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Konzert-Bericht
 
Alte und neue Helden

Escapado
Joan Of Arc/ The Love Of Everything

Hamburg, Hafenklang
21.11.2010
Escapado
Sonntagabend, Hafenklang. Hamburgs inoffizielles Hauptquartier für Punk- und Hardcore-Konzerte. Gut gefüllt, einige bekannte Gesichter. Trotzdem ist dem Großteil des Publikums deutlich anzusehen, dass er mehrheitlich wegen der alten neuen deutschen Post-Hardcore-Helden Escapado gekommen ist: Viele T-Shirts der Flensburger, auch der niedrige Altersdurchschnitt lässt darauf schließen. Dabei können Joan Of Arc aus Chicago schon fast als Legenden des 90er Jahre Emos und Indierocks gelten. Und möglicherweise haben auch Escapado die eine oder andere Platte von ihnen im Schrank stehen. Ein wenig schade ist es jedenfalls schon, dass nur noch wenige die großen Joan Of Arc zu kennen scheinen.
Doch zunächst zu The Love Of Everything, die den Abend eröffnen. The Love Of Everything ist das Soloprojekt von Bobby Burg, seines Zeichens seit 2004 Bassist bei Joan Of Arc. An diesem Abend wird er am Schlagzeug von Tim Kinsella, Joan Of Arcs Mastermind und Sänger begleitet. Das Projekt bewegt sich zwischen leisen und nachdenklichen Folkballaden und wütendenen Punk-Ausbrüchen. Dabei spielt Burg Riffs auf seiner Gitarre ein, nimmt diese mit einem Loop-Gerät auf, nur um dann eine neue Schicht darüberzuspielen, zu loopen und wieder von vorne zu beginnen. So türmt er schrittweise den Klang einer ganzen Band auf und Kinsella und Burg liefern die Überraschung des Abends: Bereits mit vielen Vorschusslorbeeren versehen übertreffen die beiden alle Erwartungen und spielen eine fulminante Show. Krönender Abschluss ihres viel zu kurzen Sets ist ein Joan Of Arc-Cover. Burg geht wie beschrieben vor - plötzlich singt er jedoch in die Saiten seiner Gitarre, lehnt diese an den Verstärker und lässt sie nachklingen - und loopt diesen tollen Effekt. So bildet er seinen eigenen hypnotischen Background-Chor und spielt den Song nur mit Gesang und Schellenkranz zu Ende: Phänomenal.

Nach kurzer Umbaupause betreten Joan Of Arc die Bühne - was in Deutschland leider viel zu selten passiert. Wenngleich möglicherweise nicht allzu viele der Anwesenden mit den Namen Joan Of Arc, Kinsella und Victor Villareal etwas anfangen können - im Laufe ihres Sets erspielt die Band aus Chicago doch regen Zuspruch. Dabei zeigen sie, warum sie schon immer als Vorreiter und Kreativköpfe im so kontrovers diskutierten Emo-Genre waren: Ihre Songs sind experimentell, frickelig, stark dem Post-Rock zugewandt, mit vielen Tempowechseln und teilweise minutenlangen Instrumentalpassagen. Kinsella singt kaum bis gar nicht, Joan Of Arc entfalten die ganze Kraft ihrer hypnotischen Songs. Allerdings kennt niemand im Hafenklang auch nur ein einziges Stück. Kinsella bestätigt gegen Ende des Konzerts die Vermutung, dass es sich um ausschließlich neue Stücke handelt, die es auf Tonträgern noch gar nicht gibt. Das neue Album soll übrigens mit der Hardcore- und Indie-Ikone Steve Albini aufgenommen und produziert werden. Das geht jedoch nur, wenn bis Dienstag 8.500 Dollar eingenommen werden. Also schnell noch auf untenstehen Link klicken, spenden (bzw. Alben kaufen) und mithelfen. So ist Joan Of Arcs Auftritt letzten Endes nur teilweise etwas für Nostalgiker - trotzdem war er sehr sehr gut. Auf das neue Album darf man sich jedenfalls freuen. Und Tim Kinsella und Victor Villareal, die Anfang der 1990er Jahre zusammen bei den legendären Cap'n Jazz spielten, noch einmal gemeinsam Musik machen zu sehen, ist das Eintrittsgeld schon alleine wert.

Aber dann kommt ja noch Escapado. Nach den eher gemütlichen Klängen der beiden "Vorbands" geht es natürlich sofort aufs Tempo. Leider ist der Sound, der eben noch okay, wenngleich ziemlich laut war, plötzlich ein wenig breiig. Escapado machen sich jedoch nichts draus und bauen trotzdem von Beginn an ordentlich Druck auf. Sänger Felix, der für das hervorragende neue Album "Montgomery Mundtot" vom Bass ans Mikrophon gewechselt ist, brüllt sich die Seele aus dem Leib und schlägt sich dabei sehr sehr gut. Auch die älteren Stücke wie die Hits vom Vorgängeralbum "Initiale" wie "Verbindung", "Geschient" oder "Coldblackdeathbloodmurderhatemachine", die noch mit Helge Jensen aufgenommen wurden, bringt er mehr als ordentlich über die Bühne. Escapado waren durch die vielen personellen Änderungen im Bandgefüge in den letzten Jahren vielleicht angezählt - doch jetzt sind sie zurück und vielleicht sogar stärker als je zuvor. Das merkt auch das Publikum und hat zusammen mit der Band einen Heidenspaß. Es bildet sich eine gemütliche kleine Moshpit vor der Bühne, die Texte der Flensburger werden euphorisch mitgesungen/-geschrieen/-gebrüllt und die Hand wird zur Faust. Das sieht gut aus, klingt gut, und gefällt auch der Band. Die Flensburger brettern durch ihr Set und spielen natürlich vor allem die Songs von neuen Album. Das tut der Show und der Euphorie im Publikum jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil: Die Crowd feiert die wiedererstarkten Escapado und ihr neues Machwerk. Und auch nach allen Veränderungen und Rückschlägen gilt: Nur wenige deutsche Kombos bringen eine derartige Präsenz und Power auf die Bühne, wie Escapado es tun. Selbst wenn alle anderen deutschen Post-Hardcore-Bands großzügig zusammenlegen würden - gegen Escapado könnten sie trotzdem noch einpacken.

NACHGEHAKT BEI: ESCAPADO

Anschließend beantwortete uns Felix von Escapado noch einige Fragen zum aktuellen Album "Montgomery Mundtot" und zur aktuellen Befindlichkeit in der Band:

GL.de: Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen eures neuen Albums?

Felix: Der wichtigste Einfluss war wohl die personelle Umstrukturierung und das, was diese in den Köpfen der Bandmitglieder bewirkt hat. Durch zwei neue Charaktere sind zum einen natürlich ganz neue Klangfarben entstanden, klar. Aber man musste sich vorher auch mit vielen existentiellen Fragen auseinander setzen im Sinne von: "Welchen Weg wollen wir jetzt eigentlich gehen?" Das kann bei vielen Bands lähmend wirken oder eben gleich die Auflösung bedeuten. Wir sind alle schon ein wenig ehrgeizig; uns hat das "auf die Fresse fliegen" letztendlich eher angespornt. Die Thematik von "Montgomery Mundtot" kam erst mit dem Schreiben der ersten Texte auf. Uns war zuerst gar nicht bewusst, dass die Themen der ersten Songs stark verwandt waren. Ab diesem Zeitpunkt mussten wir die Einflüsse aber nicht mehr krampfhaft suchen. Das Phänomen des Schweigens ist schließlich allgegenwärtig, man muss nur genauer "hinhören".

GL.de: Warum sollte jeder euer neues Album kaufen?

Felix: Wir sind keine guten Verkäufer. Wir können nur sagen, dass wir an das glauben, was wir tun. Man macht ja immer die Musik, die man selbst auch am liebsten hören würde. Und normalerweise kann man als Musiker spätestens nach vier Monaten sein eigenes Album nicht mehr hören. Aber das trifft hier nicht zu. Ich höre das Album immer noch verdammt oft und bin davon selbst ein wenig überrascht. Promotion ist in erster Linie dafür da, damit die Leute wissen, dass es eine Band überhaupt gibt. Der Rest der Musik ist demokratisch, insofern fallen mir kein anderes Verkaufsargument ein als "also wir finden die Platte super!"

GL.de: Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?

Felix: Musikalische Freiheit; Leute, die hinter uns stehen und uns unterstützen; auf Tour gehen können und von Menschen nach dem Konzert zu hören, dass sie es geil fanden.

GL.de: Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

Felix: "Zombie" von den Cranberries fand ich schon immer grausig.

GL.de: Wer - tot oder lebendig - sollte auf eurer Gästeliste stehen?

Thees Uhlmann.

Surfempfehlung:
www.escapado.com
www.myspace.com/escapado
de.wikipedia.org/wiki/Escapado
www.joanfrc.com/joanofarc.html
www.myspace.com/joanfrc
de.wikipedia.org/wiki/Joan_of_Arc
http://www.kickstarter.com/projects/770169807/help-joan-of-arc-record-our-new-album-with-steve-a
www.joanfrc.com/loveofeverything.html
www.myspace.com/loveofeverything
de.wikipedia.org/wiki/Love_of_Everything
Text: -Felix Maliers-
Foto: -Pressefreigabe-

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