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Infotainment Rock!

Le Tigre

Münster, Gleis 22
25.11.2000
Le Tigre
Es ist bekannt, dass gut gemeint und gut gemacht zwei unüberbrückbare Gegensätze sind. Genau deshalb
durfte man auf die europäische Livepremiere von Le Tigre gespannt sein, schließlich sahen sich Kathleen Hanna und Co. gleich vor mehrere Probleme gestellt. Zunächst einmal war da das Problem, dass Kathleen früher die Wortführerein der Riot Grrrls von Bikini Kill, der vielleicht wichtigsten US-Rockband der 90er neben Nirvana, gewesen ist und auch zwei Jahre nach Auflösung der Kultband aus Olympia, WA, immer noch mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen hat. Dann wäre das Problem der Botschaft: Die drei Damen aus New York City haben so viel zu sagen, dass zu befürchten stand, dass der Inhalt über die Form siegen würde. Und außerdem gibt es da immer noch die fast unmöglich zu überwindende Sprachbarriere. Konnte das gut gehen?
Le Tigre
Die Antwort ist ein klares - Ja! Es war schlichtweg sensationell, wie die drei die Gratwanderung zwischen eigenem Anspruch, gewollter Inhaltslastigkeit, Entertainment und Spaß meisterten. Nur mit einer Stromgitarre, Keyboard und Sampler unterwegs, rockten die Mädels trotzdem wie Hölle, sorgten mit gewollt trashiger, aber sehr, sehr geschickt eingesetzter Diashow und witzigen Gimmicks (Seilchenspringen auf der Bühne, das Instrumental "Slideshow At Free University" als Untermalung für einen Diavortrag zum Thema Unterdrückung) für Unterhaltung UND unterstrichen trotzdem gleichzeitig die Inhalte einiger Songs. Ein wahrer Geniestreich war allerdings, wie Le Tigre, ohne selbst ein Wort Deutsch zu sprechen, ihrem Publikum trotzdem die Inhalte der wichtigsten Songs in seiner Muttersprache vermittelten. Sie ließen sich nämlich einfach von ihren mitreisenden Tourbegleitern vom Mischpult aus auf der Bühne "anrufen" und baten sie im Laufe der Gespräche dann, die Message ins Deutsche zu übersetzen. Wenn es das Wort Infotainment nicht schon gäbe, man hätte es für diese Einlagen erfinden müssen! Schön auch, dass neben den Highlights des selbstbetitelten Debuts vom letzten Jahr - "Deceptacon", "My My Metrocard", "What's Yr Take On Cassavetes" und als finales Stück der geniale Listsong "Hot Topic" - auch die ausgezeichnete B-Seite "Yr Critique" ins Set gerutscht war. Der beste Song des Abends aber, das Phil-Spector-esque "Stay Monkey", stammte interessanterweise nicht von Le Tigre, sondern von Kathleens Solo-Album "Julie Ruin". Ein Song, der nicht nur das Thema sexueller Missbrauch in der Familie anspricht, sondern auch beweist, dass Kathleen wirklich wunderschön singen kann, wenn sie nicht gerade versucht, einer singenden Kreissäge Konkurrenz zu machen. Ronnie Spector wäre neidisch gewesen!

Auch wenn die Show mit gerade einmal 45 Minuten leider viel zu kurz war, konnten die drei feministischen Aktivistinnen doch unmissverständlich klarmachen, dass sie aller politischen Motivation und einem ausgeprägten Hang zur Performance Art zum Trotz nicht vergessen haben, was Spaß bedeutet. Le Tigre wissen nicht nur ganz genau, was sie wollen, sondern auch noch, wie sie dieses Ziel auf dem direktesten Wege erreichen. Stellt sich zum Schluss noch die Frage: Sind Le Tigre und ihr Infotainment Rock vielleicht sogar besser als Bikini Kill? Jede Wette!

Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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