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Funny Man In The Garden

The Saints

Köln, Yard Club
10.03.2005

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The Saints
"Wir müssen was gegen diese Musik tun, die ist wirklich scheiße", meinte Marty Willson-Piper als er nach dem Soundcheck in den Backstage-Raum stürzte, um den eigens mitgebrachten Retro-DJ wachzurütteln. Dabei hatte der Tontechniker vom Yard Club doch bloß eine Steely Dan-Scheibe aufgelegt, als die Türen geöffnet wurde. Nicht dass Willson-Piper sich nicht auskennt: Ohne Punkt und Komma zählt er alle relevanten Steely Dan-Titel auf und erklärt in wesentlichen Grundzügen die Geschichte und Charakteristika der Band und deren Mitglieder. Aber: Steely Dan ist so ziemlich die Musik gewordene Antithese dessen, wofür die Saints einmal standen und auch heute noch stehen: Schweinerock und guter alter Punk, nämlich.
Ein Mal so richtig in Fahrt gekommen, ist der von The Church ausgeliehene Gitarrist dann nicht mehr zu bremsen. Zunächst beeindruckt er mit seinen Deutschkenntnissen - "Ich bin müde - vielleicht - weil ich habe kein Geld" - und dann fragt er jeden Anwesenden, ob man etwa Pot rauche. Freilich nicht, um welches anzubieten... Währenddessen ist Chris Bailey, der eigentlich Ur-Saint um Contenance bemüht und serviert Kaltgetränke. Dennoch: So ein Hauch von Rock'n'Roll kann man den Jungs nicht absprechen und die jüngeren Kollegen, z.B. Bassist Casper Wijnberg, schauen auch ein wenig ehrfürchtig drein. Dann macht irgendjemand eine aus dem Kontext gerissene Bemerkung über einen 'funny man in the garden' und Marty ist nicht mehr zu halten. "Ist das etwa eine deutsche Bezeichnung für Pot?", freut er sich, "das ist ja cool - 'funny man in the garden'." Und das Thema des Abends ist geboren. "Leute, jetzt müssen wir aber unbedingt sofort auf die Bühne", meinte Willson-Piper dann schließlich. "Wieso das denn?", fragte Bailey erstaunt zurück und schaut auf die Uhr. "Weil um halb 11 das Essen da ist", antwortet Marty und huscht nach draußen. Musik gab's dann zum Schluss auch noch. Zwar war der Zeitpunkt der Tour seltsam gewählt - die neue CD "Nothing Is Straight In My House" ist noch gar nicht erschienen - doch war dies kein wirkliches Problem. Die Hand voll Hardcore Fans, die den Weg in den Yard Club gefunden hatten, waren vermutlich auch nicht wegen des neuen Materials gekommen. Dennoch mischte sich dieses erstaunlich gut unter die alten Hits (und einige ausgewählte Favorites aus der diffusen Mittelphase der Saints). Und so gab's dann paritätisch Altes und Neues, das aber alles wie aus einem Guss klang. So ging z.B. der erste Track ("Porno Movies", der Opener der neuen Scheibe) nahtlos in "I'm Stranded" über und niemand hatte daran etwas auszusetzen. Nicht nur, aber auch, weil neue Stücke wie "Bang On" sich musikalisch kaum von dem unterscheiden, was die Jungs so um '77 rausgehauen haben. Ganz nebenbei führten die Saints auch vor, wie man ordentliche, originäre Punk Musik richtig spielt. Nämlich keineswegs so perfekt, dass Pop-Musik dabei herauskommt (was ja bei neuen Punk Bands oft üblich ist), sondern schön schmutzig mit Warzen, Haken und Ösen. Dabei ist das fast schon ein Kunststück, denn Marty Willson-Piper ist ja, wie sein Kumpel Steve Kilbey einmal ganz richtig im Interview festhielt, im Laufe der Jahre durchaus ein virtuoser Gitarrist geworden. Heuer zählte aber weniger die Finesse, sondern die rohe Kraft, die hinter Stücken wie "Perfect Day" oder "Know Your Product" immer schon gestanden hatte. Aber wie gesagt, das neue Material kann hier locker mithalten, auch wenn dieses stilistisch auch schon mal ein wenig vom schroffen Durchmarsch abweicht (Stichwort "Schweinerock" wie z.B. im Falle von "A Madman Wrecked My Happy Home").

Traurige Balladen - das Markenzeichen von Bailey in der Nach-Saints-Zeit - blieben weitestgehend außen vor, weil das Publikum auch bei den Zugaben nach Rock'n'Roll verlangte. Zuvor gab's aber noch eine Spaß-Geschichte. "Leute, das ist doch nicht der Madison Square Garden", stellte Bailey gegen Ende fest, "lasst uns doch einfach 'River Deep Mountain High' zum Spaß spielen." Gesagt getan. So schön hingehunzt hat diesen Klassiker dann auch schon lange niemand mehr. Dazu gab's Bailey ohne Gitarre als Crooner. Nachdem die Herren sich dann bei den Zugaben arg lange bitten ließen - Marty Willson-Piper hatte wohl einen 'funny man in the garden' gefunden - gab's dann doch noch traurige Balladen. Allerdings von der ganz harten Tour: "Momma Marry Me", improvisierte Bailey einen Unsinns-Text zu ein paar Moll-Akkorden, "Momma dismember me, lay me over your knee. And when my examination comes I hope I do too..." Nun ja, zum Glück gab's dann doch noch ein, zwei Rausschmeißer. Fazit: Die Saints 2005 sind erstaunlicherweise weiter von einer Oldies Kapelle entfernt, als dies im Vorfeld jemals möglich erschienen wäre, (immerhin veröffentlichte Chris Bailey zwischendurch einige alles andere als berauschende Scheiben) und scheinen mit dem neuen Material zu alter Frische zurückgefunden zu haben. Als dann noch einige Fans zum Autogramme-Sammeln aufliefen, war Bailey kaum noch zu bremsen. "Möchtest du auch ein Poster?", fragte er, "ein T-Shirt? Hast du die neue Scheibe schon? Unser Tourmanager könnte sie für dich stehlen." Dann rief er dem besagten Tourmanager sicherheitshalber noch hinterher, bloß keine von Martys Solo CDs zu stehlen. Also: Wer zu einem Saints-Konzert geht, sollte sich unbedingt persönlich vorstellen. Es könnte sich lohnen. (Musikalisch tut's das sowieso.) In diesem Falle wäre es echt mal interessant gewesen, was wohl Ed Kuepper zu dieser Inkarnation seiner ehemaligen Band gesagt hätte.

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Surfempfehlung:
www.saintsmusic.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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