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Konzert-Bericht
 
Die einsame Königin

Sara K.

Bonn, Harmonie
29.05.2002

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Sara K.
Das war neu: Da Sara K. gemeinhin (und unfreiwillig) als Aushängeschild der halbreligiösen Audiophilen-Bewegung hergenommen wird, kam man bei dem renommierten Boxen-Hersteller B & W (Bowers & Wilkins) auf die Idee, die aktuelle Sara K.-Tour nicht nur zu sponsorn, sondern auch gleich das ganze Soundequipment beizusteuern. So standen denn also auf der Bühne der Harmonie zu Bonn zwei beeindruckende, überdimensionale und futuristisch anmutende Nautilus-Boxen und zwei schwarze Kästen, die die notwendige Soundpower lieferten. Sara K. und ihr Gitarrist, Chris Jones, sahen dazwischen fast ein bißchen verloren aus.
Was war passiert? Nun: Sara hatte ihren Kontrakt mit dem New Yorker Chesky Label erfüllt und beendet. "Das Kapitel ist abgeschlossen. Und ich bin auch irgendwie froh darüber", meinte sie resümierend. Nach einiger Zeit des Herumsuchens nach einem Ersatz war sie an Günther Paulers Stockfisch Label gelandet. Dieses Label ist ja nun dafür bekannt, auf technisch höchstem Niveau zu agieren - u.a. mit B & W Boxen. Und voila: Eine neue Marketing-Idee war geboren. Stockfisch verfolgt ja musiktechnisch ähnlich hehre Ziele wie Chesky, aber einen entscheidenden Unterschied gibt es: "Dort war es endlich einmal möglich, mit Multitracking aufzunehmen", meint Sara erleichtert, "und da ist sicherlich nichts falsches dran. Man vergibt sich nichts, wenn man ein paar zusätzliche Spuren aufnimmt. Bei Chesky war das so, daß wir die letzten CDs alle in einer alten Kirche aufgenommen haben. Da war der Aufbau stets so, daß wir uns als Musiker nicht sehen konnten und das, was man hörte, nicht unbedingt das war, was nachher in den direkten Mix ging. Das war jetzt erstmals möglich." Seltsam überhaupt, daß man über so etwas heutzutage noch nachdenken muß. Doch an den Kommentaren aus dem Publikum vor dem Konzert und an den Gesprächen des Technikpersonals konnte man schon erkennen, daß die Audiophilen ihr Geschäft sehr, sehr ernst nehmen. Da ist Purismus pur gefragt. Da reizt doch die Frage, wie sich das denn diese Situation für eine Songwriterin - und eine solche ist Sara ja nach schließlich hauptsächlich - darstellt? "Zwiespältig", räumt Sara ein, "es war für mich ein Glücksfall, daß ich damals, Anfang der 90er an Chesky geraten bin, denn so war es mir möglich, meine Musik einem Publikum jenseits von Pop und Mainstream - was ich weder kann noch möchte - zu präsentieren. Ich muß allerdings zugeben, daß ich keine Ahnung von Audiophilität, High-Fi, Frequenzen und dem allem hatte. Ich arbeite rein nach Gehör. Und ja: Meine Songs sind mir natürlich am wichtigsten. Und da ärgert es manchmal schon, wenn man nur in diese audiophile Ecke gedrängt wird. Ich bin ja auch bekannt als 'Queen Of The Audiophiles' - das ist Blödsinn. Was ist das überhaupt? Gibt es einen Preis dafür? Bekomme ich eine lustige Mütze dafür? Nein, für mich war diese Sache nur eine Möglichkeit, meine Musik zu präsentieren. Das ist genauso wie die viersaitige Gitarre - das ist auch kein Gimmick, sondern war für mich nur eine Möglichkeit, mich auszudrücken."

Dennoch bewegt sich Sara ja nun mal in einem Genre, in dem es um Virtuosität und die richtige Technik geht, oder? "Ich weiß nicht", schränkt Sara ein, "wenn du mich fragst, was ein guter Gitarrist ist, dann würde ich sagen, jemand der mit Herz spielt und nicht jemand, der perfekt spielt. Wenn z.B. ein Jazz Musiker ein wahnsinnig kompliziertes Solo spielt, was aber nur er in seinem Kopf verstehen kann, dann berührt mich das nicht automatisch." In der Tat: Wer Sara und Chris auf der Tour beobachten konnte, der dürfte zweierlei festgestellt haben: Sara selbst spielt ganz und gar nicht virtuos. Sie sagt z.B., daß sie ihre Gitarre eher wie einen Baß spielt. Auch wenn das ein wenig übertrieben ist, geht es in die richtige Richtung: Ihr Gitarrenspiel ist lediglich ein rhythmisches Gerüst für ihren Gesang. Die andere Sache, die bei den Konzerten auffällt, ist, daß im Falle von Chris Jones Spontaneität, Spielfreude und Situationskomik mindestens Hand in Hand gehen mit der Fingerfertigkeit. Sicher: Jones kommt offensichtlich vom Jazz und liefert all die Ingredienzen, die man von erwartet. Dazu gehört ein gesundes Maß an rhythmischem Gefühl, flinke Finger, flinke Finger, flinke Finger und halt immer die Suche nach dem richtigen Lick an der richtigen Stelle. Aber wenn Sara z.B. meint, daß sie erst jetzt in der Lage ist, z.B. einen Don McLean Song als Zugabe zu geben, weil sie endlich mal jemanden gefunden habe, der den spielen könne, dann ist damit auch gemeint, daß sich Jones an den notwendigen Stellen mal zurücknehmen kann. Indes: Obwohl Sara fast alle Stücke der aktuellen CD "Water Falls" spielte: Die ganz einfachen, folkigeren Sachen wie z.B. "Destination" fehlen dann doch. Vielleicht, weil das Publikum doch eine ganz spezifische Sara K. erwartet? "Ich bin meinem Publikum ja dankbar", verteidigt Sara dieses, "die Leute sind unglaublich loyal. Und das gute ist: Ich kann mit dieser Art Musik alt werden." Was ja z.B. mit Popmusik nicht ginge. Aber das ist ja sowieso nichts für Sara. "Die jungen Leute haben es ja nicht leicht", meint sie zu diesem Thema, "die müssen tanzen können, gut aussehen, schauspielern können - das wäre alles nichts für mich. Aber dafür brauchen sie offensichtlich keine besonders guten Songwriter zu sein..." Klar, wenn man immer noch ein Playback dabei hat, ist das ja schon einfacher. Und das gibt es bei Sara K. eben nicht. Außer einem kleinen wenig Echo auf Chris Jones' Gitarre gibt es bei Sara K. Konzerten keine Effekte. Der Versuch, es Chris nachzumachen und durch Klopfen auf der Gitarre ein rhythmisches Geräusch zu erzeugen, zeitigt nur ein trockenes "Plop" - das ist wirklich nichts, was vom Wesentlichen ablenkt.

Saras Songs sind denn zunächst auch mal für ihre Stimme geschrieben worden, so scheint es. "Die Stimme ist das wichtigste", stimmt Sara zu, "das hat mit meinen Vorlieben zu tun. Wenn ich mir z.B. eine Band anhöre, bin ich schneller gelangweilt, als wenn ich mir einen akustischen Act anhöre, wo jemand ganz genau zeigen muß, was in ihm steckt. Deswegen sind meine Songs auch alle sehr offen geschrieben, mit Pausen drin, für die Stimme und für die Vorstellungskraft des Zuhörers." Diese Pausen werden dann im Live-Vortrag auch entsprechend verwendet - zum einen für lautmalerische, Scat-artige Phrasierungen und zum anderen durch Chris Jones' Suche nach dem rechten Lick. Ab und an entwickelt sich daraus auch eine Art Frage-Antwort-Spiel zwischen seinem Vortrag und Saras Gesang. Das hält sich aber in Grenzen. Eines wird jedenfalls deutlich: Auf den Text kommt es - im Gegensatz zum Gesang - nicht unbedingt so sehr an. Saras Songs sind weniger erzählte Geschichten, als vielmehr lautmalerische Bilder. "Das bekomme ich öfter zu hören", stimmt sie zu, "und es stimmt. Ich setze nicht so sehr auf dem Folk auf, der ja für's Geschichtenerzählen steht, sondern ich schildere Situationen und Gefühle. Die Stücke sind immer sehr persönlich, so wie z.B. der Titeltrack." Wenn sich dann aber mal ein erkennbares Thema herausschält, geht es allzuoft um Bewegung - sowohl in konkreter, wie auch in imaginärer Form. Liegt das daran, daß Sara eine Amerikanerin ist? "Na, ich denke es liegt eher daran, daß ich eine rastlose Gestalt bin", meint sie hierzu, "ich liebe es, unterwegs zu sein. Das war schon von frühester Jugend an so. Ich bin auch eine richtige Nachteule...", was ein weiteres Thema von Saras Songs ist, "...sobald ich den Führerschein hatte, machte ich die Bars unsicher. Und das war eine gute Schule, weil man da lernt, um sein Publikum zu kämpfen. Heutzutage - also nach den Ereignissen des 11. September - denke ich vielleicht etwas anders über das Thema 'Sicherheit' und 'zu Hause' nach. Ich denke, es ist irgendwie wichtig, ein zu Hause zu haben. Was nicht heißt, daß ich immer dort sein muß." Ein bißchen Bodenständigkeit kommt auch zum Tragen bei Songs wie "Maggie's Dream", den Sara für ihre Mutter schrieb und dessen Ansage, der Song sei in Texas entstanden, ein falsch verstandenes Kichern im Publikum auslöst. Letzteres ist eh nicht von der Sorte, welches sich durch kesse Zwischenrufe auszeichnet. "You don't talk much, do you?" meint Sara an einer Stelle schmunzelnd. Doch nein: Hier geht es um eine Art Verehrungsveranstaltung, bei der der hohen Kunst gehuldigt wird. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es Sara manchmal ein wenig lieber wäre, das Publikum wäre lebhafter. Das ist aber eher eine persönliche Einschätzung. Im wesentlichen ist Sara K. eine integrierende, versöhnliche Figur auf der Bühne (und im Prinzip auch im Gespräch, obwohl sie nahezu darauf besteht, aus allergiebedingten Müdigkeitsgründen grummelig zu sein). Eines darf man allerdings beim Besuch eines Sara K. Konzertes nicht erwarten: Extreme Ausbrüche gleich welcher Art. Sara K. hat offensichtlich eine Nische für sich und ihre Musik gefunden und dann soll es in Gottes Namen auch recht sein, wenn das für die hehren Zwecke der Audiophilität instrumentalisiert wird. Es gibt Schlimmeres.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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