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Konzert-Bericht
 
Glückliche Rückkehrer

Mercury Rev
Nicole Atkins

Köln, Studio 672
09.11.2015

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Mercury Rev
"Das war der Wahnsinn!", sagt ein Zuschauer beim Verlassen des Studio 672 nach dem Auftritt von Mercury Rev und spricht dabei aus, was vermutlich viele andere auch denken. Denn obwohl Bands, die nach langjähriger Tournee- und Veröffentlichungspause aus dem Teilzeit-Ruhestand zurückkehren, in der Regel mit Vorsicht zu genießen sind - an diesem Montagabend gibt es keine Spur von übersättigten End-40ern, denen die Kohle der fetten Jahre ausgegangen ist und die sich jetzt zurück auf die Bühne quälen müssen, um Miete und Alimente zusammenzukratzen. Die just erschienene Mercury Rev-LP "The Light In You" mag die erste Veröffentlichung der Amerikaner seit sieben Jahren sein, doch die Spielfreude der alten Hasen beim Start ihrer von Gaesteliste.de präsentierten Deutschland-Tournee ist wirklich beeindruckend.
Den Auftakt macht zunächst Nicole Atkins, selbst erklärter Mercury Rev-Fan und Gastsängerin auf "The Light In You". Die grundsympathische 37-jährige Singer/Songwriterin aus New Jersey schnupperte vor rund zehn Jahren schon mal am großen Erfolg (Majorlabel, Auftritt bei Letterman etc.), und auch wenn es für die ganz große Karriere nicht gereicht hat, weiß sie, wie man als Supportact das Publikum einfängt. In Köln sorgt die Solistin mit der Stromgitarre deshalb für ein äußerst kurzweiliges Aufwärmprogramm. Ihre Musik an der Schnittstelle von klassischem Country, zeitlosem Brill-Building-Pop, Indierock-Credibility und humorvollem Street-Charme mag nicht unbedingt außergewöhnlich sein, aber gut gelaunte One-Liner wie "Das nächste Lied handelt davon, einem Mädchen auf die Fresse zu hauen" oder "Ich dachte, eine psychedelische Rock-Show sei der richtige Ort für einen Country-Singalong" führen im Handumdrehen dazu, dass die Zuschauer bald genauso glücklich dreinschauen wie sie selbst.

Der Mitsingteil bei "I Don't Know What Country Is, But I Know What Country Was" funktioniert folglich ausgezeichnet. Der Text ist übrigens autobiografisch, denn Anfang November siedelte Atkins nach Nashville über, um sich dort als Country-Songschreiberin zu etablieren. "Leider habe ich zu spät gemerkt, dass ich modernen Country abgrundtief hasse", verrät sie. "Also habe ich dieses Lied darüber geschrieben. Damit werde ich mir bei meiner Rückkehr sicher viele Freunde machen." Dabei wollte sie ursprünglich nichts mehr, als Country-Sängerin in der Music City zu werden. "Ich ich 21 war, hörte ich dann 'All Is Dream' von Mercury Rev und wusste sofort: Ich möchte nicht bloß Country-Sängerin sein, sondern eine die Art 'Seltsame Fee streift durch den Wald Country'-Sängerin", erinnert sie sich und liefert mit dem beeindruckenden "The Tower" dann gleich auch den klanglichen Beweis, dass sie das Vorhaben in die Tat umgesetzt hat. Dennoch sind der Amerikanerin auch Traditionen wichtig: Wie alle ihre Auftritte beendet sie auch ihr Konzert in Köln mit einem Stück ihres Idols Roy Orbison, bevor sie am Merch-Stand Poster, Vinyl und ein umwerfendes Lächeln anzubieten hat.

Atkins ist allerdings nicht die Einzige, die an diesem Abend glücklich ist. Auch Mercury Rev ist die Freude an ihrem eigenen Auftritt förmlich ins Gesicht geschrieben. Zusammen mit ihrem langjährigen Bassisten Anthony Molina und zwei hochmotivierten neuen Könnern an Schlagzeug und Keyboard bzw. Querflöte knüpfen die beiden Masterminds Jonathan Donahue und Sean "Grasshopper" Mackowiak im Studio unter dem Stadtgarten trotz der langen Pause nahtlos da an, wo sie vor mehr als zehn Jahren bei ihrem letzten Gastspiel in Köln aufgehört haben. Dass der winzige Laden nur mit vielleicht 100 Menschen nur etwa zur Hälfte gefüllt ist, stört die Band offensichtlich überhaupt nicht. Denn obwohl man vermuten sollte, dass Mercury Rev mit all ihrem Pathos, ihren großen Gesten und ihrem breitwandigen Klang in großen Sälen besser aufgehoben wären - es sind kleine Clubs wie dieser, mit kaum existenter Bühne, bei denen das Publikum weniger als eine Armlänge von der Band entfernt steht, in denen die Amerikaner am meisten begeistern. Vom ersten Ton an nutzt Frontmann und Chefkobold Donahue jede Sekunde, um auf Augenhöhe mit den Zuschauern in den ersten Reihen zu flirten und mit viel Theatralik (mal steht er auf einem Bein, mal dirigiert er mit dem Rücken zu den Besuchern die Band, später greift er auch noch zu einem Bodenscheinwerfer und leuchtet damit Publikum und Mitstreiter an) eine große Show im kleinen Rahmen zu bieten - viel Bühnennebel und sogar Seifenblasen inklusive. Seine Bühnen-Performance ist dabei mehr als reine Unterhaltung. Mit jeder Geste verleiht er den Texten, der Musik mehr Ausdruck und lädt die Zuschauer ein, sich an seine Fersen zu heften.

So entführen uns Mercury Rev für rund anderthalb Stunden in ihre leicht verschrobene Welt hinter den Bergen von Indiehausen und schaffen es mit Leichtigkeit, selbst Songs, die auf dem neuen Album nicht so zünden, live mit fast schon unerwartet viel Leidenschaft zu spielen. Dass die neuen Lieder gut ein Drittel des Programms ausmachen, fällt so gar nicht weiter auf, obwohl die neuen Songs etwas weniger psychedelisch ausfallen als frühere und mehr den Groove betonen. So wartet "The Queen Of Swans" gleich zu Beginn mit allen Mercury Rev-Markenzeichen auf: Die von Streichern und Synthies beherrschte dichte Orchestration, die stetig treibenden Drums und natürlich die unverkennbare Falsett-Stimme von Donahue signalisieren: Die lange Auszeit konnte der Band nichts anhaben. Auch "Are You Ready?" (mit Backing-Vocals aus dem Off) oder "Central Park East" (die Nummer mit den Seifenblasen) fügen sich bruchlos in die Liste der alten Highlights ein, die es natürlich auch zu hören gibt. Mit einer elektrisierenden Version von "Frittering" (für die Sänger Donahue kurzzeitig zur Gitarre greift) geht es sogar bis zum 1991er-Debütalbum "Yerself Is Steam" zurück, und selbstverständlich darf auch gleich eine Handvoll Stücke aus dem unübertroffenen Meisterwerk "Deserter's Songs" aus dem Jahre 1998 nicht fehlen. "Endlessly" betont die sanfte Seite der Band, und für das wundervolle "Opus 40" ganz am Ende kommt sogar Nicole Atkins zurück auf die Bühne. Einziger Wermutstropfen: Die umwerfenden Coverversionen von "Sea Of Teeth" (Sparklehorse) und "A Man Needs A Maid" (Neil Young), die Mercury Rev auf dieser Tour oft im Programm haben, gibt es in Köln nicht zu hören.

Bei der Zugabe tauscht die Band - auch das ist nicht neu, aber immer das i-Tüpfelchen - performerische Perfektion gegen raw power ein und lässt den Auftritt mit "The Dark Is Rising" in flackerndem Licht und bei lautem Feedback-Geheul ausklingen, um kurz darauf am Devotionalien-Stand mit ihren Fans um die Wette zu strahlen. Schön, wenn alles so perfekt zusammenpasst.

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Surfempfehlung:
www.mercuryrev.com
www.facebook.com/MercuryRev
nicoleatkins.com
www.facebook.com/NicoleAtkinsOfficial
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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