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Konzert-Bericht
 
Das große kleine Tourtagebuch

City Light Thief

Hamburg, Kleiner Donner/ Braunschweig, B58
22.01.2016/ 23.01.2016
CIty Light Thief
Ende Januar feierten City Light Thief den Release ihrer neuen EP "Shame" mit zwei Konzerten in Hamburg und Braunschweig. Für Gaesteliste.de hat Sänger Benjamin Mirtschin sein Erlebtes aufgeschrieben.

Wir sind die absolute Afterwork-Band. Soll heißen, dass wir unter der Woche verschiedenen ernstzunehmenden Tätigkeiten nachgehen müssen, zumindest mehr oder weniger, und alles was mit unserer Band zu tun hat, an den Abenden und Wochenenden passieren muss. Wie man sich vorstellen kann: Das macht längere Konzertreisen und schnelle Karriere-Entwicklung manchmal kompliziert, gerade wann man die (zugegeben nicht ganz kluge) Entscheidung getroffen hat, eine sechsköpfige Band sein zu wollen.

Was ich eigentlich sagen will: Für eine Band wie City Light Thief ist es gar nicht mal so einfach, an einem stinknormalen Freitag ein Konzert in Hamburg zu spielen. Selbst wenn man den halben Tag freibekommt, und schon gegen 13 Uhr losjuckeln kann, ist die Strecke Köln-Hamburg, gerade zum Wochenende hin, eine lange. Einlass zu unserem Konzert im Kleinen Donner soll bereits um 19 Uhr sein. Wer jetzt mal eben zu Google Maps rüberschlurft und sich die Strecke mal ausrechnen lässt, der sieht: schwierig!

Ein Glück dass meine Arbeit es mir erlaubt zumindest manchmal einfach gar nicht im Büro aufzuschlagen, sondern Termine in Hamburg selbst wahrzunehmen. Nachdem ich um kurz vor 9 Uhr morgens bei der Autovermietung unseres Vertrauens einen mittelgroßen Bus abhole, warte ich auf unseren Gitarristen Tobi. Der soll mich an der Vermietung treffen, um mich dann fix zum Bahnhof zu fahren. Ich muss einen ICE erwischen, die Band soll später mit dem Bus nachkommen. Ein paar Minuten später stellt sich heraus, dass Tobi (verständlicherweise, er spielte am Abend zuvor bereits mit Yellowknife bei der Cologne Music Week) verschlafen hatte und noch im Bett lag. Zum Glück ist Köln nicht Berlin, und so erwische ich knapp noch um zehn vor 10 meinen Zug und Tobi hat den Busschlüssel. Positiver Nebeneffekt: ich bin jetzt wach.

Während ich den Tag in Hamburg bereits in diversen Terminen verbringe, schießt die Band mit aller Kraft und unserer Backline über die Autobahn. Unterm Strich brauchen sie "nur" fünf Stunden für die Strecke, größere Staus bleiben aus, aber trotzdem ist es bereits 18.30 Uhr als das Auto mit den Musikern von City Light Thief als auch der mit den Musikern von Yellowknife und Ashes Of Pompeii am unauffälligen Club-Eingang gleich neben der Roten Flora ankommt. Die Türen um 19 Uhr zu öffnen ist nun undenkbar, es muss reingeschleppt, aufgebaut, gesoundcheckt werden. Mein Stresspegel steigt, denn auch nach hinten raus haben wir nicht viel Zeit: um 23 Uhr muss der Club bereits wieder ratzeputz leer sein, weil jemand laute Beats anmachen will.

Irgendwie mit Ach und Krach öffnen wir mit nur 20 Minuten Verspätung die Türen. Die erste Meute Halberfrorener strömt in den mit Holzlatten verkleideten Kellerclub. Es gibt ein großes Hallo: Renke von Zeitstrafe ist da, Patrick von Havarii, Eileen von Lieblingstape, und und und. Ich freue mich zwar sehr all diese Menschen zu sehen, aber bin trotzdem ob des Zeitdrucks unentspannt. Wir haben Glück, dass unser Freund Daniel das Konzert veranstaltet, anders als die meisten Veranstalter bleibt er relativ gelassen und ist uns nicht böse wegen unserer Unorganisiertheit und Verspätung.

Wir haben den heutigen Abend "We Are Family Minifest" getauft: auf persönlichen Wunsch haben wir Yellowknife und Ashes Of Pompeii als unsere "Vorbands" mitgebracht. Mit beiden Bands teilen wir uns den Proberaum, mit allen Mitgliedern sind wir seit vielen Jahren befreundet, Tobi und Mario von uns spielen sogar bei Yellowknife, es ist so etwas wie unsere Schwester-Band. Michi von AOP hat unser Video zu "Younger You" gedreht... Wir sind eben eine kleine Familie. Für all die Herzlichkeit, die wir untereinander empfinden ist leider bis nach dem Konzert kaum Zeit, denn die läuft uns mit all den Verzögerungen fix davon.

Yellowknife eröffnen den Abend und spielen ein sehr, sehr gutes Konzert. Ein bisschen hatte ich Angst, dass es leer bleiben würde, gab es doch in Hamburg am Freitag abend hochkarätige "Konkurrenz": nur acht Fußminuten weiter spielten Love A ihre große Show im Uebel & Gefährlich. Die Ängste waren jedoch unbegründet: bereits zu den ersten Tönen ist der Club gut gefüllt. Mit zahlenden Gästen, der Gästeliste und den Musiker tummeln sich gut 80 Leute im Kleinen Donner, der damit schon mehr als gut gefüllt aussieht. Uns fallen ein paar Steinchen vom Herzen.

City Light Thief

Beim letzten Song wird es emotional und ein paar Tränen müssen verdrückt werden, ein paar weitere finden den Weg nach draußen: nach guten 1,5 Jahren mit Yellowknife spielt unser Gitarrist Tobi heute sein letztes Konzert als Teil von Yellowknife. Das Leben hat ihn eingeholt & macht ihm das Betreiben von zwei Bands unmöglich. Es gibt Umarmungen, Applaus und Liebe. Superschön.

Danach spielen Ashes Of Pompeii, eine für City Light Thief musikalisch absolut prägende Band. Umgebaut werden muss gar nicht viel, denn Yellowknife teilen sich mit den Ashes den Sänger und den Schlagzeuger - wie praktisch. Im ganzen Jahr 2015 haben Ashes Of Pompeii allerdings nicht ein Konzert gespielt, nicht einmal geprobt (dies ist der recht hohen Live-Aktivität von Yellowknife geschuldet). Und ein kleines bisschen hört man es der Band an: oft muss nachgestimmt werden, immer mal wieder vergreift sich jemand auf dem Griffbrett. Das tut der guten Stimmung - jemand ruft nach dem ersten Song rein: "Ihr dürft nie wieder so lang weg sein!" - und den guten Songs ("The Bells of Old Dunwich", "Concrete", und und und) allerdings keinen Abbruch. Ich hoffe sehr, dass wir AOP dieses Jahr wieder häufiger auf der Bühne sehen. Was für eine tolle Band das ist, auch uneingespielt.

City Light Thief

Um kurz nach 22 Uhr beginnen wir dann, mit über einen halben Stunde Verspätung. Ein gutes Viertel der Songs, die wir spielen wollten, müssen wir vorab von der Setlist streichen, um pünktlich fertig zu werden. Obwohl wir in wenigen Wochen bereits unser 200. Konzert spielen, ist es immer wieder etwas "Besonderes" als "Headliner" aufzutreten - und dann auch noch in einer so weit entfernten Stadt. Bei 80 Prozent unser bisherigen Konzerte waren wir das Vorprogramm und nicht die Hauptattraktion: da geht man mit ganz anderer Haltung ran, wenn man weiß, dass die Leute eigentlich wen anders sehen wollen. Dementsprechend holpern wir uns ein wenig durch die ersten beiden Songs, der Sound ist noch etwas diffus, immer wieder vergesse ich Songzeilen, wir müssen uns erst mal zurechtfinden. Doch danach läuft's. Ein unschlagbarer Vorteil an eigenen Konzerten ist, dass die Leute vor der Bühne häufig mit den Songs vertraut sind und einem das durch mitsingen signalisieren. Und das tun sie. Nach kurzen Startschwierigkeiten sind wir "da" - und ab da fiel aller Stress ab. Wie meist ist der Rest des Konzerts ein ziemlicher Rausch und ich erinnere mich an wenige Details. Nach sehr straffen 43 Minuten beenden wir nach einer Zugabe dann unseren musikalischen Teil des Abends. Mit großen Grinsen und nassem Hemd verlasse ich die Bühne.

Es folgt der eigentlich schönste Teil an so einem Abend: mit den Menschen sabbeln, Hände schütteln, Freunde umarmen, Merchandise verkaufen, sich als Sänger vorm Einladen drücken dürfen. Hahahaha. Einigermaßen pünktlich haben wir die Bühne und den Club geräumt, der tolle Daniel zahlt uns das Geld aus und ich bin unendlich dankbar, dass es Veranstalter wie ihn gibt, die so einen Abend veranstalten, an dem sie am Ende nur an den Getränken verdienen und die Bands mit genügend Geld für eine Tankfüllung weitergeschickt werden.

Anschließend begeben wir uns fix zu unserer Unterkunft, der berüchtigten Bandwohnung hinter den ehemaligen Esso-Häusern (Rest in Peace!). Unser Plan ist es, noch etwas zu essen (wie man sich denken kann, fiel essen beim bisherigen Zeitplan absolut aus), um dann im Molotow abzustürzen. Als wir jedoch in der Wohnung ankommen, verlässt mich alle Kraft. Nachdem ich mir eines der Hochbetten geschnappt habe, schließe ich den Entschluss, heute nicht mehr rauszugehen. Die restlichen Jungs haben noch mehr Kraft als ich und verabschieden sich bald Richtung Nahrungssuche. Ich schlafe ein, um um kurz vor drei Uhr wieder von meiner heimkehrenden Band geweckt zu werden: auch sie stürzen heute nicht mehr ab. Bei unseren Freunden von Ashes Of Pompeii hingegen sieht es ganz anders aus, hihihi...

City Light Thief

Um 8.30 Uhr werde ich durch die gleichen Geräusche wieder geweckt. Vor wenigen Minuten haben es auch die letzten Partypeople in die Wohnung geschafft, ich weiß, dass ich in diesem Raum nicht mehr zur Ruhe kommen werde. Denn der Lärmpegel steigt. Ich wanke ins Badezimmer um zu duschen und werde von einer beeindruckenden Menge Kotze (der Urheber soll hier ungenannt bleiben) im einzigen Waschbecken der Wohnung begrüßt. Zähne werden also unter der Dusche geputzt. Erstaunlich schnell kommt auch der Rest meiner Band in die Puschen und um kurz nach 10 Uhr verlassen wir alle sauber die Bandwohnung, Ashes Of Pompeii lassen wir schweren Herzens schlafend zurück. Sie schlafen den Schlaf der Gerechten, der Besoffenen, der um 6-Uhr-Heimgekommenen. Hoffentlich haben wir bald mehr Zeit miteinander!

Beim weltbesten Bagel-Laden der Welt, Mother's Finest, stärken wir uns und fahren viel zu früh in Richtung Braunschweig weiter, wo wir am Abend im B58 ein weiteres eigenes Konzert spielen sollen. Da wir erst um 17 Uhr im Club aufschlagen sollen, und es noch viele, viele Stunden bis dahin sind, entscheiden wir uns etwas zu tun, was wir uns im Kollektiv schon oft vorgenommen, aber nie gemacht haben: wir machen etwas Sinnvolles auf dem Weg. Wir passieren das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen und machen dort Halt. Über eine Stunde wandern wir über das riesige, verschneite Areal, auf dem noch vor wenigen Jahren die schlimmsten Dinge passiert sind, die Menschen je getan haben. Alle sind sehr still. Nur zwei andere Menschen begegnen uns und jeder bleibt mit seinen Gedanken für sich. So traurig einen so ein Ort macht, so wichtig / richtig ist es, gerade in diesen Zeiten, solche Plätze zu besuchen. Mit heftiger Schwingkraft macht es einem wieder klar, wie gefährlich und dumm Fremdenhass ist, und dass es leider einfach nicht nur bei dümmlichen Kommentaren bei Facebook bleiben kann, wenn man nicht aufpasst, dass Leute aufgeklärt werden. Wie sehr man aufpassen muss.

Still und geerdet fahren wir weiter und erreichen immer noch zwei Stunden vor Get-In das B58. Vor Ort treffen wir Dominic, einen der Mitarbeiter des Clubs, der uns empfiehlt die restliche Zeit bis 17 Uhr im Riptide in der Innenstadt zu verbringen. Das Riptide ist ein kleiner Plattenladen mit angeschlossenem Café, und wir fühlen uns direkt mega wohl dort. Tobi kauft sich eine Platte von Million Dead, Mario eine von Modest Mouse. Ich kaufe mir ein Bier.

City Light Thief

Dann dürfen wir endlich an den Ort des heutigen Geschehens: das B58 ist zwar ein Jugendzentrum auf dem Papier, wirkt aber von vorne bis hinten wie ein hochprofessioneller Club. Wir sind beeindruckt und wieder schlottern die Knie, denn in Braunschweig tendiert unsere "Fanbase" gegen 0. Wir haben zwar einmal in der Stadt gespielt, im Nexus Mitte 2011. Aber wie wir feststellen, haben wir kollektiv jegliche Erinnerung an dieses Konzert vergessen. Ob da heute Abend jemand kommt?

Wir teilen uns heute die Bühne mit Finte aus Hildesheim und Forkupines aus Braunschweig selbst, die Band in der Veranstalter Skotty Gitarre spielt und singt. Obwohl wir uns alle nur aus Mails und dem Internet kennen, gibt es ein großes Hallo und alle sind nett zu uns. Der Kühlschrank ist voll mit 5,0 Bier aus der Flasche. Heute ist das Gegenteil von gestern: entspannt können wir mit einem sehr relaxten Sound-Mann unseren Sound auf guten Klang prüfen, es gibt keinen Zeitdruck nach hinten raus. Wir fühlen uns pudelwohl.

City Light Thief

Um 21 Uhr beginnen Finte mit ihrem erst dritten Auftritt, der aber Eindruck schindet: ihre Musik klingt wie das freundliche Kind von The Hirsch Effekt und Dillinger Escape Plan mit besser-verständlichem Gesang. Als ich beim zweiten Song den Konzertraum betrete, staune ich: es ist ja voll voll! Es sind mit allem drum und dran wieder um die 80 Leute da. Im positiven Sinne begreife ich die Welt nicht mehr. Toll, dass Leute in Braunschweig einfach mal so auf ein Konzert gehen, das sie interessant finden. Danach spielen die Forkupines. Und man lasse sich bitte nicht vom eher semi-coolen Bandnamen abschrecken, denn die spielen wirklich sehr coolen Emo-Rock-Punkrock mit kleineren Screamo-Passagen und gutem 90er Einfluss. Ich empfehle auf jeden Fall mal die EP "Yet The Same" auf ihrer Bandcamp-Seite (Link gibt's unten) anzuhören. Während ich diese Zeilen tippe, tue ich nämlich zum wiederholten Male dasselbe.

Um kurz nach 23 Uhr gehen wir dann auf die Bühne: die Leute sind geblieben und diesmal müssen wir keinen Song kürzen. Eine Stunde lang spielen wir uns von vorn nach hinten und zurück durch unsere kleine Diskografie. Ein paar Leute kennen wieder einige Songs, (danke Internet), und singen mit. Es kommt sogar Bewegung in die ersten Reihen, als wir die Lieder mit mehr Geballer spielen. Wie schön. Danach geht es entspannt und super weiter, jeder zweite nimmt etwas am Merch-Tisch mit (und bezahlt sogar dafür), wir trinken Bier, Veranstalter Skotty hat sogar eine Flasche Rotwein besorgt, wir führen tolle alkoholbefeuerte Gespräche und lernen gute neue Leute kennen. Alles 1+, wirklich. Die Band bestellt in meiner Abwesenheit Aftershowpizza bei der letzten offenen Pizzeria des Bundeslands. Als sie kurz darauf ankommt, und obwohl sie zugegebenermaßen eher mittelmäßig ist, schmeckt sie aufgrund der äußeren Umstände und der Einflüsse fantastisch. Um halb Vier nachts fallen wir auf gemütliche Matratzen, die auf dem Boden des Konzertraums liegen.

City Light Thief

Erneut früh, um 9.30 Uhr, sind wir alle wach und frühstücken ein von Skotty mit viel Liebe und Restalkohol gemachtes Frühstück. Einladen und leider auch schon bald die Abfahrt. Sonntags auf der Autobahn ist ein Traum. Alles leer, alle entspannt, alle mit Vorfreude auf Zuhause und die meisten auch mit ein bisschen Kater. Wir kommen am Proberaum an, laden uns, ich bringe den Bus zurück. Um 14.30 Uhr befinde ich mich pünktlich zur Abfahrt der S-Bahn um 14.31 an der S-Bahn Haltestelle Technologiepark Müngersdorf & bin glücklich. In unserem Band-WhatsApp-Chat schicken wir uns alle gegenseitig Liebesbotschaften, wie toll das Wochenende war. So ein Wochenende, an dem jeder wertschätzt, was man mit seiner kleinen Band auf die Bühnen weit weg von Zuhause bringt, wiegt viele Rückschläge auf, die man mit ebenso einer kleinen Band einstecken muss. Es ist 14.33 und die S-Bahn nach Hause kommt mit nur 2 Minuten Verspätung.

Surfempfehlung:
www.facebook.com/citylightthief
forkupines.bandcamp.com/album/yet-the-same
Text: -Benjamin Mirtschin-
Foto: -Benjamin Mirtschin-

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