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Konzert-Bericht
 
Mord, Sex und Hunger

Anna B. Savage
Iona Zajac

Köln, Bumann & Sohn
18.04.2023

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Anna B. Savage
Kaum zu glauben, aber diese Veranstaltung im Kölner Bumann & Sohn war ganze drei Jahre in Arbeit. Die britische Songwriterin Anna B. Savage hatte es ja geschafft, ihren ersten Longplayer "A Common Turn" die Veröffentlichung, die Promotion und insbesondere die Tour betreffend, vollständig in die Pandemiephase hinein zu terminieren - obwohl das Album vor dem Ausbruch der ganzen Malaise bereits fertig gewesen war. Tatsächlich ist die aktuelle Tour also Annas Tour-Debüt in unseren Breiten. Na ja - vielleicht hatte die Sache ja auch etwas Gutes, denn in der Zwischenzeit hatte Anna ihr zweites Album "in|FLUX" einspielen können. Und dieses Album eröffnete Anna dank der tätigen Mithilfe des "Folktronica"-Erfinders Mike Lindsay (Tunng, Lump) dann ganz neue musikalische und produktionstechnische Möglichkeiten, die sie nun auf dieser Tour - im Trio-Format - dann auch gewinnbringend implementieren konnte.
Als Support hatte sich Anna die schottische Songwriterin Iona Zajac eingeladen. Iona bildet zusammen mit ihrem musikalischen Partner Sam Grassie das Neo-Folk-Projekt Avocet, das zur Zeit auf Eis liegt. Ihren ersten Auftritt als Solo-Künstlerin mit neuen eigenen Songs absolvierte Iona dann als Support auf einem Konzert von Anna - was dazu führte, dass Anna sie dann auch auf die Tour mit nahm. Das war sicherlich eine gute Idee, denn das, was Iona heutzutage macht, hat mit Folk nur noch am Rande zu tun. Obwohl: Bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland (bzw. Europa, wie es der Brexit-geplagten Schottin herausrutschte) stellte sich Iona mit einem Traditional aus dem 15. Jahrhundert vor, das eine Schlacht zwischen schottischen Clans thematisiert. "Wir sind auf der Seite der MacIntoshs", erklärte sie dem Publikum, "und die haben die Schlacht gewonnen. Es gibt also Mord und Totschlag, wie wir Schotten ihn lieben." Mit den folgenden, eigenen Tracks demonstrierte Iona dann ein gesteigertes Interesse an Morbidität, verschimmelten Lebensmitteln und Sex in verschiedenen Ausdrucksformen. Kurzum: Iona Zajac schwimmt da in gewisser Weise auf derselben Wellenlänge wie Anna B. Savage - oder doch zumindest auf einer, die auch Anna mühelos nachvollziehen könnte. Das passte sehr gut - auch deswegen, weil Iona als schwarzhumorige Performerin das Publikum mühelos in ihren Bann zu ziehen verstand und ihr Material genügend musikalische Variationen und amüsante Lyrics mit blumiger Profanlyrik bot, um auch Neulingen einen Zugang zu ermöglichen. Und sie sorgte dafür, dass die im Bumann übliche, unsinnige Kunstnebelverschwendung gegen Ende ihres Sets unterbunden wurde. Es kommt ja nicht oft vor, dass eine aufoktroyierte Support-Show eher zu kurz erscheint. Das war aber mal so eine.
Wie bereits erwähnt, war Anna B. Savage mit einer Band angereist. Neben Anna waren noch Drummer Joe Taylor und die Multiinstrumentalistin Geneviève Dawson mit an Bord. Letztere übernahm neben der Rolle der Keyboarderin auch noch die einer Bassistin. Die Entscheidung mit einer Band und unter Einbeziehung der (teils vorproduzierten) Electronics Lindseys auf Tour zu gehen, war sicherlich eine gute und richtige, denn das Mehr an Sound machte Annas Songs alles in allem - nun ja wie soll man sagen? - erträglicher und zugänglich. Jeder, der Anna zum Beispiel ein mal bei einem ihrer Solo-Auftritte gesehen hat, wird bestätigen können, dass aufgrund der unglaublichen Intensität des Materials und der Performance dann die Nerven blank liegen - und zwar nicht nur bei Anna, sondern auch beim Hörer. Ganz anders bei der Band-Performance. Natürlich sind die Songs dabei auch nicht lustiger als sonst - aber das Verteilen auf mehrere Schultern und die Möglichkeit, die emotionale Intensität in verschiedene Richtungen aufzufächern, waren dann für den musikalischen Verdauungsprozess schon sehr förderlich.

Worum es ging wurde schnell deutlich: Das gesamte Album "in|FLUX" wurde gespielt - und zwar dramaturgisch leicht umsortiert und eingerahmt von drei Tracks von "A Common Turn" (neben dem Titeltrack noch "Cornkrakes" und "Two") - und ohne Zugabe, denn diese findet Anna nämlich lächerlich. Dafür erschien sie dann aber gleich nach der Show zum signieren am Merch-Stand und unterhielt sich dort angeregt mit den Fans, ganz so, als habe sie nicht gerade eine gute Stunde lang in den emotionalen Abgrund gestarrt.

Nachdem zunächst mal mit dem köchelnden "The Ghost" ein atmosphärisches Ausrufezeichen gesetzt wurde, wurde akustisch mit "Cornkrakes", "Two", "I Can Hear The Birds Now" und "Hungry" eine sich ständig aufbauende Spannung aufgebaut, die spätestens mit "Feet Of Clay" dann endgültig aufgelöst wurde. Musikalisch bot sich letzterer Track mit seinen für Annas Verhältnisse poppigen Passagen natürlich für das angebotene Powerplay-Setting an - besonders dann, wenn die Synthie-Sequenzen in Kombination mit Annas E-Gitarren-Einlagen zum Abhotten einluden. Gleich im Anschluss gab es dann noch "Pavlov's Dog" mit fast rockigen, im Wesentlichen aber eher unerbittlich phythmischen Passagen. Im Prinzip war dann aber die ganze Show in Form eines an und abschwellenden Spannungsbogens angelegt - was das besagte Abhotten immer nur punktuell ermöglichte - zumal sich Anna dann auch dazu verstieg, immer wieder darauf hinzuweisen, dass der nächste Track eventuell noch trauriger sein könnte, als der jeweils vorangehende. Ehrlich gesagt war aber "traurig" vielleicht gar nicht die richtige Bezeichnung, denn aufgrund von Annas in jedem Moment präsenten, kraftvollen Gesangsvortrag hören sich ihre Songs schließlich eher an wie die musikalische Umsetzung einer Therapie-Session. Sehr schön war dann auch die Dramaturgie des Ganzen. Die Musiker waren in orangerote Jumpsuits gewandet (vielleicht mit Bezug auf den konsolidierenden Charakter des letzten Songs des Abends "The Orange") und veränderten den teilweise dezidiert autistischen Solitär-Charakter von Annas Material, indem sie die Struktur der Tracks auf kunstvolle Weise umspielten und sich dabei gegenseitig anfeuerten - wobei das natürlich sicherlich nicht ganz einfach war, denn Anna singt konsequent mit geschlossenen Augen. Nachdem sie zunächst mal ihre Nervosität in den Griff bekommen musste (weil sie das Publikum nicht erkennen konnte und sich nicht sicher war, ob sich dieses gut unterhalten fühle, weil sie von der angespannten Stille der aufmerksam zuhörenden Fans überrascht war), wurde sie im Verlauf des Sets immer gelöster und plauderte am Ende sogar recht ungezwungen mit den Fans.

Langer Rede kurzer Sinn: Das Warten auf Annas Tour hatte sich aus Sicht der Fans mit Sicherheit gelohnt, denn frei nach dem Motto "was lange währt, wird endlich gut" holten Anna und ihre Musiker mit Hilfe der elektronischen Zutaten performerisch das Optimum aus dem Material ihrer beiden LPs heraus. Für all jene, die einen vielleicht zurückhaltenderen Vortrag erwartet hatten, dürfte dies dann eine durchaus angenehme Überraschung gewesen sein.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Anna B. Savage:
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