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The Essential Billy Bragg

Billy Bragg
Jill Sobule

Köln, Prime Club
11.03.2004

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Billy Bragg
Anlässlich der Veröffentlichung von "Must I Paint You A Picture?: The Essential Billy Bragg", einer zwei CDs umfassenden Retrospektive der Karriere von Billy Bragg, kam der Polit-Barde auf Solo-Tour - und kaum einer konnte und wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, den Mann in der Art live zu erleben, wie die meisten ihn wohl "damals" kennengelernt hatten: Solo, nur mit einer E-Gitarre bewaffnet. So war es auch kein besonders großes Wunder, dass der Prime Club in Köln ausverkauft und mit Leuten gefüllt war, die gemeinsam mit Billy aufgewachsen sind - soll heißen: Eine große Ü-30-Versammlung, die auf Billys Lieder über Politik und Liebe warteten.
Zuvor jedoch stand die New Yorkerin Jill Sobule auf der ungewohnt leeren Bühne des Prime Club. Die Singer / Songwriterin mit dem Hang zum Sarkasmus ist in Deutschland zwar leider nicht übermäßig bekannt, hatte aber trotzdem leichtes Spiel, das Bragg-Publikum auf ihre Seite zu ziehen - nicht nur, weil sie, wie sie lachend anmerkte, ihren vier Seelen starken Fanclub dabeihatte, der in Reihe 1 jede Zeile gewissenhaft mitsang. Los ging es gleich mit einem großartigen Beispiel für Jills Humor, dem Song "The Jig Is Up" mit den Zeilen "Maybe I could / Jump off the Brooklyn Bridge / But I don't live in Brooklyn / And I don't know how to swim". Und sogar ihren einzigen, wegen seines Textes in den US-Südstaaten aus dem Radio verbannten Hit, das zehn Jahre alte "I Kissed A Girl", spielte Jill an diesem Abend, doch die wahren Highlights waren neueren Datums. Die Anti-Bush-Tirade "Texas" zum Beispiel, mit dem gut gemeinten Ratschlag, wenn man schon jemanden umbringen müsse, dann lieber nicht im Heimatstaat des George W. Bush ("You better not kill in the Lone Star State / They just love to kill YOU"), oder die unvermeidliche "unpassende Coverversion". Das war an diesem Abend Destiny's Childs "Survivor", von Jill kommentiert mit: "Ich traue mich kaum, es zuzugeben, aber ich mag es, diesen Song zu singen!" Nachdem sie gegen Mitte ihres äußerst kurzweiligen Sets die anfängliche Nervosität abgelegt hatte, traute sie sich sogar, das Publikum um ein Bier zu bitten. Sie hätte auf dieser Tournee angefangen, Bier zu trinken, ließ sie uns wissen, nur um stolz anzufügen: "Ich werde jetzt Alkoholikerin!" Mit zwei weiteren Highlights, einmal traurig ("Mexican Wrestler") und einmal fröhlich ("Underdog Victorious"), wollte sie sich eigentlich verabschieden, doch nachdem sie von Billys Tourmanager flugs zurück auf die Bühne geschickt worden war, um das großartige "Bitter" (ihren zweiten Fast-Hit aus dem Jahre 1997) zum Besten zu geben, stand noch ein ganz besonderes Schmankerl auf dem Programm: Angekündigt als "my special guest... Britney Spears!" erschien Billy auf der Bildfläche, um zusammen mit Jill eine gar nicht mal so schlechte (aber vor allem sehr spaßige) Version des von David Bowie für Mott The Hoople geschriebenen Klassikers "All The Young Dudes" zu spielen. Doch das Beste kam ja erst noch.
Nach einer kurzen Pause (umgebaut werden musste ja ob des spartanischen Bühnen-Setups nicht besonders viel) betrat der Meister die Bühne, fragte kurz nach dem allgemeinen Befinden des Publikums, nickte kurz zufrieden nach der positiven Antwort und schrammelte die ersten Akkorde von "Accident Waiting To Happen", um kurz danach mit "To Have And To Have Not" und "A Lover Sings" schnell klarzumachen: Heute Abend wird es Billy pur geben. Genauso, wie man es erwartet und erhofft hatte. Neben seinen wunderbaren Liebesliedern hat Billy natürlich nach wie vor auf politischer Ebene einiges zu sagen und ist immer auf dem Laufenden, was die aktuellen Geschehnisse anbelangt - deswegen war es auch nur eine Frage der Zeit, wann und wie er in Köln auf die Attentate in Madrid reagieren würde: Mit einer eigenen, intensiven Version von Bob Dylans "With God On Our Side" (die er ob des neuen Textes in "The Wolf Covers Its Tracks" umbenannt hatte) und vorheriger Stellungnahme zu den Ereignissen. Im späteren Verlauf des Abends wurde es erneut politisch, indem er auf den Umstand hinwies, dass zurzeit in den Niederlanden Menschen wieder in ihre "Heimat" abgeschoben werden sollen - auch wenn sie bereits über 10 Jahre in den Niederlanden gelebt haben und dort ein neues Leben begonnen hatten. Diesen Menschen widmete er "Distant Shore". Das mag sich jetzt nach einer sehr ernsten und politisch gefärbten Show anhören, aber wer Billy Bragg kennt, der weiß auch um seine Entertainer-Qualitäten. So entwickelte sich ein "Fan" (der anscheinend voll wie ein Eimer war und ab und zu ein Nickerchen auf (!) der Bühne hielt) aus der ersten Reihe zum Running Gag des Abends, Billy erzählte eine äußerst amüsante Story über einen Abend in Morrisseys Haus (lt. Billy eine Art Addams Family Villa, in der es sehr kalt gewesen sei, er oben unter dem Dach dann auf "sky blue rubber sheets" nächtigen musste, wohingegen im unteren Geschoss Jimmy Sommerville "warm as a toast" auf der Couch lag... - im Anschluss an diese Geschichte sang er passenderweise "Dry Bed" von Woodie Guthrie) und auch einige lustige Anekdoten von seinem kürzlichen Besuch in Skandinavien. Musikalisch wurden feuchte Träume Realität: "The Saturday Boy", "Sexuality" (bei dem "Robert DeNiro" dieses Mal nicht auf "Mitsubishi Zero", sondern "Mitsubishi Pajero" gereimt wurde), "Cindy Of A 1000 Lives" (inkl. Zeilen aus "Reel Around The Fountain" von den Smiths), "Help Save The Youth Of America", das ewig großartige "Levi Stubbs' Tears", "Waiting For The Great Leap Forwards", "The Milkman Of Human Kindness", "There Is Power In A Union" und abschließend "A New England". Besser geht's kaum. "When the world falls apart some things stay in place" heißt es im Song "Levi Stubbs' Tears" - und es ist schön zu wissen, dass zu diesen beständigen Dingen im Leben auch immer noch dieser Mann gehört: Billy Bragg, the one-man-punk-rock-show from Barking, Essex.

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Surfempfehlung:
www.billybragg.co.uk
www.jillsobule.com
Text: -David Bluhm & Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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