Sophie Hunger bot dahingegen ein krasses Gegenteil. Anders als Hope ist sie nämlich alles andere als eine geborene Rampensau. Nicht nur, dass sie geradezu darauf besteht, jedermann - ob Journaille oder Publikum - durchaus unüblich förmlich zu siezen: Sie wirkt auch sehr nervös und unsicher auf der Bühne. Und das, obwohl sie sich auf eine perfekt eingespielte Band verlassen kann. Musikalisch schlägt sich das insofern nieder, als dass der Sache jedwede Spontaneität abgeht. Die Tracks wurden geradezu mit klinischer Perfektion dargeboten. Wäre das Klavier nicht verstimmt gewesen, wie die durchaus virtuos zwischen Jazz und Klassik pendelnde Künstlerin gleich nach ein paar Tönen feststellte, dann hätte es keinerlei Abweichungen vom geplanten Optimum gegeben. Trotzdem war dieses Konzert keineswegs eine möglichst detailgetreue Reproduktion der CD. Denn Sophie spielte fast mehr neue oder andere Stücke, als dann auf "Monday's Ghost" zu finden sind.
Gleich der erste Song, einer zur E-Gitarre vorgetragene Solo-Nummer namens "Travelogue" war neu. Von diesem Kaliber folgten zahlreiche weitere: "Mr. Shade", "Spiegelbild" (die Nummer, die in der Schweiz mit Stephan Eicher für Furore sorgte) oder "Hotel Belfort" zum Beispiel. Und die Nummern von "Monday's Ghost", die es ins Set schafften, waren dann doch recht unterschiedlich zur Konserve arrangiert. Das lag einerseits an der Band - die mit Posaune und Glockenspiel (Michael Flury), oder Flöte (Christian Prader) andere Akzente als auf der CD setzte - und zum anderen daran, dass Sophie die Songs mit einer ganz anderen Energie spielte. Nicht nur, aber auch weil sie und Prader (der neben der Flöte hauptsächlich Gitarre spielte) beide meist auf Stühlen saßen. Dabei wirkte sie einerseits geradezu abwesend (geradeso als betrachte sie den im Soundtrack-Song "Leaving The Moon" besungenen Himmelskörper) - andererseits aber auch hoch konzentriert und besonders auf emotionaler Ebene auch total hingebungsvoll. Allerdings immer auf eine recht kontrollierte, überlegte Art. Ein gutes Beispiel hierfür war eine Coverversion - Irma Thomas "Ruler Of My Heart" - von der Band als souliger Blues intoniert und von Sophie höchst dynamisch und einem geradezu brachialen vokalen Ausbruch in der Mitte des Songs dargeboten. Im Interview hatte sie erzählt, dass sie ruhige und laute Passagen als gleich gewichtete Energien mit unterschiedlichen Vorzeichen ansehe - und genauso stellte sich das auch dar.
Das Konzert war dabei enorm abwechslungsreich aufgebaut und enthielt Songs in Englisch, Französisch, Deutsch und Schwytzertdütsch. Darunter als Zugabe eine geradezu epische Nummer mit dem Begriff "Empire" im Titel, die mit akzentuiertem Chorgesang, klassischem Zwischenspiel und einer fast feierlichen Stimmung dargeboten wurde. Wenn sich Sophie hinter dem Klavier versteckte, war sie für 80% des Publikums nicht zu sehen - weswegen sie sich dort vielleicht wohler und entspannter zu fühlen schien. Jedenfalls erschien das Konzert dann immer eine Position lockerer - obwohl gerade da eher atypische Nummern, wie der "Walzer für Niemand", jazziges oder eben Klassisches geboten wurde. Dem Publikum gefiel die Sache indes sehr gut, so dass sich die Musiker für gleich drei Zugaben auf die Bühne bitten ließen - darunter abschließend eine auf französisch vorgetragene, geradezu unverhohlene Hommage der bekennenden Radiohead-Anhängerin, bei der Sophie sich endlich auch ein Mal von ihrem Stuhl erhob und so auch von hinten zu sehen war. Insgesamt war dies kein schlechtes Konzert (wie auch, wenn es dermaßen viele, verschiedene Leute ansprechen konnte) - nur eben eines, was ganz anders war, als nach der Veröffentlichung von "Monday`s Ghost" zu erwarten gewesen wäre.