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30 Jahre

Haldern Pop Festival 2013 - 3. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
10.08.2013

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Haldern 2013
Der dritte Tag des 30. Haldern-Pop-Festivals begann, wie es sich gehört, mit einem ordentlichen Wake-Up-Call des Hamburger Power Trios Trümmer. Zwar meinte Paul Pietsch, der rotschopfige Frontmann, dass es nun mal Zeit für etwas Punk sei, das dann Folgende gefiel allerdings eher durch die auf den Punkt gebrachte Sortiertheit, mit der die drei Herren ihr Programm absolvierten. In der Tat scheinen sich Trümmer als neue Generation der Hamburger Schule zu begreifen, denn ihre geschickt konstruierten Songs überzeugten nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich - denn dass junge Musiker von der Bühne herunter nach der Revolte fragen, ist in unserer Smartphone-Spaßgesellschaft ja heutzutage eher die Ausnahme (obwohl doch eigentlich nach wie vor notwendig).
Im Spiegelzelt ging es dann mit beinharter Avantgarde los. Arone Dyer und Aron Sanchez haben sich ein sehr spezielles Konzept ausgedacht: Sie mischen Instrumente. Eine "Buke" etwa ist eine Bariton-Ukulele (etwas, was sich eigentlich per Definition ausschließt) und dass Aron Sanchez seiner Gitarre ungewöhnlich tiefe Sounds entlockt, liegt daran, dass er diese mit einem Bass gekreuzt hat. Das Ergebnis nennt sich "Gase". Das sind dann auch die Haupt-Triebfedern des ungewöhnlichen Buke & Gase-Sounds. Dass das aparte Duo dann auch noch auf jedweden Schönklang verzichtet, sich mit Händen und Füßen gegen songwriterische Konventionen wehrt und auf jegliche Pop-Sentimente pfeift, führt dann zu einem einzigartigen, schroffen Klangerlebnis. So kann man die Fans also auch wach bekommen!

Auf der Hauptbühne machten sich dann Duologue aus England fertig für den Einsatz. Die Jungs um den Falsett-Sänger Tim Digby-Bells kombinieren (auch schizophrene Weise, wie der Conferencier meinte) Rock und Elektronik-Elemente und warteten so mit einer - nicht unangenehmen aber für diese Tageszeit vielleicht etwas zu spröden - Radiohead-Light-Variante auf.

Im Zelt machte sich derweil der Paul McCartney-Schützling Dan Croll mit seinem Soul-Pop-Outfit auf der Bühne fertig. Kurz bevor es los ging, erklomm ein Eins-Live-Clown die Bühne und machte sich auf unsäglich platte Art zum Affen der Nation. Das sah schwer nach einer verlorenen Wette aus und war überhaupt nicht witzig. Für solchen Kinderkram ist das Haldern-Festival eigenlich nicht der rechte Ort. Croll - der übrigens aussieht, wie ein US-Nerd - überzeugte dann mit einer songwriterisch und performerisch glanzvollen Leistung und durchaus angenehme Soul-Pop-Songs, die von der vielköpfigen Band auch ansprechend in Szene gesetzt wurden - ließ allerdings echte Begeisterung vermissen und verriet durch seine Distanz, dass er das Ganze wohl eher als Pflichtübung betrachtete.

Auf der Hauptbühne machte sich derweil Ebbott Lundberg breit (was dem mächtigen Mann, der ja schon mal mit seiner Band Soundtrack Of Our Lives das Festival gerockt hatte, ja nun wahrlich nicht schwer fällt). Lundberg hatte sich für sein Solo-Debüt ein interessantes Konzept ausgedacht: Zusammen mit dem psychedelischen Duo Trummor & Orgel (was soviel wie Drummer und Organist heißt - denn hierum geht es) erfand man sich nun als Organic Gravity Orb neu. Und überraschte dann mit Cover-Versionen wie "Golden Brown". Egal: Lundberg könnte auch auch das Telefonbuch vorsingen und selbst das würde man dem knorrigen, sendungsbewussten Musikanten ohne weiteres als sinnvolle Notwendigkeit abkaufen. Lundberg ist einer dieser Performer, die keine Frage offen lassen.

Das sieht bei Anna Von Hausswolff schon ein wenig anders aus. Die junge Schwedin legte gerade ihre Scheibe "Ceremony" vor, die sie zur Gänze auf einer Kirchenorgel eingespielt hatte. Im Zelt trat sie nun allerdings mit einer kompletten Band - Drummer, zweiter Keyboarder und zwei Gitarristen - auf. Die zugrundeliegenden Orgel-Sounds waren dann auf ihrem Keyboard gesampelt. Das Setting nutzte Anna, um ihre Tracks in Form mächtiger, psychedelischer Wall-Of-Sound-Drones aufzublasen. Dazu sang sie dann - teilweise mit engelsgleicher Stimme, teilweise mit mächtiger Intensiv-Röhre. Allerdings nur gelegentlich, denn das Material ergeht sich großteils in instrumentalen Elegien. Dazwischen gibt es dann gelegentlich Pop-Songs wie "Mountains Crave". Anna wandte sich größtenteils vom Publikum ab und versteckte sich zudem unter einem Baseball-Käppi und den ins Gesicht gekämmten Haaren. Rein musikalisch und was die Darbietung betraf, überzeugte das Programm durchaus (auch wenn es vielleicht viel zu früh für diese Art von Musik war). Es wäre allerdings interessant zu wissen, warum Anna das macht und warum sie das auf diese Art tut.

Diese Frage stellte sich beim nächsten Zelt-Act dann nicht mehr. Denn das Quartett Dakhabrakha ergeht sich vollständig in faszinierenden slawischen Folklore-Traditionen. Losgetreten von dem Regisseur Vladyslav Troitsky, zieht das Ensemble aus der Ukraine über das Land und sammelt Folk-Songs, die sie dann durch ihre ganz spezielle Mangel drehen. Das war dann mit Sicherheit der exotischste Act des Festivals. Auch optisch boten die drei Damen und Troitsky dank ihrer theatralischen Kostümierung etwas ganz Besonderes, auch der Platz vor der Leinwand, auf der das Programm aus dem Zelt in den Biergarten übertragen wurde, war nun sehr gut gefüllt.

Auf der Hauptbühne gab es nun klassischen Festival-Fodder von den kalifornischen Local Natives. Die Jungs aus Los Angeles freuten sich, den ganzen Tag auf dem Festival verbringen zu können und bemühten sich, diese Begeisterung durch ihre hyperaktiven Stolperpop-Songs auch zu vermitteln. Das war ja auch ganz okay - allerdings gibt es hier ein Problem. Zwar bewegen sich die Local Natives gutgelaunt und flott über die Bühne - führen aber so gut wie keine erkennbaren Melodien im Gepäck. Und Pop-Musik ohne Melodien hinterlässt - Talking Heads-Cover hin oder her - immer einen schalen Nachgeschmack.

Ein solches Problem haben die Alabama Shakes nicht. Denn erstens machen sie keinen Pop (sondern Southern Soul) und zweitens strahlt die Band um die charismatische Frontfrau Brittany Howard ein dermaßen ausgeschlafenes Selbstverständis aus, dass niemand hier nach Widersprüchen suchte. Natürlich hatte das Publikum vor der Bühne dem Programm entsprechend ein wenig gewechselt, so dass jetzt auch mal die älteren Semester nach vorne durften, aber insgesamt schafften es Murphy & Co. mit ihrer Mischung aus Blues, Rock und Soul mühelos, das ganze Haus im Griff zu behalten. Interessant dabei: Obwohl eigentlich jedes Klischee dieser Art von Mucke bedient wurde, schafften es Brittany und ihre gestandenen Herren, eine gewisse eigene Linie, die im geschickten Mix der Versatzstücke besteht, zu finden.

Über Glen Hansard noch etwas Neues sagen zu wollen, wäre wie Kartoffeln nach Haldern tragen. Der Mann hat mittlerweile seinen musikalischen Lebensmittelpunkt auf den Bühnen der Welt gefunden und blüht von Mal zu Mal mehr dabei auf. Selbstverständlich mit großem Besteck (also Streichern und Bläsern), seiner alten Band The Frames (die er heute auch wieder so nennt) im Rücken und bestens aufgelegt führte er durch sein Programm und schien dabei noch eine Spur inbrünstiger zur Sache zu gehen, als gewohnt. "When Your Mind's Made Up" schallte hier wenigstens bis in den Ortsteil Hamminkeln hinüber. Und dann sang der Meister auch noch "wir fahren fahren fahren auf der Autobahn". Ein Schelm, wer Böses dabei dachte. Das war ganz großes Rocktheater.

Eine Nummer kleiner - aber nicht weniger inbrünstig - ging es dann mit Half Moon Run aus Montreal im Zelt weiter. Die Kanadier, die letztes Jahr noch in der Haldern Pop Bar gespielt hatten, hatten zwischenzeitlich eine Tour als Support von Mumford & Sons absolviert. Wenn man dann noch weiß, dass das Haldern-Pop-Festival sozusagen eine Brutstätte von Mumford & Sons-Fans ist, dann war es schon erklärlich, dass das Zelt nun aus allen Nähten platzte. Die Kanadier überzeugten mit einer rhythmusbetonten Techno-Pop-Variante (die durchaus an das erinnert, was ihre US-Kollegen von Yeasayer an gleicher Stelle auch schon vorführten) und brachten den Saal zum Toben. Das übertrug sich wieder auf die Musiker, die ihre Begeisterung weder verbergen konnten noch wollten. So sollten Live-Gigs im optimalen Falle funktionieren.

Der Act, auf den viele Festival-Besucher dann sozusagen sehnsüchtig gewartet hatten, waren die Staves aus England. Die drei Schwestern aus der Gegend um Liverpool verzaubern seit einiger Zeit mit ihren zurückhaltend inszenierten, aber mit traumhaft eindringlichen Harmoniegesängen verzierten Neo-Folk-Pop-Songs die Massen. Das Problem dabei ist nur, dass sie als Major Act nicht richtig touren - und ergo aufgrund der Major-Buchungs-Standard-Schiene Hamburg, Berlin und München im größten Teil der Republik nicht zu sehen sind. Da kam der Auftritt auf Haldern ergo wie gerufen. Schade eigentlich nur, dass sie auch hier nicht wirklich zu sehen waren. Die begleitenden Fotos stammen großteils vom Soundcheck. Während des Konzertes standen die Schwestern nämlich unbeleuchtet in einer Schatten/Nebelwand, während das Publikum mit allerlei Flächenstrahlern geblendet wurde: Da fragt sich wahrlich, was so etwas soll. Rein musikalisch erfüllten die Damen dann durchaus die in sie gesetzten Erwartungen. Ungewöhnlich für diese Art der Musik war die gelegentliche Hinzunahme einer elektrischen Band - allerdings gefiel das Trio dann doch am besten ganz auf sich selbst und auf die Stimmen konzentriert. Zweifelsohne war das für viele der musikalische Höhepunkt - und (wie für uns) auch der Abschluss des Tages und des Festivals.


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Surfempfehlung:
www.haldern-pop.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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