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Konzert-Bericht
 
Für das Gute im Menschen

The Jayhawks
Locas In Love

Köln, Gebäude 9
09.09.2003

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The Jayhawks
Also, all jenen, die sich wunderten, dass da schon wieder die Locas In Love im Vorprogramm einer populären US-Kapelle herumgeisterten, sei gesagt, dass die Locas (in ihrer Inkarnation als Unser kleiner Dackel) einmal einen Song mit dem Titel "Die Jayhawks sind die beste Band der Welt" geschrieben haben. Das war also in dem Fall vollkommen legitime Heldenverehrung. Und zwar eine, die auf Gegenliebe stieß: Nicht nur bedankte sich Gary Louris von den Jayhawks bei den Locas ganz ausdrücklich für deren Support, sondern widmete ihnen sogar den - ansonsten selten gespielten - Song "Smile".
Aber der Reihe nach: "Ach, so war das gedacht", war man versucht auszurufen, als die Locas ihr Set, dass wie üblich mit einigen Gassenhauern vom Kaliber "Tumbleweed" begann, mit den neuen Tracks des kommenden, geheimnisvollen Debüt-Meisterwerks anreicherten. Wir erinnern uns: Kollege Wohlfeld informierte uns ja weiland über die ersten heiteren Versuche dieser Art beim Konzert im Blue Shell. Damals haderte die Combo ja noch mit Tonart, -lage und anderen Details. In der Zwischenzeit hatte man wohl heimlich geübt und Sachen wie "In My Life", das von Gitarrist Niklas gesungene "Laura" und das von Bassistin Stephanie gesungene Stück "Superkunst" gerieten - zusammen mit einer prächtigen bitterbösen Hommage an den wilden Beach Boy Mike Love - zu den Höhepunkten des Abends. Schön auch, dass der zuweilen wortgewaltig ausufernde Frontmann Björn Sonnenberg auch mitbekommt, wenn das NICHT angebracht ist, und das dann - wie hier - unterlässt. Kritik gibt's aber auch, denn es ist einfach nicht einzusehen, warum Björn seine Effektgeräte immer mitten im Riff umschalten muss und ausgerechnet während der Soli die Gitarre stimmen sollte. Auch wenn das übertrieben ist: Da kann noch dran gearbeitet werden.

Die Jayhawks ließen dann auf sich warten - denn zum einen musste die extra wegen der Locas erweiterte Bühne zurückgebaut werden, und zum anderen sah sich der mitgebrachte Roadie beflissen, jedes Instrument unbedingt selber vorführen und wenigstens 17 Mal stimmen zu müssen. Dann begann ein denkwürdiges Ereignis. Denn als die Jayhawks das letzte Mal in Köln spielten, gab es noch das gedruckte Baby Talk Fanzine (daswelches ja bekanntlich der Vorläufer vom gedruckten Gästeliste Magazin war, an dessen virtueller Edition ihr euch gerade zu schaffen macht). Einige Jahre sind also derweil ins Land geschlichen. Das indes merkte man nun wirklich nicht - zumindest nicht musikalisch. Das hat einen ganz einfachen Grund: Die Jayhawks sind eine grundsolide perfekte Band. Denn ganz egal ob Gary & Co. nun neue Tracks wie den Opener "Stumbling Through The Dark" oder alte Klassiker wie "Blue" spielen: Da passt eins zum anderen und nichts fällt aus dem Rahmen. Anders aber, als bei vielen vergleichbaren Acts langweilt dies nicht, sondern man hat das Gefühl, ein selbsterstelltes Mix-Tape mit all seinen Lieblingssongs vorgespielt zu bekommen. (Und das bei einer Band, die niemals regelkonforme Hits hatte). Da zahlt es sich aus, dass der Kern der Truppe - neben Louris sind dies Bassist Marc Perlman und Drummer Tim O'Reagan - schon seit Jahren zusammen ist und somit traumhaft miteinander kommuniziert. Wenn es eine Band schafft, Stücke scheinbar impulsiv während des Vortrags in Tempo und Dynamik zu varieren, dann ist das schon beeindruckend. Sicherlich hilft es auch, dass die Jungs nicht herumdaddeln, sondern alle Stücke im Single-Format nach Hause bringen. Nun gut, eine Ausnahme gab es: Beim letzten offiziellen Track des Abends, dem eher rocktypischen "Sister Cry" von "Hollywood Town Hall" leistete sich Gary ein ausuferndes Gitarren-Solo mit Wah-Pedal, schmerzverzerrtem Solistengesicht und Eric Clapton Manierismen. Später schaltete gar der sehr effektiv aber betont unterschwellig agierende Neuzugang Stephen McCarthy seiner ansonsten höchst einfühlsam ausgelebten Pedal Steel Gitarre noch ein Effektgerät zu (und vertrieb dabei sämtliche Gedanken an irgendwelche eventuell fehlenden Keyboards). Das war's dann aber auch schon mit lustig. Ansonsten gab's herzzerreißende Schmachtfetzen pur. Und das ist als Lob gemeint, denn nie vermutet man bei den Jungs aus Minneapolis irgendwelches Kalkül oder gar den heutzutage ach so populären realistischen Zynismus: Die Jayhawks, so scheint es, glauben noch an das gute im Menschen und lassen das das Publikum auch spüren. Sicher, da stehen keine Komödianten oder Entertainer auf der Bühne, sondern Leute, die sich bemühen, ihre Songs einfach mit soviel Empathie wie möglich zu präsentieren. Manch einem mag das ja vielleicht zu wenig sein - für alle Anwesenden war es jedenfalls genau richtig.

Aufgelockert wurde das Set durch kleine Variationen: Tim O'Reagan durfte gleich mehrere Tracks singen (z.B. die Ballade "From Tampa To Tulsa") und erinnerte dabei mit seinem Dylan-mäßigen Tenor durchaus an Mark Olson, Stephen McCarthy griff bei "Baltimore Sun" zu einem Banjo und als besonderes Bonbon gab es eine Cover Version von Buffalo Springfields "Expecting To Fly", Dieses Stück fiel aufgrund des vertrackten Aufbaus ein wenig aus dem Rahmen, durfte aber angesichts der komplexen Harmony-Vocals durchaus als Einfluss für den Jayhawks-Sound interpretiert werden. Außerdem zeigte gerade die Wahl dieses Stückes musikalische Weitsicht: Wenn man schon Neil Young covern möchte, dann muss man nicht unbedingt "Powderfinger" spielen. Ach ja, noch eines: Einer der Gründe, warum Mark Olson damals die Band verließ - und das sagt er heutzutage ganz ohne Wehmut - ist der Umstand, dass die Jayhawks (trotz aller Verbundenheit zu traditionellen Strukturen und trotz des sehr akustisch ausgelegten neuen Albums "Rainy Day Music") vor allem eine Rock-Band sind. Auch dieser Aspekt wurde an diesem Abend deutlich - zum Beispiel bei Stücken wie dem Riff-orientierten "Take Me With You (When I'm Gone)". Das allerdings immer unter der Prämisse, dass der Song im Vordergrund zu stehen hat und dass sich bitteschön alles um die beeindruckend punktgenauen Harmoniegesänge zu drehen habe. Was übrigens auch ein Grund dafür sein mag, dass praktisch alle Jayhawks-Songs - ob Hits oder nicht - zum Mitsingen animieren. Fazit: Das war ein sehr schöner Konzertabend ohne irgendwelche Schwankungen, sondern auf einem gleichbleibend hohen Niveau. Was will man mehr?

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Surfempfehlung:
www.thejayhawks.net
www.jayhawksfanpage.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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