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Konzert-Bericht
 
Große Kunst auf leisen Sohlen

Sun Kil Moon

Köln, Gebäude 9
25.05.2004
Sun Kil Moon
Wie reagiert ein Musiker, der in den meisten Kreisen als melancholisches Sensibelchen mit dem Hang zur Schwermut gehandelt wird, wenn zum Auftaktkonzert seiner ersten Europatournee seit Menschengedenken kaum Zuschauer kommen? Zur ursprünglich angesetzten Anfangszeit des Konzerts tummeln sich gerade einmal zwölf Menschen im Gebäude 9 - die üblichen Verdächtigen mit Gästelistenplätzen bereits mitgerechnet. Doch anstatt depressiv zu werden, nahm Mark Kozelek - zur Überraschung vieler - das Ganze mit Humor. "Ihr Leute habt den Laden wirklich voll gemacht, was?", begrüßte er die dann letztendlich doch rund 40 Seelen, die sich durch den gesamten Saal verteilten, und lachte. Nicht kurz und gequält, sondern lang und laut.
Sun Kil Moon
Seiner Aufforderung, doch näher zur Bühne zu kommen, kamen die Getreuen dann auch umgehend nach, und so gab es ein sehr intimes Konzert zu erleben - immerhin das erste von Marks neuer Band Sun Kil Moon in Europa überhaupt. Dabei konnte die neu zusammengestellte Band allein schon besetzungstechnisch überraschen. Auf dem feinen Album "Ghosts Of The Great Highway" bestand die als Nachfolger der legendären Red House Painters gestartete Band aus zwei Schlagzeugern, einem Bassisten und Mark als alleinigem Gitarristen. In Köln dagegen gab es keinen Drummer, keinen Bassmann, sondern drei Gitarristen und zwei Streicher. Die Hoffnung, auch einige der für Mark fast ungewöhnlich heavy klingenden Songs des neuen Albums zu hören zu bekommen, konnte man also schon früh begraben. Nur ganze drei Sun-Kil-Moon-Songs gab es folglich zu hören, dafür aber zehn alte Red-House-Painters-Nummern! Zum Beispiel "Dragonflies" gleich zu Beginn oder "New Jersey", beide aus der wohl besten Platte des Kozelek-Back-Catalogs, dem selbstbetitelten RHP-Doppelalbum von 1993. Gut zehn Jahre ist es auch her, seit Kozelek zum letzten Mal auf deutschen Bühnen gestanden hat. Auf seine Nachfrage, wer denn damals beim Konzert in Köln gewesen sei, meldete sich gerade einmal ein Zuschauer zu Wort. Den fragte Mark dann seltsamerweise nicht, ob ihm der Auftritt damals gefallen habe, sondern nur, ob er heute besser aussähe oder ob er vielleicht ein wenig Gewicht zugelegt hätte...

Kurios auch, dass Mark keinen einzigen Song des rund 100-minütigen Auftritts sauber zu Ende spielte. Jeden Song brach er ungefähr fünf Sekunden vor Ende - streckenweise auch zur Überraschung seiner vier Mitstreiter - kurzerhand ab. Der Charakter einer öffentlichen Probe, den das Konzert streckenweise hatte, wurde auch dadurch verstärkt, dass Mark nach Publikumswünschen fragte und mit Neil Youngs "Albuquerque" einen Song spielte, den seine Musiker vorher noch nie mit ihm gespielt hatten. Also sagte Mark zwischen den Textzeilen seinen Musikern die Akkordwechsel an. Das half der Performance nicht unbedingt, unterstrich aber nett die Einmaligkeit der Aktion. Und bei "Glenn Tipton" vom neuen Album wiederholte Mark mantramäßig die ersten Zeilen des Songs ("Cassius Clay was hated / More than Sonny Liston / Some like KK Downing / More than Glenn Tipton /
Some like Jim Nabors / Some Bobby Vinton / I like 'em all"), nur um danach die Protagonisten durch andere Namen - "Rudolf Schenker", "Max Schmeling" und "Tori Spelling" (!) zu ersetzen und sich darüber zwischen den Zeilen kaputtzulachen. Klingt vielleicht alles ein bisschen nach Freakshow, aber im Mittelpunkt standen natürlich dennoch die zerbrechlichen Kozelek-Kompositionen, die verbunden mit seiner unnachahmlichen Stimme mehr als einmal für Gänsehautfeeling sorgten - und das nicht nur bei den alten Songs, sondern vor allem beim vielleicht schönsten Lied des gesamten Abends, "Carry Me Ohio".

Sun Kil Moon
Die Zugabe bestritt Mark größtenteils nicht mehr mit der kompletten Band, und fast schien es, als würde er erst dabei richtig warm werden. Und als wollte er unterstreichen, dass der neue Bandname wirklich nur ein (in Europa anders als in den USA wohl misslungener) Versuch gewesen ist, ein neues Publikum auf seine Musik aufmerksam zu machen, gab es am Ende auch noch einen Abstecher zu Kozeleks an Coverversionen reicher Solokarriere. "Walk All Over Me" hieß die AC/DC-Nummer, die Mark in seinem unverwechselbaren Stil darbot, bevor er den Abend mit dem obskuren RHP-Song "Three Legged Cat" ausklingen ließ. Gerade bei den letzten Nummern wurde auch klar, warum Kozelek kein besonderer Freund der Fotografen ist und sich in den USA schon das ein oder andere Mal mit den Vertretern von der knipsenden Zunft angelegt hatte: Das Klicken der Auslöser war mitunter lauter als die Musik... Große Kunst auf leisen Sohlen.
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www.sadreminders.com
Text: -Simon Mahler-
Fotos: -Simon Mahler-


 
 

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