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Konzert-Bericht
 
Unterhaltung

Torres
The Dove And The Wolf

Köln, Gebäude 9
13.11.2017

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Torres
Wohl kaum jemand hat in diesem Jahr das eigene Soundkonzept so gründlich umgewälzt wie Mackenzie Scott, die ja lieber als Torres auf der Bühne steht. Auf ihrem dritten Album präsentierte sich die in New York lebende Songwriterin aus Georgia vor allen Dingen klanglich von einer ganz neuen Seite. Insbesondere der Umstand, dass sie hier erstmals die elektronischen Elemente in den Vordergrund stellte - während sie bislang trotz aller Eskapaden immer noch als Gitarren-Act durchgegangen war -, dürfte viele Fans der ersten Stunde auf eine harte Probe gestellt haben. Es führte dann wohl auch dazu, dass die Elektrophoben unter diesen Fans dem Konzert vorsichtshalber gleich ganz fern blieben - was sich dann im Folgenden eher als Fehler herausstellte, wie sich zeigen sollte.
Dennoch war es vielleicht ganz geschickt, dass sich Torres als Support die Band The Dove And The Wolf ausgesucht hatte. Das ist ein Projekt der beiden aus Paris stammenden Songwiterinnen Paloma Gil und Louise Hayat-Camand - die aber in den USA leben und arbeiten und sich dortselbst um Drummer Craig Hendrix und Bassist Butch Walker (der aufgrund eines Studienaufenthaltes fließend deutsch spricht und das Bandgefüge dann auch freundlicherweise erläuterte) verstärkt haben. The Dove And The Wolf machen nämlich jene Art von gitarrenorientiertem Indie-Pop, mit dem Torres dereinst ihre Laufbahn ursprünglich startete. Allerdings legen Paloma und Louise ihr Augen- und Ohrenmerk weniger auf abrasive Gitarren-Orgien, sondern vielmehr auf den exakt sitzenden Harmoniegesang, der der Sache - obwohl sie prinzipiell als New Wave Dream-Pop-Szenario angelegt ist - auch eine folkige Note verleiht. Ursprünglich startete das Duo auch akustisch, bevor dann durch den Umbau zur Band die rockigere Note hinzukam. Das Ganze kumulierte zunächst in der EP "I Don't Know How I Feel", auf der sich die Damen thematisch mit den Folgen der Paris-Attacken von 2015 beschäftigen und führte schließlich dazu, dass das renommierte Fat Possom-Label auf die Band aufmerksam wurde und sie zeichnete. Ganz ohne Frage werden wir von The Dove And The Wolf in Indie-Kreisen noch viel hören - obwohl die Band (erkältungsbedingt) bei ihrem Deutschland-Debüt nicht so begeistert wirkte, wie sie das mehrfach verbal äußerten.

Alle, die sich dann von der auralen Neugestaltung Torres nicht hatten abschrecken lassen, durften dann eine dicke Überraschung erleben. Denn während Torres sich bei ihren Live-Auftritten als Performerin bislang wohl stets in der Tradition der düsteren Shoegazer-Acts gesehen hatte, boten sie und ihre dreiköpfige Band dieses Mal eine geradezu extrovertierte Show. Musikalisch überraschte das Set dann keineswegs durch eine konsequente Hinwendung zur Elektronik - wie zu vermuten gewesen wäre -, sondern eher dadurch, was alles NICHT im Konzept enthalten war. So gab es zum Beispiel keine Zimbeln, keinen echten Bass (sondern einen Synth-Bass), kaum Gitarrenakkorde und vor allen Dingen keine Drumcomputer (sondern ein echtes Drumkit) und keine Keyboards. Denn alle Sounds wurden mittels zweier Gitarren erzeugt, die freilich durch eine Unmenge von Effektgeräten und (teilweise selbst gebastelte) elektronische Gagdets gejagt wurden. Fast zwangsläufig bestand das Set dann vorwiegend auf den Songs des neuen Albums - denn besonders gut lassen sich die älteren Tracks nicht auf das neue Konzept transponieren. So kam es dann, dass die Songs des letzten Albums "Sprinter" (wie z.B. die Hits "New Skin" oder der Titeltrack) - und insbesondere die einzige Nummer des Debüt-Albums, "Honey", im eher konventionellen Rock-Setting gegeben wurden. Dieses wurde von Torres indes mit besonderem Nachdruck befeuert - nicht nur, indem sie plötzlich Spaß daran gefunden hatte, sich als Leadgitarristin zu präsentieren, sondern auch, weil sie Gefallen an großen Gesten, Tanzmoves und hemmungslosen Screamcore-Einwürfen gefunden hat. Etwas zurückhaltender - oder besser gesagt "kontrollierter" - ging es bei den neuen Songs zu. Mit gutem Grund, denn hier bilden komplexe, oft auch gegenläufige Gitarren-Ornamente, Rhythmus-Muster und Gesangslinien das Gerüst, an dem man sich nicht nicht einfach freistilig entlangmogeln kann, sondern das es zu beachten gilt, damit nicht alles im abstrakten Chaos versumpft. Diese Art der "artificial intelligence" gelang Torres und ihren Musikern dann dank einer strukturierten Disziplin durchaus: Im Wesentlichen blieben die Songs auch im Live-Umfeld verständlich. Der Unterschied zu den Studio-Versionen ergab sich hierbei zum daraus, dass Torres mit einer "normalen" Live-Band spielte und daraus, dass sich im Zusammenspiel ganz andere Klangkonstellationen und Dynamiken entwickelten, als auf der Konserve. Wie bereits von früher gewohnt, legte Torres hierbei das Haupt-Augenmerk nicht auf die Verständlichkeit der - nach wie vor poetisch angehauchten, scharfzüngigen und ziemlich offenherzigen - Lyrics, sondern auf das Gesamtbild mit besonderer Betonung der Gitarrenarbeit (auch wenn diese aufgrund der Verfremdungen zuweilen gar nicht mehr als Gitarrenarbeit zu erkennen war). Wie dem auch sei: Das führte dann zu echten Rockstar-Momenten, mit denen Torres das Publikum herausforderte oder - mitten im Song "Marble Focus" - am Bühnenrand kniend mit Endlos-Soli unterhielt. An anderer Stelle - etwa bei dem Track "Concrete Ganesha" driftete die Sache in fast abstrakte Klanginstallationen a la King Crimson ab (Torres ist ein Robert Fripp-Fan) oder endete bei "Helen In The Woods" gar in einer Art Punk-Hommage. Trotz allem: Rockmusik war das dennoch nicht. Stattdessen ist es Torres gelungen, auch auf der Bühne etwas ganz Eigenes darzustellen. Und das will ja auch etwas bedeuten.

NACHGEHAKT BEI: Torres

GL.de: Wie wichtig ist Torres heutzutage die Unterhaltung als solche? Es fällt ja schon auf, dass die Show sehr viel lebhafter und expressiver ist, als sie das früher war.

Torres: Unterhaltung ist mir tatsächlich sogar sehr wichtig. Sie wird auch immer wichtiger. Als ich jünger war, dachte ich, dass die Performance nicht so wichtig sei, dass ich und meine Gitarre eigentlich ausreichten, so lange es nur rau und ursprünglich ist. Und manchmal ist das ja auch so. Aber heutzutage mag ich es, mit einer Band und einer richtigen Rhythmusgruppe auf Tour zu sein, ich mag es zur Musik zu tanzen und ein wenig zu schauspielern. Weißt du, die Leute kaufen schließlich Tickets, um etwas zu erleben und sich in der Performance verlieren zu können.

GL.de: Wie ergab sich eigentlich das Sounddesign der neuen Scheibe?

Torres: Auf der ersten Scheibe wurde alles durch mein Fingerpicking zusammengehalten und auf der zweiten alles durch meine Akkordarbeit auf der Gitarre. Auf der neuen Scheibe hingegen wollte ich Beats und elektronische Elemente einsetzen. Auf der neuen Scheibe gibt es zum Beispiel gar keine Gitarrenakkorde mehr - das sind alles Lead-Parts, die allerdings durch allerlei Pedal-Effekte gejagt werden, so dass sie sich am Ende gar nicht mehr wie Gitarren anhören. Ich wollte damit etwas Neues ausprobieren, was ich noch nie gemacht habe, denn ich möchte unbedingt vermeiden, mich zu wiederholen. Ich will auf keinen Fall dieselbe Scheibe zwei Mal machen.

GL.de: Da die neue Scheibe ja radikal anders ist als die letzten beiden Scheiben, stellt sich die Frage, was für Torres dabei das verbindende Element gewesen sein mag. Sind es vielleicht - wie Carsten Wohlfeld bei den Interviews zur letzten Torres-Scheibe "Sprinter" herausfand - wieder die inhaltlichen Zusammenhänge?

Torres: Ich denke ja. Meine Texte und meine Stimme sind das, was ausmacht, dass es um mich geht. Klanglich werde ich vermutlich immer alles von Scheibe zu Scheibe verändern - weil für mich jede Scheibe eine eigene Welt darstellt. Aber meine Stimme verbindet dann alles miteinander.

GL.de: Gilt das auch für die Texte selbst - die sich ja durchaus nach wie vor auf einem poetischen Level mit persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen beschäftigen?

Torres: Ja, denn ich finde, es gehört nicht viel handwerkliches Geschick dazu, einfach seine Erlebnisse runterzuschreiben. Die Erlebnisse sollten auf poetische Weise manipuliert werden. Worüber man auch immer schreibt, sollte so bearbeitet werden, dass aus dem bloßen Fakt auf dem Papier etwas anderes wird. Es gibt ja schließlich Metaphern, Symbole, Personifikationen. Es ist einfach langweilig, sein Handwerk nicht einzusetzen. Das Handwerk wird heutzutage gerne mal übersehen.

GL.de: Handwerk? Geht es nicht eher um Kunst?

Torres: Das meine ich damit. Das ist für mich das selbe. Ich mache das so, dass ich alles Mögliche, was ich beobachte dokumentiere und dann versuche, etwas daraus zusammenzuweben. Ich schreibe immer ein wenig, so dass ich dann, wenn es ernst wird mit dem Song-Schreiben, Material habe, auf dem ich aufbauen kann. Es ist dabei wichtig, mit kleinen Ideen anzufangen und dann etwas darauf aufzubauen. Das ist besser als gleich mit vielen großen Ideen anzufangen und dann zu versuchen, zum Kern des Songs zu finden. Manchmal muss ich aber auch einen Song mehrfach umschreiben, um das Zentrum des Songs finden zu können. Und ich stelle sicher, dass es in jedem Song nur ein Thema gibt. Eine Falle, in die Songwriter nämlich fallen können, ist zu viel zu sagen, so dass am Ende der Fokus fehlt.

GL.de: Was macht dann insgesamt einen guten Song aus?

Torres: Eine Menge Dinge. Ein guter Song sollte gut aussehen - auch auf dem Papier aufgeschrieben. Er sollte sich gut anhören - in der Art, wie er von der Zunge rollt. Er sollte nicht zu viel sagen. Lieber wiederhole ich etwas - denn ich mag die Verstärkung von Ideen durch Wiederholung. Sowohl inhaltlich bei Texten wie auch musikalisch. Was einen guten Popsong auszeichnet, ist die Verstärkung einer Idee durch Wiederholung. Und was am Wichtigsten ist: Ein Song ist nur dann gut, wenn die Texte sich wie Gedichte lesen. Viele denken, dass eine gute Melodie schon ausreicht. Ich bin da anderer Meinung. Wenn etwas nicht wie ein Gedicht klingt, dann nützt es auch nichts, gute Musik hinzuzufügen. Ich brauche mehr als nur eine gute Geschichte.

GL.de: Heißt das, dass Musik größer als das Leben sein sollte?

Torres: Ja - jede Art von Kunst sollte sich größer als das Leben anfühlen. Denn die Kunst sollte ja das, was wir Realität nennen, schon irgendwie durchdringen. Ich mag Kunst, die sehr surreal ist. Ich mag eigentlich alles Surreale, weil dadurch ein fantastisches Element zur Realität hinzu kommt.

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