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Manic Cottonfield Psychedelia

North Mississippi Allstars

Köln, Gebäude 9
06.05.2004

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North Mississippi Allstars
Zugegeben: Der recht greifbare Titel dieser Story entsprang der Feder des Kollegen David Fricke vom Rolling Stone - passte aber ganz gut zur energischen Performance der Allstars im zuschauertechnisch nahezu verwaisten Gebäude 9. Am spärlichen Zuspruch waren die Jungs um Gitarrenwiz Luther Dickinson aber irgendwo auch selber schuld. Denn hätten sie z.B. ihre aktuelle dritte CD, "Polaris", nicht unbedingt als nach allen Richtungen gleichzeitig marschierendes stilistisches Konglomerat konzipiert, sondern - wie das Konzert und die beiden Vorgänger-Scheiben - eher als straighte, laute, knackige Blues-Session, dann hätten sie ja zumindest publikumsmäßig von der gewaltigen Substanz der Blues-Szene zehren können. So aber wusste kaum jemand, dass die Allstars in der Stadt waren - oder wer sie denn überhaupt sind: Luther und sein Bruder, Drummer Cody sind die Söhne des Memphis Produzenten Jim Dickinson und haben somit die Musik - und insbesondere die südlich anzusiedelnden Spielarten wie Blues, Gospel und Soul - quasi mit der Vatermilch aufgesaugt. Bassist Chris Chew, seines Zeichens auch Vorsitzender einer Gospel-Band, sieht eh so aus, als sei er mit seinem Instrument in der Hand geboren worden und Duwayne Burnside ist der Sohn von R.L. Burnside, (was bei diesem Konzert aber nur von marginalem Interesse war, da er auf dieser Tour nicht dabei war). Doch auch als Trio zeigten die Allstars dem Publikum, was eine Harke ist.
"Kommt doch alle etwas näher zum Kuscheln", meinte Chris Crew einladend zu den wenigen Getreuen, die sich trotz allem eingefunden hatten und dann ging's auch schon los. Dass die Codys mal mit einer Punk-Band angefangen haben, konnte man dezidiert zwar nicht mehr heraushören, aber das Energielevel während der ganzen Show war schon beachtlich. Auch wenn Luther Dickinsons Stil zuweilen an Johnny Winter oder ähnliche Gitarrenhelden erinnerte: Mit Slow-Blues oder Balladen haben die Allstars nix am Hut. Da gab's ein Up-Tempo Track nach dem anderen: Gesang und Melodien waren - wie bei den Altvorderen - eher Nebensache. Was zählte, war ein unwiderstehlicher Groove, auf dem Luther seine Virtuosität ausleben konnte. Zwar stellt sich die Frage, wie viele geile Gitarrensoli so ein Abend braucht oder verträgt - bloß wäre dies eine ungerechte Frage, da Blues-Rock dieser Art nun mal nahezu ausschließlich von geilen Gitarrensoli lebt. Und die schüttelte Luther en gros aus dem Ärmel. Dazu wechselte er nonchalant seine Gitarren und die Stile, mit denen er das Ganze dann rhythmisch hinterlegte. Alle möglichen Einflüsse - von Taj Mahal über besagten Winter bis hin zum Southern Rock - glaubte man da rauszuhören, letztlich war das aber doch eine ganz eigene Sache. Mehr noch, als z.B. auf besagter "Polaris"-CD. Vielleicht lag das daran, dass im Live-Kontext - bis auch ein wenig einhändig gespielte Orgel von Cody - ganz auf Schnickschnack und Gedaddel verzichtet wurde; vielleicht aber auch daran, dass die Jungs - trotz des kleinen Publikums - jede Menge Spaß hatten und sich in einen wahren Spielrausch hineinsteigerten. Die Tracks gingen nahtlos ineinander über, so dass man dem Eindruck erlegen war, einer besonders langen Jam Session (inkl. Drum-Solo übrigens) beizuwohnen.

Auch ohne den Produzenten-Vater und dessen Bemühungen "Polaris" das Big Star Treatment zu verpassen (Dickinson produzierte die legendäre Band) und auch ohne Gastbeiträge von Noel Gallagher (der den Track "Otay" inspirierte) und vor allen Dingen ohne ihren vierten Mann überzeugten die NM Allstars auf der ganzen Linie. Dabei klingt deren Blues-Rock Variante weder retro noch abgestanden - wie so vieles aus dieser Ecke -, sondern aufgrund der dringlichen Härte und schneidenden Schärfe sogar betont modern. Dazu passt, dass Cody sein Drumset zu einem wahren Monstrum mit doppeltem Bass-Drum-Pedal, Extra-Snare, integriertem Keyboard und aufgepflanzter Plastikratte ausgebaut hat und dass Chris Chew auf einem fünfsaitigen Bass herumwuselt, dass es knackt im Gebälk. Hinzu kommt, dass die Herren vorwiegend auf eigenes Material zugreifen und nur gelegentlich mal Cover-Versionen (wie z.B. "Meet Me In The City" von Junior Kimbrough) spielen. Trotzdem sind die Allstars nicht hip - vielleicht auch deswegen, weil die Begeisterung an der Musik keinen Raum für Posen und Styles lässt? Wenn in diesem Zusammenhang übrigens nicht auf einzelne Tracks eingegangen wird, dann deshalb, weil die einzelnen Stücke im Rahmen des Ganzen eine untergeordnete Rolle spielten. Und das ist auch der einzige Vorwurf, den man den Jungs machen könnte - dass das Songmaterial nämlich allzu schematisch immer gleich in den Kickdown-Boogie-Modus verfällt. Andererseits hatten die Soul-, Country- oder gar Hip-Hop-Einflüsse, die z.B. auf "Polaris" zutage treten ja keinen wirklich förderlichen Einfluss auf das Gesamtbild der Scheibe, so dass dies - zumindest im Live-Kontext - gar kein Nachteil ist. Zum Schluss gab's dann noch eine Solo Einlage Codys auf dem Fuzz-Waschbrett. Das muss man sich so vorstellen, dass Cody diesem mittels Luthers Gitarreneffekten Geräusche entlockte, die nach einer Art psychedelischem Ein-Mann-Tornado klangen. Dazu nahm Luther am Drumset Platz und konnte vor Begeisterung gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Nachdem die Jungs ihr Set eigentlich bereits beendet hatten und händeschüttelnd und schulterklopfend durch's Publikum liefen, war das Feedback dermaßen enthusiastisch, dass die Allstars dann doch noch mal auf die Bühne zurückkletterten (was im Falle des schwergewichtigen Chew nicht ohne tätige Mithilfe aus dem Auditorium möglich war) und noch ein paar Rausschmeißer spielte. "Wenn dann jetzt auch noch jeder eine CD kauft, sind wir glücklich", meinte Chris dann noch zum Publikum...

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Surfempfehlung:
www.nmallstars.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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