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Konzert-Bericht
 
Schlitzohr in Hochform

Giant Sand
Brian Lopez

Köln, Kantine
24.08.2012

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Giant Sand
Das muss Howe Gelb erst einmal jemand nachmachen: Seit mehr als einem Vierteljahrhundert tingelt er mit Giant Sand nun schon durch die Lande und hat in dieser Zeit jede Menge Kulthits angehäuft. An diesem hießen Sommerabend in der Kölner Kantine spielt die für diese Tournee auf elf Musiker angewachsene Band allerdings praktisch ausschließlich Stücke aus der aktuellen Country-Rock-Oper "Tucson" – und trotzdem dürften am Ende nicht wenige der restlos begeisterten Zuschauer das Gefühl gehabt haben, das perfekte Giant Sand-Konzert erlebt zu haben, denn mit Album und Konzert spannt Howe einen großen Bogen über seine gesamte Karriere und dockt mit einzelnen Songs an alle Spielarten des Americana an, von straightem Wüsten-Rock über leichtfüßigen Country-Swing und ausgelassenen Rockabilly bis hin zu stilechtem Tex-Mex. Gerade Letzteres ist einigermaßen überraschend, hatte der Giant Sand-Vordenker doch seinem ehemaligen Mitstreiter Joey Burns die "Fahnenflucht" zu Calexico nie so recht verziehen. Dieses Mal darf sogar ein Plakat, das den Kölner Calexico-Auftritt im September ankündigt, an der Haupttür hängen, ohne dass sich Howe die Laune verderben lässt.
Für den Einstieg in den Abend sorgt Brian Lopez, der sich von den Mitgliedern der dänischen Giant Sand-Stammbesetzung begleiten lässt und für rund eine halbe Stunde seinen südamerikanisch geprägten Kammer-Pop "mit Klapperschlange", wie es in der Ankündigung seines letztjährigen Albums "Ultra" hieß, performt. Gut gemacht war das allemal, aber außer in Deutschland, wo das Ü30-Publikum diesen Sound immer noch für den letzten Schrei hält, kann man damit nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen vorlocken.

Ganz anders Giant Giant Sand: Die machen anschließend eine fantastische Rundreise durch "Tucson" und präsentieren sich trotz der großen Besetzung am vorletzten Tourabend als perfekt eingespieltes Ensemble, das ungemein konzentriert, aber trotzdem mit sichtbar viel Spaß die Songs der Platte auf der Bühne in raueren, aber gerade deshalb umso faszinierenderen Versionen zum Leben erweckt, und selbst Howe stellt sich geradezu ungewohnt stark in den Dienst der Band und der Gesamtperformance. Trompeter Jon Villa, Gitarrist Brian Lopez, Multiinstrumentalist Gabriel Sullivan und der schüchternen Vokalistin Lonna Kelley werden zudem großzügige Gesangssoli eingeräumt. Das Ungewöhnlichste ist deshalb an diesem Abend nicht Howes legendäres Spleenigkeit, sondern die Tatsache, dass sich Geigerin Asger Christensen ihr kleines Baby samt Ohrenschützern auf den Rücken gebunden hat und der kleine Fratz so als zwölftes Bandmitglied den ganzen Abend mit auf der Bühne ist. Völlig verzichtet allerdings auch Howe nicht auf seine schrägen Einfälle, schließlich ist das kreative Chaos inzwischen sein bekanntestes Markenzeichen. So dirigiert er seine Musiker mitten im Song immer mal wieder in unerwartete Richtungen, und wer sonst käme wohl auf die Idee, auf seinem Album einen Song aus eigener Feder "Not The End Of The World" zu nennen, um dann beim Konzert die schüchtern agierende Sängerin Lonna den Skeeter Davis-Klassiker "End Of The World" singen zu lassen? Die übrigen Songs stammen zwar fast ausschließlich vom neuen Album, die Reihenfolge allerdings ist eine andere. Das sorgt immer wieder für herrliche Brüche, die keinesfalls die aufgebaute Stimmung zerreißen, sondern im Gegenteil gekonnt gesetzte Kontrapunkte darstellen: Eben noch fegt die Band wie ein Rock-Orkan über die Bühne, angetrieben von Howe an seiner feuerroten Bo Diddley-Gitarre, dann huscht das ewig junge, aber inzwischen 56-jährige Schlitzohr aus Arizona hinüber ans Klavier und sorgt mit ein paar dahingetupften Jazz-Akkorden für die Ruhe nach dem Sturm.

Herzstück des rund 90-minütigen Konzerts ist derweil "Carañito", das sich als wilde Jam entpuppt, die trotzdem nie aus dem Ruder läuft. Nach dem mit viel Energie und Herzblut dargebotenen The Band-Cover "Out Of The Blue" soll dann eigentlich Schluss sein, denn wer braucht schon Giant Giant Sand in Höchstform, wenn man bei der folgenden Ü30-Party auch Genesis oder Billy Idol aus der Konserve haben kann? Doch lange nachdem das Saallicht bereits eingeschaltet ist und viele Zuschauer bereits auf dem Heimweg sind, taucht Howes Kopf doch wieder hinter dem roten Vorhang auf und die Band hängt noch zwei Nummern dran: Zuerst das jazzige "Ready Or Not", bei dem das versammelte Ensemble fingerschnippenderweise die Peggy Lee-Hommage perfekt macht, und ganz zum Schluss noch ein ausgewalztes "Slag Heap", an dem Howe so viel Spaß zu haben scheint, dass er gar nicht mehr aufhören will zu spielen. Die unbändige Spielfreude, die das zum Ausdruck bringt, hat allerdings nicht nur den ungeplanten zweiten Zugabenblock, sondern den ganzen Abend zu einem großen Erlebnis gemacht.

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Surfempfehlung:
www.howegelb.com
www.facebook.com/giantgiantsand
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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