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Konzert-Bericht
 
Wein, Vibe & Gesang - Teil 2

Heimspiel Knyphausen

Eltville, Draiser Hof
29.07.2022/ 30.07.2022/ 31.07.2022

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Algiers
Der zweite Tag begann dann mit prächtigem Sommersonnenwetter und einem Auftritt der Berliner Liedermacherin Katharina Kollmann und ihrem aktuellen Ensemble Nichtseattle im Rahmen der Reihe "Heimspiel-Hoffnung", die schon so einigen Künstler(innen) den Weg ins kollektive Musik-Bewusstsein geebnet hat. Die Sache ist die: Nichtseattle ist ein Sammelbegriff für alles, was Katharina Kollmann in ihrer Kunst eben NICHT eindeutig ausbuchstabieren oder erklären möchte. Katharina möchte wohl einfach sein und machen. Und dabei spielt das Format gar keine so große Rolle.
Ihre Songs entwickelt sie relativ impulsiv in einem wenig glamourösen, ja sogar dezidiert spröde angelegtem und strukturell gerne mal ausufernden Setting. Das bietet viel Zeit für Lücken, die ihre Musiker wie z.B. Bassistin Fania Jacob etwa mit Lächeln oder Klatschen überbrückten. Dabei hat sich Katharina einen gewissen linkischen Charme bewahrt, der schon alleine deswegen glaubwürdig erscheint, weil sie es nicht auf den großen Kick angelegt hat und auch nicht wirklich um jeden Preis gefallen (bzw. gefällig sein) möchte. Für die Zuhörer ist es nicht immer ganz einfach, sich auf diesen Ansatz einzulassen (vor allen Dingen, weil die Tracks mit unzähligen "Stop & Go"s versehen sind) - weswegen dieses Konzert wohl nichts für Party-People und Pop-Freunde gewesen sein dürfte. Aber die hatten ja eh noch mit dem Kater vom Tag vorher zu kämpfen.

Eine weitere Heimspiel-Entdeckung dürfte das Projekt klebe der Berliner Songwriterin Liza Ohm darstellen, denn Liza hatte die Festivalleitung alleine mit einem einzigen ihrer drei bisher überhaupt veröffentlichten Songs in ihren Bann gezogen. Unterstützen ließ sich Liza im Band-Kontext von versierten Kollegen wie dem Songwriter-Kollegen Tim Jaaks an den Keyboards oder Dorothee Möller und Timon Schempp (The Girl & The Ghost, Jenobi) an Gitarre und Drums (Bass spielte sie selber auf ihren Keyboards) und präsentierte ihre amüsant formulierten und musikalisch ansprechend inszenierten Women's Lib und Empowerment-Pop-Songs mit Witz, Charme, Chuzpe und philosophischer Überlegenheit. Dabei hatte sie auch noch zufällig das geschickt entschleunigte Bilderbuch-Cover "Bungalow" im Gepäck. Solche Art von Musik wird man auf anderen Festivalbühnen eher vergeblich suchen. Keine Frage: Liza mag zwar eine kleine Person sein, die aber gewiss eine große Zukunft vor sich haben dürfte.

Auch Anna Wappel und ihre Combo Friedberg trugen zur Förderung der Frauenquote bei (gleichwohl sich das Heimspiel in dieser Hinsicht sowieso generell äußerst proaktiv zeigt). Zwar hatten es Friedberg nicht mehr auf die "Tages-Gläser" geschafft, die freundlicherweise jedem Festivalgast überreicht werden und auf denen für gewöhnlich die Namen der an diesem Tag auftretenden Acts eingraviert sind - dafür aber auf die Bühne des Heimspiels; und das ist ja wichtiger. Die österreichische Singer/Songwriterin (und Schauspielerin) Anna Wappel hat sich für das nach ihrem Geburtsort Friedberg benannte Bandprojekt mit der britischen Gitarristin Emily Linden, der Koblenzer Bassistin Cheryl Pinero und der Drummerin Laura Williams verstärkt und präsentiert ihre - bis zur Gründung von Friedberg eher poppig angelegten - Songs nun in einer Schnittmenge zwischen New-Wave, Powerpop und Rock. Obwohl es immer noch keinen Longplayer von den Damen gibt, haben sie sich als Live-Band auch international bereits einen guten Namen gemacht - zuletzt auf einer großen US-Tour. In Eltville präsentierten sich Friedberg mit einem an coolen Rock-Gesten wahrlich nicht armen Set, bei dem der Funke immer dann so richtig übersprang, wenn einstudierte Showeinlagen zugunsten einer offensiven Bühnenpräsentation hintangestellt wurden - insbesondere dann, wenn sich Anna und Emily oder Emily und Linda auf der Bühne im Zusammenspiel ergänzten. Irgendwie stellte sich aber der Eindruck ein, dass Friedberg ihr Potential wegen zu viel Cleverness vielleicht sogar noch gar nicht vollständig ausgeschöpft haben und sich sogar teilweise selbst bremsen. Vielleicht wird das anders, wenn sie sich - etwa mit einem Longplayer - mal für eine bestimmte Richtung aus ihrem reichhaltigen Stilmix entschieden haben. Immerhin: Wesentlich cooler als so manche vergleichbare Herren-Band sind Friedberg allemal.

Eine weiteren Coup hatte das Heimspiel mit der Verpflichtung des Post-Punk-Gospel-Quartetts Algiers aus Athens, Georgia, gelandet - denn allzu oft sind der charismatische Preacherman Franklin James Fisher und seine Gesellen in unseren Breiten ja nun wirklich nicht unterwegs. Für Bands wie Algiers - die ihren Unmut über den Zustand der Welt mit manischer Intensität und hysterischer Inbrunst zum Ausdruck bringen - sind Krisenzeiten wie die unseren ja eigentlich gar nicht so schlecht. Ohne Frage brauchen Franklin & Co. aber auch keinen besonderen aktuellen Anlass, um ihren Gospel according to mit endgültiger Bestimmtheit und einer gehörigen Portion Sendungsbewusstsein an die Zuschauer heranzutragen. Musikalisch plündern Algiers dabei gerne bei Soul, Jazz, R'n'B, Punk, HipHop, E-Pop und Rock und verquicken das Ganze zu einem einzigen, apokalyptischen, musikalischen Malstrom. Etwas überraschend gelang es aber dann, das Publikum, während einer rhythmisch intensiven Stakkato-Passage zum begeisterten Mitklatschen im ansonsten bierernsten Treiben zu bewegen. Das fand Ryan Mahan, der volksnahe Bassist, Keyboarder und Ausdruckstänzer des Ensembles dann wohl so amüsant, dass er anschließend am Bühnenrand sogar für Selfies mit den jugendlichen Fans posierte. Und von diesen jugendlichen Fans gab es dieses Mal sogar besonders viele, denn am zweiten Tag hatten die zahlreichen jungen Eltern im Publikum den Reiz der vor der Bühne platzierten Lautsprecherboxen als Ablagefläche ihrer Kids entdeckt.

Die Entscheidung, sich den üblichen Maschinismen der gängigen Festival-Doktrinen zu entziehen, zeitigt manchmal auch wagemutige Ergebnisse. So endete der zweite Festival-Tag dann mit dem Auftritt der niederländischen Instrumental-Combo YIN YIN. Wes Geistes Kinder Kees Berkers und Yves Lennertz und ihre Mannen sind, wird schon durch den "hippie-esken" Titel ihres Debüt-Albums "The Age Of Aquarius" deutlich. Freilich bleibt es nicht bei psychedelischen Hippie-Sounds, denn YIN YIN haben ganz ähnliche Interessen wie ihre Kollegen (und Vorbilder?) von Khruangbin und verquicken in ihren munter pulsierenden Tracks Cocktail-Lounge-Flair, Tropicalia, Funk und 70s Disco zu einer letztlich attraktiv groovenden Melange, die auch ohne Worte funktioniert. Der Ehre halber sei noch angemerkt, dass YIN YIN aber auch eigene Akzente setzen, und ihren Sound zusätzlich durch verspielte Elektronik, Thai-Folk und kolonialistisch anmutende ostasiatische Akzente anreichern. Im Prinzip funktionierte das ganz gut - warum allerdings die Musiker besonderen Wert darauf legten, sich in den Schwaden des reichlich eingesetzten Kunstnebels zu verstecken bzw. sich nicht anleuchten zu lassen (obwohl eine beeindruckende Lichtregie aufgefahren wurde, die aber überwiegend das Publikum ausleuchtete), wurde nicht so recht deutlich. Zumal die Herren schließlich nach dem Ende des Konzertes noch mal für eine angedeutete Tanzeinlage auf die Bühne zurückkehrten.
Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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