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Real men with Yo-Yos

Joe Jackson Band

Köln, Live Music Hall
24.04.2003

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Joe Jackson Band
Wie sieht die Hölle für Konzertbesucher aus? Man wartet bis in alle Ewigkeit auf den Haupt-Act und hört dabei immer wieder das selbe Stück vom Band (in dem Fall eine belangloses Bossa Nova Instrumental). So etwas passierte nämlich im "Vorprogramm" zum ausverkauften Konzert der wiedervereinigten Joe Jackson Band in der ungelüfteten Live Music Hall. Ganz so schlimm war es aber dann doch nicht, da die Sache relativ früh losging. Um kurz nach acht standen nämlich Mary Lee's Corvette auf der Bühne. Songwriterin Mary Lee Cortez bekam ihren Plattenvertrag (Carsten, beware!) indem sie eine selbst produzierte und vertriebene Cover-Version von Dylans "Blood On The Tracks" herumreichte. Wohlgemerkt: Eine Cover-Version der ganzen CD! "Dazu muss man entweder total verrückt sein oder aber ziemlich genial", erklärte hierzu ihr Manager (der zufällig auch der von Joe Jackson ist, was die ganze Sache erklärte).
Auf der großen Bühne, alleine mit ihrem Bassisten Paul Page machte Mary eine etwas verlorene Figur, was sie indes mit Charme und Witz wieder auszugleichen verstand. Um es kurz zu machen: Marys Songs sind ganz okay, der Klang ihrer Gitarre kam merkwürdig dünn rüber und ihr Bassist kam wohl direkt von einer Rock-Band - denn er bremste jeden Song ziemlich undifferenziert und alles andere als rhythmisch aus. Aber: Marys Stimme ist äußerst hörenswert, sie ist eine geborene Performerin und eine Cover Version von "You're Gonna Make Me Lonesome When You Go" hört man auch nicht alle Tage. Das Publikum war indes nicht wegen Dylan da: "Habe ich was falsches gesagt?", fragte Mary, nachdem sie erwähnt hatte, dass sie eine Cover Version des großen Bob spielen wolle. "Ja - Dylan!" kam es aus dem Publikum zurück. Joe Jackson Fans sind eben nun mal keine toleranten Musikfreunde - sondern eben Joe Jackson Fans. (Das kennzeichnet sich dadurch, dass Joe Jackson Freunde - nicht immer, aber oft - gar nichts anderes hören). Was an sich ein Widerspruch sein müsste, denn Joe Jackson selbst ist ein toleranter Musikfreund.
Das zeigte er an diesem Abend nicht nur durch den ziemlich unbefangenen Umgang mit der eigenen musikalischen Historie, sondern auch durch den mit Cover Versionen. Dazu später mehr. Wer wissen möchte, wie die Joe Jackson Band 2003 klingt, der möge sich entweder die Konzerte aus der ersten Phase Ende der 70er Jahre ins Gedächtnis zurückrufen oder aber zur limited Edition der aktuellen Scheibe, "Volume IV" greifen. Darauf ist nämlich eine Bonus Live CD von einem Konzert enthalten, das die Jungs VOR den Aufnahmen zur neuen CD - quasi zum Aufwärmen - einspielten. Und warmgespielt war das Quartett allemal. Mit dem Drive einer erfolgreichen US-Tournee im Rücken und offensichtlich gutgelaunt stürzten sich Joe und seine Kumpane in einen Express-Durchgang in Sachen Joe Jackson Band. Vom ersten Ton von "One More Time" an hatte Joe dabei das Publikum fest im Griff. Dieses bestand vorwiegend aus Pärchen ungefähr im Alter der Herren auf der Bühne (denn Joe wird ja, so er selbst, systembedingt der Zugang zu jugendlicheren Schichten verweigert), die jedes Stück des Meisters genauso frenetisch abfeierten, wie vorher die von Mary Lee ignoriert hatten. Gegeben wurde dann eine gesunde Mischung der Songs von "Look Sharp!", "I'm The Man" und "Volume IV". "Beat Crazy" blieb (vertreten durch den Titeltrack, bei dem Bassist Graham Maby die Lead Vocals übernahm) merkwürdigerweise außen vor. Aus der Zwischenzeit gab es - verständlicherweise - nur gelegentliche Auszüge: "Down To London", z.B. von "Blaze Of Glory" spielte er mit Band und "Home Town" von "The Big World" trug er zum Beginn des Solo-Teils am Piano vor. "Moment mal", unterbrach er dabei einen Fan, der in eine Pause hinein lautstark die nächste Strophe anstimmte, "ich denke doch, dass wir alle wollen, dass ich das singe, oder?" Es folgte dann eine Version seines Klassikers "Real Men" von "Stepping Out" - aber: In der Version von Tori Amos. Tori hatte bei diesem Stück ja die zweite Strophe geändert - und dieses quasi damit zu einer Schwulen-Hymne gemacht. Das gefiel dem Joe so gut, dass er diese Idee aufgriff und den neuen Text verwendet. (Soviel zum Thema toleranter Musikfreund). Beim Gespräch vor dem Konzert hatte sich Joe noch darüber beklagt, dass es momentan kaum Leute gäbe, die Wert auf gute Songtexte legten (ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt). Kein Wunder also, dass er dann ausgerechnet "Any Major Dude Will Tell You" von Steely Dan spielte - den Altmeister der intelligenten Song-Lyrics. Ein Song übrigens, der den seinen thematisch doch sehr entgegen kam. Auch die Tracks des neuen Albums, wie z.B. "Love At First Light" beschäftigen sich schließlich oft mit den eher unangenehmen Fragen des Lebens - z.B. wie in dem Fall mit offenen, ungelösten Beziehungskisten - wie er auch bereitwillig erklärte. Beim Klassiker "Fools In Love" ließ Jackson dann noch en passant eine gar nicht mal so ungelungene Version des Yardbirds Hits "For Your Love" einfließen. (Das erklärte dann auch sein seltsames Grinsen, als beim Gespräch das Thema Yardbirds Reunion aufkam).

Fazit: Es gab an diesem Abend die Gelegenheit, die Joe Jackson Band in Bestform zu erleben - und es fehlte wirklich nichts (sogar seine Melodica hatte Joe eingepackt). Vielleicht am Beeindruckendsten erschien bei dieser Show, welche Energie die doch schon älteren Herren an den Tag legten, und wie nahtlos sich die neuen Stücke in das immerhin doch schon ein viertel Jahrhundert alte Oeuvre einfügten - das sich damit eindeutig als zeitlos darstellte. Nachdem die Show dann mit den Rausschmeißern "Got The Time", "It's Different For Girls" und natürlich "I'm The Man" zu Ende ging, stellte sich fast so etwas wie ein Gefühl der Wehmut ein, dass "Volume IV" nun doch die letzte Scheibe der Joe Jackson Band gewesen sein soll. Aber wer weiß, was zum 50. Jubiläum ansteht?

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Surfempfehlung:
www.joejackson.com
www.jj-archive.net
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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