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Konzert-Bericht
 
Stadtflucht

Jeb Loy Nichols
Joe Scholes

Köln, Stadtgarten
25.04.2017

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Jeb Loy Nichols
Nachdem Jeb Loy Nichols zuletzt von ca. zehn Jahren in unseren Breiten zu Gast war und sein aktuelles Album "Country Hustle" bereits seit einigen Wochen erhältlich ist, erschien es zumindest überraschend, dass man das Kölner Konzert gleich im mittelgroßen Stadtgarten angesetzt hatte. Und so verloren sich zunächst mal eine überschaubare Anzahl von Hardcore-Fans des ehemaligen Fellow Travellers im Auditorium des Clubs.
Auch als der lokale Support-Act Joe Scholes sich bemühte, seiner Rolle als Anheizer gerecht zu werden, änderte sich das Ganze nicht grundlegend. Joachim Uerschels (wie der Mann richtig heißt) ist als alter Hase und Frontmann der Ska-Band The Braces schon länger im Geschäft. Deswegen überraschte es schon, dass er das von dem an diesem Abend auch anwesenden Kollegen Ekki Maas produzierte Singer-Songwriter-Projekt "Songbook Vol. II", mit dem er sein Solo-Programm bestritt, offensichtlich ohne besondere Erkenntnisse aus dieser Tätigkeit angegangen war. Sicher: Musikalisch passte der Mix aus kompetent dargebotenen Ragtime- und Folksongs sowie gleich mehreren Smokey Robinson-Referenzen ganz gut zum Thema des Abends (denn auch Jeb Loy Nichols beschäftigt sich schließlich gerne mit originären Musikformen, die er nach belieben mischt). Aber inhaltlich machte Scholes mit seinen fürchterlichen, offensichtlich vom Deutschen in schlechtes Englisch übersetzten Songtexten mit unmöglichen, dem Reimschema geschuldeten Namedroppings und dem eher ungelenk zum Ausdruck gebrachtem Männerschmerz keine besonders gute Figur. Da half es natürlich auch nicht, dass er einen Sprachfehler hat (für den er ja nichts kann) und somit eher nuschelnd und dann auch noch mit einem schweren teutonischen Akzent sang. Das war dann doch ein wenig zu naiv und banal, um im Kontext songwriterisch überzeugen zu können - und besser wäre Scholes bei Smokey Robinson oder zur Not dem Ska geblieben.
Dabei wäre das programmatisch gar nicht nötig gewesen, denn wie Jeb Loy Nichols neulich in einem Interview erklärte, interessiert er sich selbst eigentlich gar nicht mehr für klassisches Songwriting - sondern für die Grooves, die er auch an diesem Abend ins Zentrum stellte. Gewandet in ein modisch betont gewagtes, klassisches Grand Ole Opry Country-Hemd begann der Meister das Konzert (wie auch das Album) mit dem sanft groovenden "Come See Me" und ließ das ähnlich relaxte "That's How We're Livng" folgen, bevor er dann mit dem heftig beklatschten "Long Live The Loser" die Party in Gang brachte - wie er selbst meinte. "Seid ihr etwa alle Loser?", fragte er, nachdem der Song tatsächlich mit frenetischem Beifall (der inzwischen etwas zahlreicher versammelten Fans) beklatscht worden war. Wie gesagt mag sich Jeb Loy Nichols heute nicht mehr als klassischen Songwriter sehen. Dennoch liegt ihm ein Thema besonders am Herzen - das er dann auch in seinen Lyrics durchaus zum Ausdruck brachte. Er erklärte das einleitend zu dem Song "Countrymusicdisco45" dann auch ausführlich: "Vor ca. 17 Jahren zog ich in die Hügel von Wales, um von den Menschen und dem ganzen Trubel zu fliehen. Das ist mir halbwegs gelungen. Dann ist mir aber aufgefallen, dass in den Hügeln von Wales lauter Leute lebten, die dorthin gezogen waren, um vor den Menschen und dem ganzen Trubel zu fliehen. Und ein Mal im Jahr kommen alle diese Menschen, die vor den Menschen und dem ganzen Trubel geflohen sind, zur Country Disco zusammen - und davon handelt dieser Song." In dem Song geht es dann spezifisch auch noch darum, dass bei dieser Country-Disco dann die falsche Art von Country-Musik gespielt werde und dass Jeb Loy den alten Heroen wie Hank Williams oder George Jones nachtrauert.

Das ist ein anderes Thema, das Nichols auf der "Country Hustle" CD thematisiert: Die Rückbesinnung auf den Begriff "Country" in topographischer Hinsicht und darauf, die richtige Art von Country Musik in den Vordergrund zu stellen: Musik, die von Leuten auf dem Land gemacht wird. Das ist übrigens auch mit der Grund dafür, warum es auf dem Album keine typischen Country-Sounds zu hören gibt, sondern die sexy groovenden und swingenden Rhythmen, die sich dann zum Beispiel in Songs wie "Katie Blue" (Jeb Loys Ode an die Frauen dieser Welt, über die es sich immer zu singen lohne) offenbaren. Das Stadtflucht-Thema kam dann noch mal in dem Song "You Got In" zum Tragen. Und auch Männerschmerz kann Jeb Loy Nichols, wie er selbstironisch erklärte, indem er den Song "Till The Teardrops Stop" anstimmte. Es ist dann halt nur eben eine besonders beschwingte Art von Männerschmerz, die Nichols favorisiert. In der Mitte des Sets legte die Band eine Pause ein. "Das ist der Teil der Show, in dem ich versuche, mich an alte Fellow Traveller.Texte zu erinnern", erklärte Jeb Loy und intonierte dann "Yesterday's A Long Time Gone" in einer bemerkenswert gefühlvollen Solo-Version, die teilweise von den Fans zumindest mitgesummt wurde. Es gab dann noch zwei weitere Fellow Traveller-Songs mit der Band - davon eine als spontane Zugabe. "Die kennen übrigens gar keine Fellow Traveller-Songs", erklärte Jeb Loy mit Verweis auf die talentierten jungen Kollegen, die dann freilich überhaupt keine Mühe hatten, ihm spontan zu folgen und die Songs - wie auch alle anderen - mit durchaus passenden, psychedelischen Elementen zu bereichern. Die von Jeb Loy ansonsten immer gerne bemühten Reggae-Grooves gab es bei dieser Show dann nur in Form der Adrian Sherwood-Nummer "To Be Rich Should Be A Crime" zu bestaunen, die Jeb Loy als offiziellen Schlusspunkt des Sets markiert hatte. Hier ging dann wieder der Schalk mit ihm durch, denn als es an den titelgebenden Refrain ging, variierte er den spontan indem er intonierte: "To be Trump should be a crime" oder "To be Le Pen should be a crime." Auch ohne ansonsten irgendwie konkret politisch zu werden, nutzte Jeb Loy Nichols auch diese Show wieder dazu, seinen Überzeugungen auf unterhaltsame Weise Nachdruck zu verleihen. Kein Wunder - denn er bezeichnet das Tanzen selbst schließlich schon als einen politischen Akt.

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Surfempfehlung:
www.jebloynichols.co.uk
www.facebook.com/JebLoyNicholsOfficial
www.joescholes.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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