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Überraschungsei

Freedy Johnston

New York, Living Room
18.08.2005

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Freedy Johnston
Freedy Johnston gehört zu jenem New Yorker Urgestein, ohne das die Untergrundszene nicht so richtig funktionieren könnte. Zwar hat er momentan kaum verwertbare Plattenverträge und ergo Veröffentlichungen vorzuweisen (schon gar nicht international). Als Entertainer, Performer und besonders als "Musicians Musician" aber ist Freedy als einer der Umtriebigsten überhaupt bekannt. Der Auftritt im Living Room fand unter den dort üblichen Voraussetzungen statt: In der Ludlow Street - das ist auf der Lower East Side jene Straße, an deren Ecke das bekannte Katz' Delicatessen seine Heimat hat, befindet sich eine ganze Reihe von Clubs wie der Living Room. Das Prinzip ist dort immer dasselbe: Alle Musiker spielen ohne direkte Bezahlung (stattdessen geht ein Hut - oder in dem Fall ein Eimer - durchs Publikum), an einem Abend treten unmittelbar nacheinander vier bis fünf Acts auf, die nicht unbedingt musikalisch etwas miteinander zu tun haben und pro Gast und Show gibt es im bestuhlten Auditorium einen Mindestverzehr von einem Getränk je Act (was bei fünf Dollar für ein Bier plus mindestens einem Dollar Tip dann doch ins Geld gehen kann). Aber das sind die Bedingungen, unter denen in New York nicht nur Nachwuchsmusiker sehen müssen, wie sie über die Runden kommen. Dennoch: Das Prinzip scheint zu funktionieren: Jede Band bringt nicht nur ihr eigenes Equipment mit, sondern auch die eigenen Fans, so dass das Publikum mehrmals am Abend wechselt und unter dem Strich sowohl Musiker, wie auch Publikum und Club irgendwie auf ihre Kosten (wenn auch nicht viel mehr) kommen können.
Freedy ist nun einer jener Musikanten, die den Begriff "relaxed" geradezu erfunden zu haben scheinen. Ohne irgendwelche Vorgaben, ohne Setlist und ohne Plan richtet er seine Show an den Bedürfnissen des Moments aus, improvisiert und reagiert spontan auf seine Eingebungen. Was für seine Musiker nicht ganz einfach ist: Bassist Brad Albetta war dabei noch am nächsten am Thema dran. Der routinierte Profi (der z.B. tags zuvor noch in der Band von Tommy Thompson beim South Street Seaport gespielt hatte) spielt öfter mit Freedy zusammen und kennt seine Manierismen ganz gut. Drummerin Linda Pitmon hingegen, die sonst bei Steve Wynns Miracle 3 (und seit neuestem bei Golden Smog) die Sticks schwingt, hatte vorher nur ein einziges Mal - und das vor Jahren - mit Freedy gespielt und rein gar nichts vorbereiten können (weil Freedy ja, wie gesagt, keine Setlist macht). Es galt also hier, wie ein Habicht auf den Meister zu lauern, und zu versuchen, zu erraten, was dieser gerade tun wollte. Und das, so verriet uns Linda, ist nicht ganz einfach, weil die Stücke Freedys keinem straighten, simplen Schema folgen, sondern gerne mal vertrackt die Richtung wechseln und recht komplex ausarten können. Zudem hat Freedy die Angewohnheit, den Gesangseinsatz zu verschleppen, was das Reagieren auf sein Tun natürlich auch nicht gerade vereinfacht. Insofern war dieser Konzertabend denn auch für alle Beteiligten zumindest überraschend.
Will man Freedys Songs beschreiben, so kann man vielleicht gleichermaßen komplex agierende Gitarrenpop-Könige wie Elvis Costello oder Squeeze als Referenz heranziehen - wobei seine Songs natürlich von der üblichen New Yorker Nervosität und deutlichen Referenzen an die dortige Szene gepaart sind. Besonders als Lyriker ist Johnston dabei bei den songwritenden Kollegen hoch im Kurs. Welche Songs im einzelnen nun gegeben wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Das Ganze ging nämlich so weit, dass Freedy Stücke ansagte, die beide seiner Musiker nicht kannten und diese - bevor sie zum ersten Mal gespielt wurden - kurz auf der Bühne einstudierte. Wie gesagt: Das war dann schon sehr überraschend. Trotzdem - und aufgrund dessen, dass sowohl Brad wie auch Linda nicht nur ausgebuffte Profis sind, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind und auch beide Spaß an dieser lockeren Herangehensweise hatten - war das dann alles andere als eine hingestolperte Behelfs-Show, sondern ging streckenweise sogar zu gut los: Der Soundtechniker diskutierte mit Freedy durchaus ernsthaft den Lautstärke-Pegel, der für eine "Residential Area", in der sich der Living Room nun mal befindet, doch eher bescheiden ausfallen musste (aber nicht tat). Als Bonbons gab's dann einen Gastauftritt vom zufällig anwesenden Duke Erikson von Garbage (der das Stück, welches es zu spielen galt, auch nicht mehr kannte, obwohl er auf der Originalaufnahme zugegen gewesen war) sowie einen fast noch originelleren Beitrag vom nicht so zufällig anwesenden Steve Wynn, der sich allen ernstes auch ans Piano setzte und dort "Knockin' On Heaven's Door" vortrug. So etwas bekommt man schließlich auch nicht alle Tage zu sehen. Und als weitere Cover-Version suchte sich Freedy Elton Johns "Rocket Man" aus - was auch ganz gut zum Abend passte, denn Freedy selber stand offensichtlich ziemlich unter Strom und ging ab wie eine Rakete. Das war eine dieser typischen Shows, wie man sie - mangels Gelegenheit - eben nur in New York City zu sehen bekommen kann: Gute Unterhaltung auf technisch hohem Niveau ohne großes Konzept aber mit hohem Spaßfaktor. Und es machte schon neugierig, auf Freedy Johnston, den "Recording Artist". Nun ja, vielleicht klappt's ja doch noch mal mit einem internationalen Deal. Zu wünschen wäre es ihm...

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Surfempfehlung:
www.freedyjohnston.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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