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Die Band der Stunde

Horsegirl
Francis Of Delirium

Hamburg, Molotow SkyBar
02.07.2022
Horsegirl
Nora Cheng, Penelope Lowenstein und Gigi Reece sind kaum raus aus der Highschool, klingen beim famosen Gastspiel ihrer Band Horsegirl auf der Hamburger Reeperbahn aber bisweilen so, als hätten sie in der ersten Reihe gestanden, als vor genau 30 Jahren ein paar Meter weiter im Docks Pavement als Support von Sonic Youth aufgetreten sind. Rau, ungefiltert, klanglich spürbar verwurzelt in der Vergangenheit, aber längst nicht nur als Abziehbild seiner Idole, macht das junge Trio aus Chicago in der trotz oder wegen des vor der Tür tobenden Schlager Moves gut gefüllten Molotow SkyBar praktisch vom ersten Ton an deutlich, warum es derzeit in aller Munde ist.
Francis Of Delirium
Vorschusslorbeeren hat auch der Supportact bereits eingeheimst. Die in Luxemburg lebende Kanadierin Jana Bahrich ist kaum älter als die Horsegirls und ebenfalls hörbar vom Sound der 90er-Jahre fasziniert, lasst sich deshalb aber nicht davon abhalten, ihre Musik in immer wieder neuen Settings zu präsentieren. Mal ist sie als Triobesetzung mit wuchtigem Grunge-Einschlag unterwegs, mal gibt's ihre Songs in Leisetreter-Versionen mit Orchester im Rücken zu hören, und in Hamburg zeigt sie, dass sie es auch ganz allein kann. Solo mit Akustikgitarre steht sie an diesem Abend in ihrem bemalten Overall in der SkyBar auf der Bühne, ohne dass deshalb die aufwühlende Intensität ihrer Lieder darunter leiden würde, ganz egal, ob sie mit "Ashamed" auf der Suche nach mehr Klarheit ihre Selbstzweifel vertont oder bei der Mitmachnummer "Quit Fucking Around" den Versuch startet, die düsteren Wolken der Hoffnungslosigkeit beiseitezuschieben. Bei den Ansagen zwischen den Liedern redet sie sich dagegen bisweilen um Kopf und Kragen, sorgt damit aber nicht nur bei Horsegirl, die sich unters Publikum gemischt haben, für viel Heiterkeit, sondern setzt auch - wenngleich vielleicht eher unabsichtlich - Kontrapunkte zur Ernsthaftigkeit ihrer Lieder. Ein verheißungsvoller Auftakt!
Horsegirl
Für Horsegirl sind wir danach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn auch wenn uns das Trio ganz sicher in Zukunft noch viel Freude machen wird, gibt es doch nichts Schöneres als die Band der Stunde in einem Moment zu erwischen, in dem noch nichts normal oder Routine, sondern alles noch neu, spannend und aufregend ist. Beim Horsegirl-Auftritt in der Hansestadt ist diese besondere Magie allgegenwärtig. Denn was auf dem just veröffentlichten Album "Versions Of Modern Performance" ausgeklügelt und selbstbewusst klingt, bekommt live mit einem Hauch von Naivität eine neue Dimension: Lächelnd, kichernd und beim Wechseln der Instrumente bisweilen liebenswert tollpatschig, wirken die drei nicht immer so, als wüssten sie wirklich, was sie da tun, nutzen aber genau das zu ihrem Vorteil. Die leicht entrückte Lässigkeit, mit der das Trio zu Werke geht, sorgt selbst ohne nennenswerte Ansagen für ein intimes Mittendrin-statt-nur-dabei-Feeling in der eh alles andere als riesengroßen SkyBar.

Vor einem von der stylischen Nachwuchs-Indierockette bis zum nerdigen Resthaarträger bunt gemischten Publikum schnappen sich die Pferdemädchen beim letzten Club-Kontert ihrer allerersten Europa-Tournee ("Wir sind ein bisschen traurig, aber auch ziemlich erschöpft, weil wir so etwas noch nie gemacht haben", verrät Penelope) klangliche Puzzleteile von gestern und vorgestern und bauen sich daraus ihre eigene Welt. Als "fesselndes, berauschendes Geflecht aus zerfasertem Indie-Rock, No-Wave-Fragmenten und Sprechgesang, abgefedert von dichten Gitarrenwolken" beschrieb der NME den Sound der Band bereits, und besser kann man es kaum auf den Punkt bringen.

Dass der Gesang zumindest nah vor der Bühne oft ziemlich untergeht, ist nicht weiter schlimm, denn entgegen dem derzeitigen Trend in Indiezirkeln, mit Songtexten das Innerste nach außen zu kehren, bleiben Horsegirl inhaltlich lieber kryptisch und nutzen den Gesang oft eher als zusätzliches Instrument, um die Dringlichkeit der Musik zu akzentuieren. Ganz ausgezeichnet funktioniert das bei "Anti-Glory", wenn Nora und Penelope am Ende unisono "dance, dance, dance" fordern, während "Option 8" solche Bemühungen erst gar nicht nötig hat: Die Nummer sprüht auch so vor punkiger Riot-Grrrl-Energie!

Dass Horsegirl auch anders können, zeigt sich bei "Beautiful Song", der passend zum Titel mit hübsch angeschrägtem Indiepop-Flair und unwiderstehlichen "Ba-Ba-Ba"-Parts bezirzt. Ihr Herz für Pop mit Lo-Fi-Charme offenbaren die drei auch bei der Zugabe. Nachdem die Setlist mit dem wüst-leidenschaftlichen "Billy" laut, dissonant und intensiv ihr Ende erreicht hat, gibt's als Rausschmeißer einen Song, "der nicht von uns ist, den wir aber gerne geschrieben hätten", wie Penelope verrät. Für "As We Go Up, We Go Down” von Guided By Voices bleiben Horsegirl nah am Original aus dem unerreichten "Alien Lanes"-Album und ziehen so respektvoll den Hut vor einer Legende. Es ist das i-Tüpfelchen eines mitreißenden Auftritts, der nur 48 Minuten lang ist, aber dennoch keine Wünsche offenlässt.
Surfempfehlung:
horsegirlmusic.com
twitter.com/musichorsegirl
www.instagram.com/horsegirlmusic
francisofdelirium.com
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Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -David Bluhm / Carsten Wohlfeld-

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