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Die Hefe verbindet uns alle

Youngbloods Canadian Edition 2017
Owen Meany's Batting Stance/ Megan Nash/ Devarrow

Köln, Die Lichtung
15.09.2017

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Megan Nash
Die "Youngbloods"-Serie, bei der jeweils drei hoffnungsvolle Nachwuchs-Songwriter gemeinsam auf Tour geschickt werden, ist selbst in der "Canadian Edition" schon so eine Art Traditionsveranstaltung geworden. In diesem Jahr stellten sich drei sehr unterschiedliche Acts aus verschiedenen Gegenden Kanadas dem europäischen Publikum.
Daniel Walker heißt der junge Mann aus Halifax, der seinem Projekt aber den literarisch inspirierten Namen Owen Meany's Batting Stance gegeben hat. Owen Meany ist der Charakter des gleichnamigen Romans von John Irwing und ein "Batting Stance" ist jene Pose, die ein Baseball-Spieler vor einem (möglichen) Schlag einnimmt. Walker wählte diesen Namen, weil er in der Geschichte Owen Meanys eine Allegorie zu seinem Leben sieht: Meany ist ein kleiner, dicker Junge, der Baseball liebt, der aber so klein und dick ist, dass er es auf dem Spielfeld nie schafft, den Ball zu schlagen - bis es ihm eines Tages (beim letzten Spiel der Saison) aber doch gelingt, er allerdings mit diesem Ball seine eigene Mutter erschlägt. Obwohl er nicht klein und dick ist, ist Daniel irgendwie auf die Idee gekommen, dass diese Geschichte eine schöne Metapher für letzte Chancen sei, die nicht notwendigerweise die angestrebte Erfüllung bringen - oder wenn doch, dann mit einem schicksalsbedingten Haken. Damit fangen die Allergorien Daniels aber eigentlich erst an. In seinen Songs, die sich strukturell ambitioniert in Richtung Prog- und Arthouse-Songwriting blähen und die er solo auf einer schnarrend verstärkten akustischen Gitarre fast rockig vorträgt, wimmelt es von literarischen und philosophischen Querverweisen bzw. gar Querschlägern, die ohne Zusatzinformationen selbst für hartgesottene Muttersprachler kaum zu dekodieren sind. Mit den entscheidenden Hinweisen allerdings, machen die ausufernden Lyrics dann sogar Sinn - und offenbaren einen skurrilen Humor. In dem Song "Pop Odyssey" geht es etwa um eine Cola-Flasche auf einer Hausparty, die sich dort missbraucht fühlt, weil Alkohol aus ihr getrunken wird. Zumindest auf der einen Seite - auf der anderen geht es um das Ende der Monogamie, was aber eine andere Geschichte ist. Keine Frage: Wer sich so etwas einfallen lässt und dieses mit einem gewissen Ruch der Unschuld und oft auch einem lustigen Pfeifen auf den Lippen vorträgt, der kann ja grundsätzlich kein schlechter Mensch sein. Es war auch Daniels Idee, den Abend der Hefe zu widmen (mit Bezug auf das zugrundliegende Bier natürlich).

Ein schlechter Mensch ist auch Megan Nash keinesfalls. Auch wenn sie in ihrem Song "Bad Poetry" einräumt, zumindest schlechte Gedichte zu schreiben, wenn sie so richtig schön wütend über etwas oder jemanden ist. Der kriegt es dann ganz schnell mit Megans emotionaler Urgewalt zu tun - die sie auf der Bühne mit einer Hingabe und Inbrunst auslebt, die man in dieser Konsequenz auch erst mal suchen muss. Megan spielte die Songs ihres Albums "Song Harvest Vol. 1" und des noch nicht erschienenen, aber kurz vor der Veröffentlichung stehenden neuen Albums "Seeker" mit einer riesigen Epiphone-Gitarre in Form zwar asketisch inszenierter, aber dennoch ungemein kraftvoller Rocksongs. Nicht ohne Grund fühlte man sich in Bezug auf die Wirkung dieser Performance zuweilen an PJ Harvey erinnert - nicht musikalisch, sondern die nervöse Energie betreffend. Megan zeigt sich fasziniert von den deutschen Autobahnen und der Tatsache, dass man hierzulande legal öffentlich Alkohol trinken dürfe. In Kanada seien die Straßen alle viel schlechter (auch, wenn sie Songs über diese im Gepäck hat) und dort dürfe man lediglich öffentlich kotzen. Insofern gab es dann auch Songs für all jene, die schon mal öffentlich gekotzt haben. Die wesentlichen Themen, so scheint es, hat Megan Nash also durchaus im Griff. In Kanada spielt Megan mit einer sechsköpfigen Band. Kaum auszumalen, was dann in einem solchen Kontext passiert, denn bereits alleine bot Megan eine überzeugende Rockshow mit durchgängig brillant komponierten Songs.

Im Vergleich dazu wirkt Graham Ereaux, der sich entsprechend einer anglizistischen Verwurstelung seines Namens kurz Devarrow nennt, fast schon harmlos. Aber auf eine nette, freigeistige Art. Devarrow ist der Sprössling einer klassischen Hippie-Familie und vielleicht deswegen von katholischen Kirchen wie dem Kölner Dom besonders fasziniert. Denn als Kind war er niemals in der Kirche - nicht aus Respektlosigkeit, sondern weil er niemals auf die Idee gekommen sei, wie er erklärte. Devarrow ist eine Art virtuoser Power-Folkie mit einem gewissen (optischen) Surfer-Flair - was meint, dass er seine Songs zwar auf einer akustischen Gitarre daherklimpert, diese dann allerdings mit Verve und Begeisterung und ohne die klassischen Folkie-Regeln zu befolgen in einer zuweilen irren Geschwindigkeit und betont freistilig und poppig vorträgt. Devarrow ist ein klassischer Troubadour, der seine Songs auf seinen Reisen schreibt. Zwar ist er noch nie in den USA getourt, aber Kanada und Europa stehen auf seiner Reiseliste und so kommt es denn, dass seine Songs dann von allen möglichen Gegenden berichten. Z.B. von Dublin, wo der Song "Little Road" entstand, von dem Devarrow auch ein amüsantes Video ins Netz stellte. Coverversionen spiele er eigentlich nie - so Graham einleitend zu der Coverversion von Neil Youngs "Out On The Weekend" -, aber da er bei den Aufnahmen mit seiner Band "Harvest" als musikalische Referenz genutzt habe, wolle er mal eine Ausnahme machen. Fun Fact: Eigentlich singt Devarrow mit einer eher hohen, nasalen Gesangsstimme - außer bei der besagten Coverversion, die dadurch auch gleich eine eigene Note bekam. Devarrow ist demnächst auch als Support seiner Kollegen The Dead South aus Saskatchewan zu bewundern.

Die ganze Veranstaltung hinterließ einen durchaus inspirierenden Gesamteindruck, denn alle drei Acts vermittelten - jeder auf seine/ihre Weise - ihre Kunst auf eine höchst unterschiedliche, eigenständige (bzw. eigenwillige) und abwechslungsreiche Art. Mehr kann man von Showcase-Veranstaltungen dieser Art eigentlich nicht erwarten.

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Surfempfehlung:
www.owenmeanysbattingstance.com
www.facebook.com/Owen.Meanys.Batting.Stance
www.megannash.ca
www.facebook.com/megannashmusic
www.devarrow.com
www.facebook.com/devarrow
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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