NACHGEHAKT BEI: SOPHIA
Eigentlich hätte das neue Sophia-Album "Technology Won't Save Us" bereits im letzten Jahr erscheinen sollen. Warum war es so schwierig, das neue Material auf Band zu bringen? Gab es vielleicht eine Phase des Selbstzweifels, wie auch bei "People Are Like Seasons"?
Robin Proper-Sheppard: "Das war dieses Mal etwas anderes. Die neue Scheibe hat mich nämlich fast umgebracht!"
Was ist denn passiert?
RPS: "Also vor 'People' hatte ich immer das Gefühl, dass ich mich irgendwie durchmogele. Es war nämlich nie mein Traum gewesen, ein Musiker zu werden - ich bin da irgendwie reingeschlittert. Als ich dann im letzten Oktober vergeblich versuchte, neues Material aufzunehmen, klang das für mich alles nicht sehr überzeugend..."
Ja gut - aber was ist daran so schlimm? Solche Momente hat doch jeder Musiker ein Mal.
RPS: "Ja, schon. Aber ich glaubte nicht an die neuen Sachen, sie bewegten mich nicht. Ich kam an einen Punkt, an dem ich alles in Frage stellte und glaubte, es nicht mehr packen zu können. Das war eine richtige Identitätskrise. Ich befand mich da in einer sehr prekären Situation, denn ich hatte mein Budget so geplant, dass die neue CD einkalkuliert war. Nun stand ich auf einmal da und musste sogar mein Equipment verkaufen, nur um mich über Wasser halten zu können."
Und was ermöglichte dir dann, es mit neuen Songs doch noch einmal zu versuchen?
RPS: "Es begann damit, dass Julie, die Mutter meiner Tochter Hope, anrief und mich in ihr Haus einlud, um die Aufnahmen dort zu machen, während sie abwesend war. Das war der Moment, zu dem ich beschloss, komplett von vorne zu beginnen."
Was genau hat dann den Sinneswandel herbeigeführt?
RPS: "Es ist sehr idyllisch dort. Das Haus ist sehr groß und es liegt in einem Dorf, in dem es praktisch nur eine Kirche und eine Kneipe gibt. Der nächste Ort ist 25 Minuten entfernt. Es hat mich dort also nichts abgelenkt und gestört. Auf einmal machte alles wieder Sinn. Es gab keinen Druck und ich konnte wieder Songs schreiben, die auch für mich wieder eine Bedeutung hatten."
Warum spielt auf der CD außer dir eigentlich nur dein Drummer, Jeff Townsin, mit. Du hattest doch zumindest eine Tour-Band, oder?
RPS: "Ich weiß nicht, wie ich das nett ausdrücken soll. Aber mir war klar, dass Jeff und ich auf diese Scheibe konzentrieren würden, wie das mit einer Band nicht möglich gewesen wäre. Wenn man mit Session-Musikern arbeitet, dann sind die nicht bereit, bestimmte Parts immer und immer wieder einzuspielen, bis alles hundertprozentig so ist, wie man es haben möchte. Und Jeff und ich hatten diesen Ehrgeiz. Es mag sich zwar seltsam anhören, aber bei dieser CD hatte ich das erste Mal ein gewisses Band-Gefühl bei den Arbeiten."
Der Titeltrack des neuen Albums ist ein Instrumental. Warum ist das so?
RPS: "Also das Stück hat zwar keine Worte, aber eine Geschichte. Es geht um einen Vater, der mit seinem Sohn vor der Küste Schottlands beim Wattwandern verlaufen hat. Sie können nicht gerettet werden, obwohl sie mit dem Handy im Kontakt zu den Rettungskräften stehen. Die Technologie konnte sie also nicht retten."
Und warum hast du darüber keinen Text geschrieben?
RPS: "Es fällt mir leicht, Songs über mich zu schreiben - auch wenn die Leute meinen, dass mich dies belasten müsste, weil ich immer so viele persönliche Dinge preisgebe. Das ist aber nicht so. Ich habe hingegen ein Problem damit, Songs über andere Leute zu schreiben. Mit der Arbeit an diesem Stück habe ich schon voriges Jahr begonnen und immer gedacht, dass ich doch Worte für diesen Song finden könne. Aber es hat nicht sollen sein. Und so entschloss ich mich, diesen Song als Instrumental und Opener für das Album zu verwenden - auch um ich damit gegen das letzte Album abzusetzen."
Gibt es noch eine andere - vielleicht metaphorische - Bedeutung des CD-Titels?
RPS: "Ja, denn dann ist noch der spirituelle Aspekt. Wir können zum Beispiel die Geschwindigkeit der Welt, die sich um uns dreht, nicht bestimmen."
Darum geht es in dem Stück "Pace", nicht wahr?
RPS: "Ja, genau. Die Technologie kann uns zwar helfen - zum Beispiel in der Medizin -, aber am Ende kann sie uns nicht retten."
Ist das auch das Thema des Songs "Lost (She Believed In Angels)", in dem du den Krebs-Tod deiner Mutter thematisiert?
RPS: "In gewisser Weise ja. Ich war vor vier Jahren dabei, als meine Mutter starb und habe in diesen drei Tagen mehr über sie gelernt als in meinem ganzen Leben vorher."
Ist dieser Song also auch eine Art Therapie?
'Ja, denn er handelt vom letzten Moment in ihrem Leben, von ihrem letzten Atemzug. Und von dem Umstand, dass während dieses Prozesses zu keinem Moment so etwas wie das Gefühl der Angst zu spüren war. Ich selbst habe dabei gelernt, keine Angst mehr vor dem Tod zu haben."
Wie kommt es dann, dass dieser Song aus der Perspektive deiner Mutter geschrieben wurde, während du ja andererseits sagst, dass du keine Stücke über andere Leute schreiben könntest?
RPS: "Dieser Song schrieb sich praktisch von selbst. Ich hatte kaum eine Kontrolle darüber. Ich hatte Seiten über Seiten von Notizen, auf die ich zurückgreifen konnte. Vielleicht war das deswegen so, weil mir die Situation so nahe ging."
Was ist denn - im Rückblick - das Resümee, das du zur neuen Scheibe ziehst?
RPS: "Ich sage dir eines: Das war die schwierigste Scheibe, die ich je aufgenommen habe. Aber ich bin verdammt froh, dass ich sie gemacht habe."