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Konzert-Bericht
 
Tom Liwa über Spiegeleier und Superfans

Low

Köln, Gebäude 9
14.03.2001
Low
die schweine bei den großen plattenfirmen und in den werbeagenturen haben ein gesetz, das sich die-sieben-punkte-regel nennt. dieses gesetz besagt, dass man (in aller regel) als teil der potentiellen zielgruppe eines produkts nach sieben berührungspunkten mit diesem produkt kurz davor steht, es zu kaufen. hier ein plakat, da eine anzeige, dort eine erwähnung in einem nebensatz. mitgeschleift ist also nicht das richtige wort für was ich zum low-konzert wurde. die eigenartige faszination dieser band fängt allerdings bei der tatsache an, dass keine werbestrategen meine berührungen mit ihr konstruierten. ehrlich gesagt: ich habe nie einen verfassten text über low gelesen, kannte ihre musik nur vom nebenbeihören bei freunden und hatte vor dem abend in köln auch nie ein plakat, geschweige denn ein foto von ihnen gesehen. demnach ist alles, was ich über low weiß, entweder mein ganz persönliches wissen oder tradierte mythenbildung. ein sms von fruka, ein telefonat mit florian und eins mit stefan claudius: punkte 5, 6 und 7 auf meinem direktem weg zu einem wirklich feinen produkt...
Low
es ist irgendwas vor zehn. ich steh als teil eines ziemlich sympathischen publikums (authentisch gut aussehende nerds von anfang zwanzig bis zu meiner generation) in der halle des gebäude 9, lass meinen blick mal über die noch leere bühne, mal durch die größer werdende menschenmenge schweifen und mach mir amateurhaft popkulturhistorische gedanken. was denkt wohl helmut langer über die generation golf? nick ist hier allgegenwärtig. still ist hier cool und cool schon lange nicht mehr das wort. übrigens treffe ich meine band (was seltener vorkommt, als man denken sollte). gemeinsam schauen wir zur bühne und lächeln angesichts der unausgesprochenen erkenntnis, dass auch wir eine band sind, die auf bühnen spielt. till kommt direkt aus dresden und erzählt von durchgeknallten versicherungsvertretern und alleinerziehenden müttern im intercity. es läuft die neue tortoise - wartezimmerdub. low sind mormonen. sängergitarrist und schlagzeugerin sind seit dem kindergarten verheiratet, haben ein zwölf monate altes baby (auf der letzten tour - sie war schwanger - durfte das publikum nicht rauchen. heute werden verschiedenste sachen geraucht und das baby schläft schon ). was genau sind nochmal mormonen? eine prinzipiell christliche sekte mit stammsitz in salt lake city / usa, die, gelinde gesagt, den zeugen jehovas in missionarseifer in nichts nachsteht. eine sekte, in die man nicht reingeboren wird und sie dann unreflektiert wie einen leberfleck mit sich rumträgt. wollen die was von mir? beten wir zum selben gott unter dem selben mond? und vor allem: spielt das irgendeine rolle? mein orangensaft ist leer und ich steck das glas in die manteltasche. helmut langer hätte es vermutlich irgeneiner person überreicht, die in seiner nähe stand.

ich weiß nicht, wie die stücke heißen! ich erkenn auch keine feinen unterschiede in der interpretation! ich steh hier unter superfans, die alles, alles erkennen und grade emotional völlig hinüber sind von etwas, das ich nur als liebe bezeichnen kann. zwischendurch frag ich mich, ob ich überhaupt eine berechtigung habe, hier zu sein, was ich (wie ich ganz genau weiß) nicht tun würde, fände ich dieses konzert nicht wunderwunderschön. ich werde nicht in den arm genommen, ich krieg höflich einen stuhl angeboten, auf dem auch noch ein heft mit anweisungen liegt: achte auf die konzentration, auf den unvergleichlich traumwandlerischen gesang, das alles hier handelt von stolz und würde - liebe ist selbstverständlich geworden. das baby schläft schon - deswegen spielen sie diesen part so leise, dass ich hören kann, wie mein nachbar sich an die jacke greift... achte auf den lärm, der immer da ist und schließ das alles verdammt nochmal in dein herz! ich mach hinter jedem satz einen haken, werde immer kleiner und dünner, bis ich kurz davor stehe zu verschwinden. zwischen liedern, wenn er seine gitarre stimmt, kratzt sie sich mit dem besen am arm. für mich anlass zum höhenflug: nehmen wir an, du machst dir ein spiegelei. ein richtig leckeres spiegelei und du stehst in der küche mit dem pfannenheber in der hand. du weißt, wie lecker es sein wird, das spiegelei. aber egal, wie lecker es sein wird, du hast keinen grund, die dreißig sekunden die es jetzt noch braucht, aufgeregt zu sein. alles ist wie es ist und gleich ist das essen fertig. das ist low: kein tiefpunkt sondern der boden unter den füßen. laut oxford advanced learners übrigens auch das muhen der kuh...

Low
in berlin sollen sie witze erzählt haben, in amsterdam waren sie angeblich nicht so gut drauf. in köln wird nicht viel geredet aber sie wirken, bis auf mutter (stillt sie noch?) ausgeschlafen. nach dem konzert, beim abbauen, stehen grüppchen von höflichen superfans um alle drei herum. gleichgroße grüppchen fast. einer, der jedes lied mitgesungen hat, zeigt mimi fotos. mein grafiker versucht zak, den bassisten dazu zu überreden, ihm ein alphabet aufzumalen. er weigert sich mit dem argument, dass er möchte, dass seine handschrift eines tages mit ihm stirbt. ich treffe susi von ralley, ähnlich hier reingerutscht wie ich und ähnlich verzückt. im vorraum läuft ein boxkampf im fernsehn. meine band ist schon weg. stefan und carsten reden auf der rückfahrt viel superfanzeug. ich telefoniere zuhause noch lange mit einer person, die ein ähnliches verhältnis zu spiegeleiern und low hat wie ich. bin mit mir im reinen! ich werde das verfolgen!
Text: -Tom Liwa-
Fotos: -Stefan Claudius-


 
 

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