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Martin Stephenson

Köln, Underground
07.02.2003
Martin Stephenson
"Das letzte Mal war ich vor zehn Jahren sechs Wochen lang mit Bob Geldof hier in Deutschland", meinte Martin Stephenson gut gelaunt ins spärlich besetzte Auditorium, "die waren aber alle verrückt und ich war froh, als ich wieder nach Hause kam." 10 Jahre scheinen doch zu viel des Guten gewesen zu sein - zumal Scheiben des ehemaligen Daintees Vorsitzenden auch eher unberechenbar veröffentlicht wurden und z.T. auch nur über seine Website www.daintees.com zu haben sind. Denn lediglich ca. 30 hartgesottene Fans hatten sich zum Tourauftakt eingefunden, um zu schauen, was der Herr musikalisch so alles aufzuarbeiten hatte. Indes schien das die geborene Frohnatur Martin Stephenson keineswegs zu bremsen. Stephenson ist eh der Performer schlechthin - auch abseits der Bühne, wo kiloweise haarsträubende Anekdoten aus dem Musikantendasein nur so aus ihm herausquellen - und er gab sich mächtig Mühe, etwas Stimmung in die Bude zu bringen. Was ihm letztlich auch gelang - und zwar nicht erst, als er bei der letzten Zugabe von der Bühne kletterte und jedem einzelnen Anwesenden herzlich die Hand schüttelte.
An der Musik konnte es auch nicht liegen, dass so wenige Getreue den Weg ins Underground fanden. Selten hat man jemanden gesehen, der eine so große Bandbreite an Stilen - vom klassischen 20er-Jahre Swing über Bossa Nova bis hin zum alternative-Schrammelpop - dermaßen souverän in seinem Wirken verquickt. Mal solo, mal im Duett mit seinem Buddy Jim Hornsby an der Gitarre und mal mit der ganzen Band hatte Martin das Publikum jederzeit in der Hand. Übrigens: Das bekommt er durchaus auch bei wesentlich größeren Menschenmassen spielend hin. Es schien auch nicht so, als würde ihn der geringe Zuspruch sonderlich grämen. Denn Martin ist einer der Musiker, die sich am konsequentesten von den Mechanismen des Business losgesagt haben. Gipfeln tat das mit Sicherheit in dem Projekt "The Church And The Minidisc" - Produktionskosten acht Pfund, wie Martin nicht ohne Stolz anmerkt. "Als ich damals auf dem Höhepunkt der Popularität stand, spielten wir jeden Abend vor 2 000 Leuten", erinnert er sich an die Zeit des Major-Label-Deals mit den Daintees in den 80ern, "ich fühlte mich aber dadurch irgendwie eingeengt und beschloss, für mich nach anderen Wegen zu suchen. Heutzutage bin ich viel freier in dem, was ich tue und ich bete jeden Tag zu Gott dafür, dass das möglich ist. Sonst hätte ich übrigens auch nie Leute wie Dave oder Gordon kennengelernt..." Dave Foster ist der etwas zerstreut wirkende Bassist der Last Of The Summer Winos (Martins Live-Band) und Drummer Gordon ist ein Charakter für sich: Gordon ist in den 60ern einmal übers Ohr gehauen worden und weigert sich seither, etwas verbindlich zu unterschreiben. Des weiteren hat er eine Herzplantation hinter sich, führt diverse Alias-Namen (z.B. Stikks Larksman) und wird - aufgrund seiner langmähnigen Frisur - von Martin stets als "Jesus" angekündigt. Im Prinzip machte die doch sehr seltsam anmutende Band mit Martin als Motor durchaus Sinn. Denn nur so ließen sich z.B. die Stücke des neuen Albums "Collective Force" ("Orange Is The Colour Of Joy", "The Sun's Coming Out") oder seine alten Tracks - darunter der heimliche Hit "Holy Humble Heart" - adäquat darbieten. "Das Stück klingt zwar ein bisschen nach 'Sweet Home Alabama'", hatte er mal bei einem anderen Konzert gesagt, "aber das müsst ihr einfach ignorieren." Besser kann man diesen Track auch nicht beschreiben - jedenfalls ging hier so richtig die Post ab. Neben dem gewiss nicht schlechten eigenen Material versuchte sich Martin auch erfolgreich an sehr ausgesuchten Coverversionen - darunter Janis Ians "Will The Circle Be Unbroken" oder Roddy Frames Aztec Camera Hit "Higher Power" - in z.T. doch ziemlich radikalen Versionen.
Martin Stephenson
Außerdem gab's noch einen Song in radegebrochenem Deutsch; "Es kommt eine Zeit" und kistenweise anrührende Balladen wie z.B. "Rain" oder "Solomon", bei denen Martin meist nur von dem sehr vielseitig agierenden Jim Hornsby begleitet wurde, der seiner Gitarre eine ganze Palette an verschiedenen Sounds, Stimmungen und Stilen entlockte und ein Instrumental, der "Maverick Walz", weil man ja in Köln so gerne Walzer tanze. Dazu spielte Martin seine seltsam gedrungen erscheinende akustische Gitarre, setze sich gerne auch mal auf den Verstärker oder haute mit dem Kopf gegen das Mikro, um so perkussive Effekte zu erzielen. (Ein Martin Stephenson Special Effect, den man nicht unbedingt zu Hause versuchen sollte). Natürlich gab es in einigen Songs Seitenhiebe auf Bush & Co. - das ist ja heutzutage fast schon obligat. Dennoch machte es Sinn, dass sich Martin zum Konzert in bester Woody Guthrie Manier kleidete (Halstuch, Arbeiter-Hemdchen und karierte Hose), denn wenn heutzutage noch jemand die Guthrie-Ethik am Leben erhält, dann ist das Martin Stephenson. Konzerte wie dieses wünschte man sich wahrlich öfter (wenngleich mit mehr Zuschauern), denn hier, so hat man das Gefühl, erarbeitet sich der Musiker seinen kärglichen Lohn noch mehr als redlich. Übrigens: Eine richtige Daintees-Reunion wird es wohl kaum geben, da die anderen Bandmitglieder durch andere Projekte oder familiär gebunden sind.
Surfempfehlung:
www.martinstephenson.com
www.daintees.com
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

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