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Walpurgisnacht

Kosheen
Disfunction

Köln, E-Werk
29.10.2003

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Kosheen
Es ist schon seltsam, nach welchem Gusto der Gott der ausgleichenden Gerechtigkeit seine Gunst über die Kreativen dieser Welt ausschüttet. Wer hätte z.B. vorab gedacht, dass ausgerechnet eine Band wie Kosheen eine dermaßen steile Erfolgsgeschichte hinzulegen im Stande wäre? Eine Band obendrein, die auf der ersten Scheibe "Resist" vorwiegend mit der Drum'n'Bass-Ästhetik operierte und dann auf der zweiten "Kokopelli" plötzlich mit New-Wave-Rock-Elementen aufwartete? Sicher, der Über-Mega-Superhit "Catch" wird einen Teil zum Erfolg beigetragen haben - aber der war z.B. beim Konzert im E-Werk nur ein Aspekt des Geschehens auf der Bühne. Nein, Kosheen haben mehr zu bieten als bloßes Hitpotential. Dies erklärte uns auch Sängerin Sian Evans vor der Show: Kosheen sollte man unbedingt live gesehen haben - erst dann entfalte sich der volle Appeal, der z.B. Eltern gleichermaßen entgegenkommt, wie etwa ihrem 11-jährigem Sohn. Das wollten wir dann auch mal antesten. Erkauft werden musste der eigentlich angenehme Konzertabend mit einem - prinzipiell unnötigen - Auftritt des Kölner Projektes Disfunction. Disfunction - etwa 10 Leute insgesamt - machten stark rhythmisch orientierten Normal-Hip-Hop. Das war nicht unbedingt schlecht - nur in diesem Kontext auch nicht unbedingt nötig. Werten wir es mal positiv als Nachwuchsförderung.
Kosheen eilte dann ja bereits der Ruf einer ausgezeichneten Live-Truppe voraus, mehr noch in England - wo die Band mittlerweile Superstar-Status erreicht hat - als bei uns. Der reine Bühnenaufbau ließ dies nicht unbedingt vermuten: Ein Drum-Kit im Plexiglaskasten (das sollte immer skeptisch stimmen), ein einsames Keyboardgestell im Hintergrund und sonst nüscht gab's zu sehen. Ebenfalls stutzig stimmte uns, dass Sian vorab meinte, man bemühe sich, die Stücke live so wie auf Scheibe zu spielen. Hm. Dann wurde allerdings schnell klar, dass das zum Glück keineswegs zutraf und überhaupt sich die Live-Qualitäten des Acts von einer anderen Warte aus erschlossen. Der Fokus der Faszination lag nämlich ganz offensichtlich auf Sian selbst, die mit weit ausholenden Gesten und einer natürlichen Bühnenpräsenz schnell die Aufmerksamkeit auf sich - und nur auf sich - zu lenken wusste. Wer etwa Darren Decoder und Markee Substance waren, fragte bei diesem Konzert wahrlich niemand. Das war auch gut so, denn Sian ist eine geborene Performerin. Denn sie hat für das angestrebte Ambiente (das live tatsächlich sehr viel druckvoller und eben rockiger ist als auf Konserve) die ideale Tonlage: Eine kräftige Stimme mit einem angenehmen Timbre, ausgezeichneter Diktion und einer interessanten Art die Harmonien der Melodien zu paraphrasieren. Zum anderen wirkte in ihrem Vortrag - Dramatik und Pose hin oder her - nichts aufgesetzt oder künstlich. Das war schlicht gekonnt. Viele Bands würden sich nach einer solchen Frontfrau die Hände und mehr lecken!

Zur Musike kann man sagen, dass hier als bezeichnender Faktor die kontrollierte Energie zu nennen sei. Dazu gehörte, dass die Gitarre hier nicht etwa in Rockgetöse ausbrach, sondern in einem Wust von Effekten zu einer Art rhythmischen Impulsgeber wurde, während die Drums weniger einen straighten Backbeat, sondern (wie auf "Resist" zu beobachten) eben mit den Versatzstücken von Drum'n'Bass agierten. Dazu gab's dann eine - der Perfomance durchaus angepasste - Lichtdramaturgie, die das Geschehen auf der Bühne effektiv kommentierte. So richtig abheben tat die Band eigentlich stets dann, wenn Sian zusätzlich zur akustischen Gitarre griff und die eher melodischen Tracks wie "Hungry" oder "Coming Home" vom neuen Album gegeben wurden. Dann funktionierte die Mischung aus Electronics und erdverbundenen Klängen einfach am besten. Das mit dem "Erdverbundenen" ist Kosheen sowieso ein Anliegen. Und deshalb sei auch hier die Analogie der Walpurgisnacht erlaubt. Nicht, weil etwa Teufelszeug geboten wurde, sondern weil die Kräfte der Natur hier musikalisch - und eben kontrolliert - in technisch greifbare Form gezwungen wurden. Sicher auch ein Grund, warum die Tracks alle relativ simpel (und gerade deswegen memorabel) aufgebaut sind. Davon abgesehen gäbe Sian gewiss auch eine schnieke und gelenkige Hexe ab. Besonders schön wurde es dann, wenn sich die Musikanten gehen ließen und einfach mal eine Strophe dranhängten - wie bei "Crawling", zum Beispiel, das gar nicht mehr aufhören wollte. Dagegen konnten - zumindest im Live-Kontext und im relativ großen, aber nur halb gefüllten E-Werk - die Techno Sachen von "Resist" nicht wirklich anstinken. Auch wenn bei "Catch" natürlich alle lautstark mitsangen. Im Prinzip war dies also das überraschend bodenständige Konzert einer Band, die ihren eigenen Weg gefunden hat und sowohl konzeptionell wie auch kreativ die Bodenhaftung nicht verloren hat. Und das ist schlicht und einfach sympathisch.

Kosheen
NACHGEHAKT BEI: KOSHEEN

Die alte Geschichte hinter "Kokopelli", dem Charakter des aktuellen Albums, geht so: Kokopelli wurde deformiert geboren, war ständig traurig, weil niemand ihn mochte und er hat darum die Götter um Hilfe angefleht. Die Götter haben ihm dann aufgetragen, Musik in jedem noch so kleinen Dorf darzubieten, daraufhin würde das Leben dort aufblühen und alle würden ihn lieben. Also im Grunde eine Geschichte über Musik und Kommunikation, über ein Individuum, das das Leben anderer positiv beeinflusst. Darum geht es Kosheen auch. Gaesteliste.de traf Sängerin Sian Evans vor dem Konzert, um mit ihr über Natur und das Musik-Geschäft zu reden...

GL: Was für eine Rolle spielt die Natur, die Umwelt für Kosheen?

Sian: "Eine sehr große Rolle! Ich liebe es, draußen in der Natur, im Wald zu sein, die frische Luft einzuatmen und im See schwimmen zu gehen. Da ist soviel Kraft in der Natur, wir alle sind Natur, wir ziehen unsere Energie aus der Umwelt. Da ist viel Energie in unserem Album, viel Energie in Kosheen und auch in der Art, wie man Songs schreibt. Das ist alles sehr bewegend."

GL: Dann muss das Leben auf Tour ja fast eine Qual sein, wenn man nur die Venues, das Hotel und den Bus sehen kann...

Sian: "Ja, etwas schon, aber gerade Deutschland besitzt so viele Grün-Flächen - wenn wir unterwegs sind, sehe ich diese Dinge einfach, man bekommt schon recht viel davon mit. Und wenn wir z.B. einen Off-Day haben, dann fahre ich sofort raus aus der Stadt und ab in's Grüne."

GL: Wäre dies auch ein Tipp an junge Bands, die zum ersten Mal auf einer längeren Tournee sind, damit man sich nicht gegenseitig umbringt?

Sian: "Ich denke, man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man einen Job erledigt. Man kann sich einfach nicht jeden Abend komplett abschießen und Hotel-Zimmer zerlegen, denn das alles muss man selbst bezahlen! Man muss sogar den Bus bezahlen - das vergessen viele Bands, und wenn sie nach der Tour die Rechnung erhalten, ziehen sie alle lange Gesichter. Wir haben zum Glück jemanden, der immer einen klaren Kopf behält und alles für uns regelt. Und was auch sehr wichtig ist: Durchhalten! Immer weiter machen, denn Musik ist Leben! Wenn du dich für eine Karriere als Musiker entschieden hast, dann musst du es komplett durchziehen - mit allen Konsequenzen."

GL: Worauf liegt denn das Hauptaugenmerk, wenn Kosheen auf der Bühne sind?

Sian: "Ich konzentriere mich darauf, wie wir unser Material herüberbringen, besonders will ich dabei die Gefühle transportieren, die wir hatten, als wir die Songs geschrieben haben. Und ich konzentriere mich natürlich darauf, meine Beine nicht im Mikro-Kabel zu verheddern, denn das passiert mir ständig! Wenn wir live spielen, ist dort viel mehr zu entdecken, als wenn du dir die Platte zu Hause anhörst - wir benutzen ja Live-Instrumente, es kommt nicht besonders viel aus der Konserve, und es ist immer spannender, eine Band live spielen zu sehen."

GL: Neulich konnte man im Kosheen-Website-Forum lesen, dass sogar die Mutter eines Fans Gefallen an der Musik von Kosheen gefunden hatte - ist Kosheen also doch nicht nur etwas für die Kids?

Sian: "Die Songs sind im Grunde relativ simpel, und die Themen, über die ich singe, können eigentlich jeden berühren - da gibt es keine Altersbeschränkung oder sonstigen Barrieren. Ich singe nicht direkt über Teenage-Mädchen, oder über Männer, ich singe nicht direkt über etwas Bestimmtes. Es ist sehr ehrliches Songwriting, und es kann jeden Menschen berühren. Mein Großvater liebt 'Kokopelli', meine Mutter ist ein Fan der Band, ebenso mein 11-jähriger Sohn! Wir haben also bisher wohl alles richtig gemacht..."

GL: Da scheint die Presse, besonders die aus England, nicht so richtig von überzeugt zu sein, so hagelte es doch einiges an negativer Kritik in letzter Zeit...

Sian: "Ach, die können mich alle mal. Viele Journalisten hören sich nichtmal die Musik an, bevor sie ein Urteil über dich fällen - das geht mir wirklich auf die Nerven! Wenn man über Musik schreiben will, MUSS man Musik lieben! Und wenn das nicht der Fall ist, dann sollen diese Leute gefälligst damit aufhören, ihre Meinung auf andere projizieren zu wollen, denn sie wissen absolut gar nichts! Wenn du Musik nicht liebst, dann kannst du einfach kein Urteil darüber abgeben. Das sind in erster Linie diese beschissenen NME-Schreiber, die nie zu Gigs gehen, sondern nur ihre Pickel ausdrücken. Das ist mir aber komplett egal. Es geht um die Konzerte, es geht um die Reaktion des Publikums. Das ist es, was mein Leben lebenswert macht!"

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Surfempfehlung:
www.kosheen.com
www.kosheen.net
Text: -David Bluhm / Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

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