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Konzert-Bericht
 
Killer und Roboter

Japanese Breakfast
Phoebe Bridgers

Köln, Blue Shell
23.10.2017

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Japanese Breakfast
Schon bei den Interviews zu ihren jeweiligen aktuellen Tonträgern hatten sowohl Phoebe Bridgers wie auch Michelle Zauner darauf hingewiesen, dass der jeweils andere Act der momentan angesagteste heiße Scheiß sei. Kein Wunder also, dass nun beide - also Phoebe Bridgers und Japanese Breakfast - als Labelmates zusammen auf Tour gingen und sich auch hier in den höchsten Tönen gegenseitig lobten. Hier wie da übertrug sich das auch auf die Stimmung auf der Bühne, sodass insbesondere der Auftritt von Japanese Breakfast (im Gegensatz zu der eher gedämpft enthusiastischen Kölner Show als Support von Boss Hog im vergangenen Jahr) zu einem frenetisch gefeierten Konzert-Highlight geriet.
Phoebe Bridgers ist Singer/Songwriterin mit einem Bein im Alt.Country-Lager, Indie-Folk-Queen und heimlicher Popstar gleichermaßen. Das unterstrich die 23-jährige Kalifornierin als "Supportact deluxe" auch im Blue Shell, wo sie ihre ganz auf ihr brillantes Storytelling zugeschnittenen Lieder mal auf der Westerngitarre, mal auf der Stromgitarre begleitete und außer ihrer zarten und doch ungemein ausdrucksstarken Stimme und der dezenten Begleitung von Harrison Whitford an Gitarre, Slide und Lap Steel nichts brauchte, um leichtfüßig von einem Genre zum nächsten zu springen. Dabei schlug sie einen Bogen von leisen, in Americana-Klangfarben getauchten Songs wie "Scott Street" am Anfang über Gespenster-Balladen wie "Killer" in der Mitte bis zum furiosen Finale mit "Motion Sickness", bei dem sie fast auf den Spuren von Fleetwood Mac zu wandeln schien. All das gelang ihr mit beeindruckender Souveränität, die man nicht nur ob der Lederjacke, die sie auch auf der Bühne trug, an diesem Abend leicht mit einer distanzierten, fast schon latent gelangweilten Coolness verwechseln konnte. Die betont fröhliche Seite Phoebes, mit der sie für gewöhnlich die ernsten Inhalte ihrer auf Elliott-Smith-Level traurigen Lieder in Interviews und eigentlich sonst auch bei ihren Konzerten kontrastiert, lugte in Köln nur einmal kurz durch, als sie vor der hinreißenden Tom Petty-Coverversion/Hommage "It'll All Work Out" (dem einzigen Hoffnungsschimmer inmitten all der textlichen Tristesse) lässig meinte: "Wenn ich jetzt nicht nachstimme, klingen wir wie Guided By Voices!", bevor sie die Bühne für Japanese Breakfast freigab.

Musikalisch haben Phoebe und Michelle natürlich nicht so viel miteinander zu tun. Es gibt aber dennoch eine Eigenart, die beide Künstlerinnen verbindet: Sowohl Phoebe wie auch Michelle besitzen vergleichsweise sonore Sprechstimmen, fühlen sich aber gesanglich durchaus in den höheren Tonlagen wohler. Im Falle von Japanese Breakfast führte das - zumindest bei diesem Set, das über weite Strecken als Rock-Show durchging - zu einer zwar leicht schrill anmutenden, aber auch kraftvollen Performance, mittels derer es Michelle gelang, sich gesanglich (anders auf den eher psychedelisch ausgelegten CD-Produktionen) fast gegen den von der Band erzeugten Wall of Sound durchzusetzen. "Fast" deswegen, weil Michelle keinen Wert auf perfektionistischen Schönklang legt, und deswegen die Gesangsparts eher empathisch als tontechnisch korrekt angelegt waren. Das ging aber fast auch gar nicht anders, weil die zierliche New Yorkerin mit den koreanisch-deutschen Wurzeln gar nicht so recht wusste, wo sie mit ihren positiven Energieausbrüchen eigentlich hinwollte. Schon lange hatte man im Blue Shell keinen Act mehr erlebt, der mit einer solchen Begeisterung auf das Publikum einging und dabei selbst jede Menge Spaß und Lebensfreude versprühte. Das war dann ein ganz schön extremer Gegensatz zu dem eher coolen und kontrollierten Vortrag Phoebes zuvor; was aber ausdrücklich nichts machte, denn Michelles Fans sind musikalisch offenbar genauso bedenkenlos, was den gerade angewandten Stil betrifft, wie ihr Idol - und deshalb für alles Mögliche begeisterungsfähig.

Im Fall von Japanese Breakfast reichte das vom druckvollen Powerpop gleich beider CD-Opener - "Diving Woman" von "Soft Sounds" und "In Heaven" von "Psychopomp" über gepflegten New Wave-Rock wie "Road Head" und "Heft" und die solo vorgetragenen "Folksongs" wie "This House" oder "Triple 7" bis hin zu klassischen Torch-Songs à la "Til Death" und natürlich Disco- und E-Pop infiziertes wie "The Woman Who Loves You" oder natürlich "Machinist" - Michelles Song über die Liebe zu einem Roboter. Gerade zu solchen Songs lief Michelle zur Höchstform auf, legte die Gitarre zur Seite und tanzte fröhlich herumhüpfend mit dem Publikum um die Wette. Erstaunlich war das dann insofern, als dass es in Michelles (wie auch zuvor in Phoebes) Songs nicht eben um fröhliche Themen geht. Es scheint aber so, als seien Live-Shows und Album-Produktionen zwei Dinge, die Michelle nicht unbedingt um jeden Preis in Einklang zu bringen sucht - was sich bei den Live-Shows eben durch die zur Schau gestellte, ungezügelte Energie als Gewinn für das Publikum durchaus positiv niederschlägt. Michelle selbst schien das jedenfalls zu gefallen, denn sie bedankte sich beim Kölner Publikum mit den Worten, dass dies die beste Show der Tour gewesen sei.

NACHGEHAKT BEI: PHOEBE BRIDGERS
Mit "Stranger In The Alps" hat Phoebe Bridgers das vielleicht spannendste Debütalbum des Jahres aufgenommen, auf dem sie am Rande des Indie-Folk-Universums düstere Texte mit ordentlich Eingängigkeit und unterschwelligem Humor ungeheuer abgeklärt in Szene setzt. Grund genug für Gaesteliste.de, uns nach unserem Feature am Veröffentlichungstag ein weiteres Mal näher mit der jungen Dame aus Los Angeles zu beschäftigen.

GL.de: Phoebe, du hast uns lange auf dein erstes Album warten lassen. Deine erste Single "Killer" (auf Ryan Adams' Label Pax Am) liegt bereits zwei Jahre zurück. Was hat sich seitdem verändert?

Phoebe: Ich trage inzwischen viel weniger Eyeliner! Kürzlich sagte mir jemand, als ich die Single aufgenommen habe, hätte ich ausgesehen wie ein Waschbär! Na, herzlich Dank auch! Damals war ich frecher, heute bin ich reflektierter, deshalb trage ich auch weniger Eyeliner. Sonst hat sich eigentlich gar nicht so viel verändert. Ich habe damals gedacht, dass ich das Album viel schneller fertig haben würde. Eigentlich bin ich aber glücklich, dass es am Ende so lange gedauert hat, weil einige meiner Lieblingslieder erst sehr spät entstanden sind.

GL.de: Den langen Anlauf kann man der Debüt-LP ein wenig anhören. In gewisser Weise klingt sie bereits wie dein zweites Album, denn vor ein, zwei Jahren hätte sie vermutlich mehr nach der mit betont sparsamen Mitteln inszenierten Single geklungen, oder?

Phoebe: Nun, Ryan wollte die Single so zurückgenommen wie möglich produzieren. Wenn es nach ihm ginge, würde ich immer nur allein aufnehmen. Mein Geschmack ist da aber etwas anders. Ich wollte mit dem Album das erste Kapitel hinter mir lassen!

GL.de: Du warst mit Julien Baker auf Tour und gleich mehrfach auch mit Conor Oberst. Konntest du dir dabei etwas abschauen?

Phoebe: Oh, es gibt eine Menge Dinge, die ich dabei gelernt habe! Julien zum Beispiel hat jeden Abend kleine melodische Dinge in ihren Songs verändert, bis sie etwas fand, das ihr gefiel und das sie von da an ständig benutzt hat. Sie hat keine Angst, Dinge auszuprobieren. Bei Conor ist es so, dass er ständig die Texte seiner alten Lieder verändert. Das fand ich total cool, weil ich es für einen ganz tollen kreativen Kniff hielt, dabei vergisst er einfach seine alten Texte und denkt sich deshalb neue Zeilen aus! Es ist total spannend zu hören, was er glaubt, damals gesungen zu haben, da er sich seine Platten nie anhört. Das gefällt mir sehr, und vielleicht kann ich ja etwas Ähnliches machen! Deshalb empfand ich es als sehr hilfreich, im Laufe des Aufnahmeprozesses meines Albums immer mal wieder auf Tour zu sein, weil ich so auf kleine Melodien oder Worte gestoßen bin, die mir besser gefielen. Ich bin davon überzeugt, dass Songs wachsen, wenn man sie ständig spielt.

GL.de: Das kann natürlich Segen und Fluch zugleich sein, denn manche Musiker konzentrieren sich so auf die Veränderung, dass sie gar nicht mehr merken, wenn's perfekt ist.

Phoebe: Genau darüber habe ich eine Weile vor der Veröffentlichung des Albums mit einem Freund gesprochen. Ich sagte ihm, dass ich am liebsten einige Sachen auf der LP wieder umwerfen würde, aber er meinte nur: "Du musst loslassen und dein nächstes Album ins Auge fassen. Du bist jetzt schon seit zwei Jahren mit der ersten Platte zugange! Es wird dir besser gehen, wenn die Platte erst mal draußen ist!"

GL.de: Ist der Wunsch nach ständiger Veränderung auch der Grund, warum sich ein Song wie "Killer" von einer Gitarrennummer mit nur deiner Stimme auf der Single zu einem Gesangsduett mit Klavierbegleitung auf dem Album gewandelt hat? War das eine glückliche Fügung oder steckte Absicht dahinter?

Phoebe: Oh, das geschah mit voller Absicht. Ich wollte, dass der Song auf dem Album so anders wie möglich klingt, weil ich vermeiden wollte, dass irgendjemand beim Hören das Gefühl hat, dass er ihn so schon mal gehört hat. Zufall dagegen war, dass ich die Akkorde, die Tony Berg (einer der Produzenten) für die Klavierversion schrieb, lieber mochte als meine ursprünglichen. Deshalb spiele ich live nun gewissermaßen die Klavierversion auf der Gitarre. Das ist ein schönes Beispiel für einen Song, der sich mit der Zeit verändert hat.

GL.de: Viele deiner Lieder, deiner Texte, sind todtraurig. Schreibst du einfach lieber, wenn du am Boden bist? Eigentlich bist du ja kein trauriger Mensch!

Phoebe (schüttet sich aus vor Lachen): Nee, das bin ich nicht! Ist aber in der Tat so, dass ich am liebsten schreibe, wenn ich niedergeschlagen bin oder Erfahrungen verarbeite, zu denen ich vielleicht schon ein wenig Abstand gewonnen habe, die aber sehr einschneidend waren.

GL.de: Die Herangehensweise führt oft zu besonders gefühlsechten Songs, kann aber auch zum Fluch werden, wenn die Leute die Lieder mögen und du sie für Monate oder Jahre spielen musst, selbst wenn du sie inhaltlich längst hinter dir gelassen hast. Julien Baker zum Beispiel erzählte uns, dass sie sicherlich einige Dinge auf ihrer ersten LP anders formuliert hätte, wenn sie geahnt hätte, wie viele Menschen sie damit erreicht.

Phoebe: Oh ja! Allerdings habe ich darüber während des Songwritings nicht wirklich nachgedacht. Ich bin noch an einem so frühen Punkt in diesem Albumzyklus, dass ich die Auswirkungen meines Tuns noch nicht so recht spüre. Allerdings habe ich eine Heidenangst davor! Ich habe einen Riesenrespekt vor Julien, und wir haben eine ähnliche Weltanschauung. Sie hat mir gegenüber auch erwähnt, dass sie manchmal bei den Texten gerne etwas zurückhaltender gewesen wäre. Das sagt sie, doch dann schickt sie mir die Demos für ihre zweite Platte, und die ist brutal und genauso verletzlich. Letztlich können wir beide wohl einfach nicht anders, und ich hoffe, dass die Leute nicht zu hart mit mir ins Gericht gehen.

GL.de: Du hast das Album ohne Rückendeckung eines Labels aufgenommen, und erst als die Platte im Kasten war, hast du bei Dead Oceans unterzeichnet. Wie bist du dort gelandet?

Phoebe: Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern, was letztlich den Ausschlag gegeben hat, es schien mir nach einer Weile einfach sonnenklar, dass das die richtige Wahl war. Du merkst einfach, wer die Platte am besten versteht, etwa, wenn du eine wohlüberlegte Antwort-Mail zu deinem Album bekommst. Letztlich ist das aber auch Gefühlssache. Mein Manager und mein Rechtsbeistand haben eine Menge Ahnung, und sie haben großartige Erfahrungen mit einigen Labels gemacht und weniger gute mit anderen. Am Ende war es einfach offensichtlich.

GL.de: Wo du gerade deinen Manager und deinen Anwalt erwähnst: Fällt es dir leicht, bei solch wichtigen Entscheidungen anderen Menschen zu vertrauen?

Phoebe: Bestimmten Menschen, ja, und ganz besonders meinem Anwalt, John Strohm. Er hat früher bei den Lemonheads gespielt. Damals hat er einen Verlagsdeal für seine Lieder bekommen und mit dem Geld sein Jurastudium finanziert. Er kennt beide Seiten der Musikindustrie, und deshalb vertraue ich ihm in diesen Dingen mehr als jedem anderen in der Welt. Wenn er sagt, dass ist die richtige Entscheidung, dann habe ich wirklich das Gefühl, dass er diese Aussage nach reiflicher Überlegung und mit all seiner Erfahrung trifft.

GL.de: Hast du dieses Vertrauen in andere auch beim Musikmachen? Immerhin ist die Platte ja in einer Bandkonstellation entstanden. Fiel es dir leicht, ein Stück Verantwortung abzugeben, oder wirst du nur glücklich, wenn du alles kontrollieren kannst?

Phoebe: Es bisschen von beidem, denke ich. Wenn ich anfange, habe ich ein klares Ziel vor Augen, treffe sehr bewusste Entscheidungen und bin überzeugt davon, dass mich niemand davon abbringen kann. Doch irgendwann beginnen sich die Songs unter den Händen der Musiker zu verändern und ich stelle fest: Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt!

GL.de: Wonach suchst du in einem Song?

Phoebe: Ich höre gerade viel Pinegrove und sie klingen, als sei ihnen ihre Musik wirklich wichtig, und außerdem haben sie, anders als viele andere Bands heute, keine Angst vor einem guten Refrain. Das hat mich auf den Geschmack gebracht, und ich habe begonnen, auch nach guten Refrains zu suchen. Mir ist es zwar wichtig, mich nicht festzulegen, aber manchmal schreibe ich Lieder, die viel zu lang und ausufernd sind, und dann muss ich mich am Riemen reißen und mir sagen: Das soll sich nachher auch jemand anhören können! Deshalb ist mir Eingängigkeit zunehmend wichtig.

GL.de: Nach zu viel Eingängigkeit zu streben kann aber auch nach hinten losgehen. Dann ist die Credibility futsch und man ist trotzdem kein Popstar!

Phoebe: Ja! Doch egal, was es ist: Wenn du etwas zu verbissen verfolgst, ist das immer riskant, weil dich das davon abhält, die Lieder zu schreiben, die du wirklich machen solltest. Allerdings glaube ich nicht, dass ich derzeit Gefahr laufe, in diese Falle zu tappen. Ich denke definitiv darüber nach, komme aber am Ende zu dem Schluss: Das Problem habe ich nicht!

GL.de: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Phoebe: Seltsamerweise kann ich mich an keinen bestimmten Auslöser erinnern. Ich weiß nur, dass ich nie etwas anderes machen wollte. Aber wenn ich raten müsste, dann würde ich wohl sagen, dass Avril Lavigne und Hillary Duff etwas damit zu tun hatten (lacht)

GL.de: Letzte Frage: Was macht dich derzeit am glücklichsten als Musikerin?

Phoebe: Hmmm... Vermutlich, dass ich inzwischen von mehr und mehr Leuten umgeben bin, die mich inspirieren. Je mehr ich spiele, desto mehr bin ich mit genau den Menschen in Kontakt, die ich gerne in meinem Leben haben möchte. Ich fühle mich inzwischen als Teil einer kleinen Community, und das ist wirklich toll.

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Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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