel-Blues, schrägem Schrammelrock und anglisiertem Kaffeehaus-Schmäh rockten sich die Thirsty Eyes durch ihr kurzweiliges Set - und ließen dabei keine noch so überzogene Stadien-Rockstar-Geste aus. Dass die Band gleich als erste verkehrsbedingt im Stau gesessen hatte und somit die ganze OBS-Chose mit einer Verspätung begann, war eigentlich so normal, dass dem Ganzen nun wirklich kein schlechtes OBS-Karma mehr angedichtet werden konnte.

Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt ist die sympathische Power-Grunge-Pop-Punk Combo Drens aus Dortmund. Über eine Verquickung glücklicher Umstände, Seil- und Bekanntschaften war Rembert auf die Live-Qualitäten der vier Jungs aufmerksam geworden und hatte sie als neuestes Signing auch gleich auf dem Glitterhouse-Label untergebracht. Was Rembert begeistert hatte - dass Drens nach persönlichen Favoriten wie den Posies klingen sollten etwa - lässt die Jungs eher kalt. Die Posies kenne man gar nicht - wohingegen Nirvana schon eine Landmarke sei, an der zu orientieren es sich lohne. Wie schon bei den letzten OBS-Ausgaben zu beobachten, ziehen Bands, die noch wissen, was ein Rockbrett ist, ein jüngeres Publikum an - und das sorgt dann offensichtlich regelmäßig dafür, Begriffe wie "Moshpit" oder "Abhotten" auch den älteren Semestern im Publikum anschaulich nahezubringen. Gleichwohl war das, was diesbezüglich bei Drens abging, nur eine Art Vorspiel. Davon aber später mehr. Was übrigens "Drens" bedeutet, wollen die Herren nicht verraten - und das ist dann schon recht drenswertig!

Das inzwischen zur festen Band mutierte, ehemalige Golden Kanine-Sideprojekt Cub & Wolf von Mastermind Linus Lindvall erlebte auf der kleinen Bühne des OBS sozusagen eine musikalische Wiedergeburt, denn aus der schrulligen Folk-Schrammel-Combo von früher war eine ernstzunehmende Rockband geworden, die mit ihren zwei Shows (davon die erste mit rundüberholten älteren Stücken und die zweite mit ausschließlich neuem Material) das Festival anschunkelte. Das kam z.B. für Rembert so unerwartet, dass er sich zu der - lobenden - Aussage hinreißen ließ, dass man eigentlich ja "etwas anderes gebucht" habe. Zur Information: Die besagten neuen Songs sind bereits eingespielt und sobald sich eine Vertriebsmöglichkeit ergeben hat, wird es auch ein neues Cub & Wolf-Album geben. Aber - so verrät Linus - auch Golden Kanine sind nach wie vor aktiv und planen, demnächst ebenfalls wieder ins Studio zu gehen.

Das Golden Dawn Arkestra absolvierte zwischen den beiden Cub & Wolf-Sets dann ihr OBS- und Deutschland-Debüt auf der Hauptbühne. Auch diese wild kostümierte Kapelle gehörte mit ihrem psychedelisch aufgedröselten Funk-Rock im Stile großer Vorreiter und Namen zu jener Art von Acts, die man eigentlich nur auf dem OBS entdecken kann. Inwieweit die ganze kunterbunte Zirkusshow des zahlenmäßig auf den notwendigen Nominalkonsens eingedampften Sextetts ernst gemeint ist, kann nur gemutmaßt werden. Vermutlich aber ist sie das: Dass die Band um den charismatischen Esoteriker Zapot Mgwana den Begriff "Arkestra" im Namen führt, erklärt sich der Legende nach daraus, dass dessen Mutter ihm erzählt haben soll, dass Zapots bis dahin unbekannter Vater der legendäre Sun Ra gewesen sein solle. Dass Zapot am Tag nach dem Auftritt beim Frühstück davon erzählte, dass er zwar gut geschlafen, aber seltsam geträumt habe, scheint glaubwürdig und wenig überraschend.

Kommen wir zum leidigen Thema Husten. Was waren im Vorfeld des Festivals doch wenig originelle Corona-Witze mit Bezug auf den Bandnamen des Projektes von Gisbert zu Knyphausen, Tobias Friedrich und Moses Schneider gemacht worden! Es half alles nichts: Gisbert hatte sich Corona zugezogen - demzufolge auch Husten - und das jahrelang geplante Konzert musste abgesagt werden, obwohl gerade erst die Debüt-LP von Husten erschienen war. Lediglich Husten-Mitgründer Tobias Friedrich war angereist, um seine Lesung am folgenden Festivaltag absolvieren zu können. Zum Glück hatte kurzfristig aber musikalischer Ersatz mit der Combo Shirley Holmes aus Berlin besorgt werden können. Ohne Frage wissen Gitarristin/Sängerin Mel, Bassistin/Sängerin Ziggy und Drummer Chris, wie man das Haus rockt. Sie wissen aber auch, wie man ein ganzes Festival rockt. Ganz so, als sei ein Großteil der vor der Hauptbühne tobenden Fans einzig wegen Shirley Holmes zum OBS angereist, entwickelte sich im Folgenden eine einstündige Pogo-Power-Tanz-Party, die selbst interessierte umstehende Musikfreunde beeindruckte und irritierte. Das ließ dann fast vergessen, dass eigentlich die Band auf der Bühne mit ihrem deutschsprachigen Knüppelrock die eigentliche Attraktion hätte sein sollen. Kurzum: In dieser Intensität und Urgewalt hatte man das OBS schon lange nicht mehr - wenn überhaupt je - toben sehen. Das sympathische Trio machte ihrem Motto "Sport mit Gitarren" jedenfalls alle Ehre. Die letzte Shirley Holmes-LP "Die Krone der Erschöpfung" hat jetzt zwar auch schon wieder zwei Jahre auf dem Buckel - neues Material soll aber schon in Arbeit sein.
Eine der "Entdeckungen" der letzten OBS vor der Pandemie war 2019 der Auftritt der Australierin Cash Savage und ihrer Band The Last Drinks gewesen. Schon damals hatte das Ensemble - damals noch nachmittags - mit seiner wuchtigen, ernsthaften Auslegung des Rock-Genres begeistert. Seither ist viel passiert: Die Band wurde von Glitterhouse gezeichnet, veröffentlichte zwischenzeitlich ein Live-Album (das - bei aller Liebe - die Urgewalt eines Cash Savage-Auftrittes nicht wirklich adäquat wiederzugeben in der Lage ist), dann hatte eine Reihe von Buschbränden quasi die ganze Ostküste Australiens verwüstet. Anschließend brachte die Pandemie einschneidende Restriktionen des ganzen Kontinents mit sich und letztlich folgte auf die Brandkatastrophe ein Jahr später eine ebenso gewaltige Flutkatastrophe. All das hatte Cash Savage und ihre Musiker nicht nur in direkter Weise in ihrer Arbeit betroffen, sondern auch menschlich erschüttert. Bereits zu normalen Zeiten erweckt der Auftritt von Cash Savage den Eindruck großer Ernsthaftigkeit und im theatralischen Sinne dramatischen Bedrohlichkeit. Das - und die Tatsache, dass Cash & Co. als Headliner des ersten Tages im Dunkeln spielten - verstärkte dann die archaische Kraft, die von einer mit zwei brachialen Rockgitarren und einer manischen Geigerin (Kat Mear) angetriebenen Rock-Dampfwalze nun mal ausgeht. Bei Cash Savage geht es offensichtlich nicht darum, auf der Bühne Spaß zu haben und die Leute zum Mitsingen zu motivieren, sondern darum, das Anliegen mit Inbrunst und Sendungsbewusstsein an die Hörer heranzutragen. Das hatte schon etwas Gospel-artiges, wie Cash da - zuweilen sehr deutlich - gegen Brandstifter, Klimaleugner und reiche weiße Männer als Väter aller Probleme wetterte. Ganz anders als die Punk-Party vom Nachmittag war demzufolge die Reaktion des Publikums beim Auftritt von Cash Savage & The Last Drinks eine eher ehrfürchtige und andächtige. Das war dann schwer beeindruckend und ein klassischer OBS-Moment. Und das beste - so Rembert - ist die Tatsache, dass die neue LP von Cash Savage fast fertig ist und demnächst bei Glitterhouse erscheinen wird...


Weiter zum 2. Teil...

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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