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Rocque au vin

Julie Delpy

Krefeld, Kulturfabrik
15.01.2004

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Julie Delpy
Anlässlich des Interviews auf der Promo-Tour zu ihrer Debüt CD erzählte uns Julie Delpy von ihrem Lampenfieber: Als Kind z.B. sei die das "most retarded little girl you could ever imagine" gewesen. Gemeint hatte sie damals "reclusive" - also in sich gekehrt. Und bedeuten sollte dies, dass es ihr unangenehm sei, auf der Bühne zu stehen, bzw. sich auf der Bühne zu bewegen - was wiederum der Grund ist, dass sie in ihrer langen Karriere als Schauspielerin kaum im Theater aufgetreten sei. Etwas anderes, so erklärte uns Julie, sei die Sache, wenn sie mit einer Band auftrete - da werde sie ja schließlich von den anderen unterstützt und könne sich dann Song für Song herantasten, so dass sie sich schließlich dann sogar wohl fühle. So in etwa lief das auch bei dem einzigen Konzert in NRW (wieso eigentlich?) ab.
Im kleinen, aber gut gefüllten Saal der Krefelder Kulturfabrik arbeitete sich Julie langsam an's Publikum heran, so dass aus dem zunächst spröden Vortrag zum Schluss so eine Art psychedelische Party wurde. Unterstützt wurde die zierliche Sängerin dabei von ihrer Band, The Delpys. "Die heißen so, weil das alles meine Ex-Ehemänner sind, die meinen Namen angenommen haben", scherzte die Dame, als sie die Jungs, die alle so ein bisschen aussahen, als würden sie mit Lambrusco (pardon: Merlot) bezahlt, vorstellte. Die Delpys waren es auch, die die Marschrichtung bestimmten. Wer nämlich einen stillen, intimen, zerbrechlichen kleinen Chansonabend erwartet hatte, der wurde schnell eines besseren belehrt. Nachdem Julie die akustische Gitarre zur Seite legte, auf der sie zunächst ein paar einleitende Songs wie "My Dear Friend" oder "Mr Unhappy" angestimmt hatte, rockten die Delpys richtig los. Und zwar wie das Franzosen halt so tun: Es steigerten sich dann alle auf vergleichsweise umständliche Art in eine Art orgiastischen Wahn und traten mächtig auf's Gaspedal - und das auf verspielte Art mit Wah-Wah und Feedback aber fast ohne Backbeat. (Den gab's dann, wenn es mal etwas funky wurde, wie bei "Lame Love" zum Beispiel). Aber: Das war nicht nur vollkommen okay, sondern auch äußerst charmant, sympathisch unprofessionell und vor allen Dingen unamerikanisch. Julie hatte uns ja gewarnt: Wir sollten ein kleines, rauhes "Alternative-Konzert" erwarten und keine große Lightshow wie bei Madonna. Nun: Letzteres wurde ein wenig zu wörtlich genommen, denn zuweilen war es dermaßen dunkel auf der Bühne, dass die Musiker kaum noch sehen konnten, was sie da gerade spielten. Andererseits führte das zu äußerst kurzweiligen Situationen, denn als z.B. beim besagten "Lame Love" dem rechten Gitarristen zuerst eine Saite riss und dann die Gitarre ganz ausfiel, konnte sich Julie vor Lachen kaum halten und den Text nur noch stoßweise herauskichern. Ehrlich gesagt, waren es aber gerade solche Fuck-Ups, die den Unterhaltungswert dieser Show ganz enorm steigerten. Diese und die kurzweiligen Ansagen Julies, bei denen sie höchst unterhaltsam ihre Songs erklärte.
So erfuhren wir dann, dass "Ready To Go" gar nicht von einem Spaziergang auf dem Lande handelt, sondern vom Selbstmord, dass sie "Je t'aime tant" (leider ohne Banjo) für eine masochistische Freundin geschrieben habe, und dass "Black & White" nicht nur ihr Lieblingssong sei, sondern obendrein von Leuten handele, die sie verehre, und die zu früh gestorben sind, wie z.B. Nick Drake oder Jeff Buckley (was übrigens im Nachhinein auch die harmonische Struktur des Songs erklärt). "Ich bin eigentlich gar keine so traurige Person", überlegte Julie zwischen zwei Stücken, "ich schreibe halt nur gerne Songs über den Tod." Natürlich bildeten die Stücke der CD das Rückgrat der Show und diese wurden - wie angedeutet - dann eher als Franko-Rock und deutlich dynamischer als auf der Scheibe dahingerotzt. Lediglich zur Zugabe wagte sich Julie solo mit ihrer Gitarre auf die Bühne um "A Waltz For A Night" vorzutragen - ein Stück über einen One Night Stand, wie sie einräumte. Und hier zeigte sich dann, dass sie gut daran getan hatte, dieses Element zu beschränken: Denn anders als sie das selbst vermutet, gefiel ihr relativ beschränkter Stimmumfang, aus dem sie aber gesangstechnisch alles mögliche machte, eher bei den lauten Stücken, als bei den spröden Akustik-Einlagen. Die eigentlichen Überraschungen waren dann auch die neuen Songs: "So Real" - eine schleppende, düstere Ballade, "Solution" ein polternder Rock-Song mit Nirvana-ähnlichen Riffs, bei dem sich die Delpy sogar als Shouterin outete und ein Stück namens "Miau", das wohl gerade erst an diesem Tage entstanden war - jedenfalls hörte es sich so an: Eine wilde Mischung aus 50s Pop und Kunstrock - eher ein Statement als ein Song und ein würdiger Abschluss für einen eher unkonventionellen und zuweilen erfreulich hanebüchenen, humorigen und kurzweiligen Konzertabend, der auch beim Publikum prächtig ankam. (Jedenfalls ist es ja sicher ein gutes Zeichen, wenn sich die Leute weggeworfene Zigarettenkippen ihrer Stars mitnehmen.) Besonders erfreulich war eigentlich der Umstand, dass hier kein Produkt präsentiert wurde, sondern eben lebendige Musik - mit allen Ecken, Kanten und Warzen, die dazugehören. Und geschauspielert wurde auch nicht. Julie Delpy könnte also tatsächlich so was wie eine Karriere als Sängerin vor sich haben.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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