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Konzert-Bericht
 
Elektro Bossa De Luxe

Cibelle
Coloma

Köln, Stadtgarten
01.12.2003

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Cibelle
Zu einem Rendezvous der außerordentlichen Art hatten die Kölner Exil-Engländer Robert Taylor und Alex Paulick (Coloma) und die brasilianische Alternative-Bossa-Nova Chanteuse Cibelle (ungefähr wie Sibylle ausgesprochen) geladen. Die seltsame Querverbindung ergab sich eher zufällig über die Plattenfirma: Irgendwie, so schien es, machen Cibelle und Coloma auf ihre Art zwar vollkommen unterschiedliche Sachen, wollen aber das Gleiche. Nämlich sich den üblichen Hörerwartungen verweigern und die Zuhörer mit eigenen Visionen zu überraschen. Coloma - im Live-Kontext noch verstärkt um die Keyboarderin Gabriele Lüttner - verweigern sich nicht nur den üblichen Hörerwartungen, sondern eigentlich allem, was es schon mal gegeben haben könnte. Ihr Bemühen, vollständig eigene Klangwelten aufzubauen, müssen sich die Herren natürlich mit gewissen Kompromissen erkaufen. So ist ihr merkwürdiger Soundcomputer mit den vorproduzierten, aber im Live-Kontext geschickt und relativ impulsiv abgerufenen und kombinierten Beeps & Clonks denkbar ungeeignet, den Front-Crooner Robert Taylor in seinem Bemühen zu unterstützen, seiner harmonischen George Gershwin Ästhetik gerecht zu werden.
Obwohl sich Robert sichtlich und teilweise auch erfolgreich müht, der Sache durch seinen lamentös-bravourösen Gesang Leben einzuhauchen, scheitert er immer dann, wenn der stolpernde Rhythmus ohne jedwede melodische Impulse diesen Ansatz zerstört. Ein lebendiger Bassist, der auch einmal eine Melodie komplementieren könnte, würde hier Wunder wirken. Zumal auch die Keyboards diesen Ansatz nicht so recht unterstützen. Wenn es dann aber einmal funktioniert - wie z.B. bei dem heimlichen Hit der aktuellen Scheibe "Finery" mit Namen "If You Can't Be Good", dann läuft die Coloma-Maschine wie geschmiert und dann kann man auch erahnen, wo die Jungs eigentlich hin möchten. Obwohl sich Alex zudem bemüht, mit allen möglichen selbstgebastelten Tüt und Plop-Geräuschen eine möglichst eigenständige Rhythmik aufzubauen, und obwohl alles aus der kleinen grauen Kiste kommt, ist Coloma niemals Elektronik-Mucke im strikten Sinne und auch alleine richtige Tanzmusik. Es sei denn, man bewegt sich mit einer Art imperialen Sendungsbewusstsein der britischen Arbeiterklasse, wie es Robert tut. Nur: Wer kann das schon? Denn alle anderen sind damit beschäftigt, die äußerst komplexen Klanggebäude zu verstehen, die Robert und Alex abwechselnd aus ihrer Höllenmaschine hervorzaubern. In zwei Dingen sind Coloma jedoch wahre Meister: Einmal darin nämlich, Atmosphären zu erzeugen - die hauptsächlich durch Alex' Gitarrenarbeit hervorgerufen werden (z.B. mit einer Steel Gitarre bei "Silver & Grey") und zum anderen darin, Songs zu dekonstruieren und nach eigenen Ansprüchen wieder zusammenzubauen. Sehr schön zu erkennen an dem alten Track aus Barrett Velox Zeiten "You Came As Yourself". Da war dann - außer dem Gesang - nichts mehr an seinem Platz und gerade deshalb funktionierte es ganz hervorragend. Eine Voraussage sei einmal gewagt: Wenn es Robert und Alex schaffen, auf ihrem nächsten Werk ihren doch arg konstruierten Klanggebilden ein wenig Leben und Seele einzuhauchen, dann sollte dieses wohl ein modernes Meisterwerk werden. In jedem Fall muss man aber die unerbittliche Konsequenz bewundern, mit der die Jungs ihren Weg gehen. So etwas wie Coloma hat man dann tatsächlich eher noch nie gehört.
Dass die Headliner zuweilen artig um einen Applaus für die Support-Band bitten, erlebt man ja hin und wieder schon einmal (wenn auch immer noch zu selten). Dass aber die gute Cibelle dann Coloma gleich als ihre Lieblingsband bezeichnete, war doch ein wenig ungewöhnlich - und zeigte vielleicht auch die Seelenverwandschaft der beiden Acts auf. Anders als Coloma sieht Cibelle ihr Heil indes nicht unbedingt in der Reduktion, sondern eher im Verbiegen von üblichen Strukturen. Und so erlaubte sie sich auch den Luxus, mit einer kompletten Band anzureisen. Die Songs ihrer selbstbetitelten Debüt CD basieren zwar nominell alle irgendwie auf dem Bossa Nova - doch spielt das in der Ausführung dann eher eine untergeordnete Rolle. "Deixa" z.B. kam mit einem subtilen Reggae-Dub-Flair daher, während das zur Jam-Session umfunktionierte "Train" etwa als Funk-Stück missbraucht wurde. Lediglich dann, wenn sich Cibelle ganz der Traditionspflege widmete - z.B. mit einer jazzigen Verbeugung vor dem großen Jobim -, wurde es ganz besinnlich und z.T auch puristisch. Ansonsten aber wurde keine Möglichkeit ausgelassen, die Grenzen der jeweiligen Stücke auszuloten - sei es durch rhythmische Spielereien, sei es durch instrumentelle Brillianz (besonders der Mann am Vibraphon wusste durch inspirierte Beiträge zu überzeugen), durch spinnerte Samples oder sei es durch atmosphärische Vokalakrobatik - Cibelle sang großteils mit zwei Mikrophonen, von denen eines mit einem saftigen, verhallten Delay belegt war. Obwohl die Gute ihre Stücke 50:50 in englisch und portugiesisch vortrug, war es doch einmal erfrischend, einen Act zu erleben, der sich so ganz und gar unangelsächsisch der selbstgestellten Aufgabe näherte. Sicherlich war die Energie des ganzen Konzertes eine ganz andere als etwa jene, die man gemeinhin von Rock-Konzerten gewohnt ist - aber das ist ja auch mal ganz schön. Letztlich war dies ein Abend mutiger Visionäre, die aufzeigten, was man alles machen kann, wenn man nicht auf diejenigen hört, die immer wissen, wie etwas nicht geht.

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Surfempfehlung:
www.crammed.be/zir/15/
www.colomamusic.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Cibelle:
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