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Konzert-Bericht
 
Besser als Karstadt

Hugh Cornwell

Essen, Grend
25.09.2011

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Hugh Cornwell
Zugegeben, ein wenig hat man ja immer ein ungutes Gefühl, wenn alte Helden, die früher große Hallen gefüllt haben, 20 Jahre nach ihren letzten zählbaren Charterfolgen durch die Provinz tingeln und selbst dort nur noch ein handverlesenes Publikum anziehen. Doch auch wenn Hugh Cornwell sichtbar in die Jahre gekommen ist - kein Wunder, der Mann ist immerhin inzwischen 62! -, bewies der Auftritt im Essener Grend, dass die künstlerische Antriebskraft, die den früheren Frontmann der britischen Punk-Institution The Stranglers einst anstachelte und ihn beflügelte, in den zwei Jahrzehnten als Solist eigene Wege zu gehen, immer noch in ihm lebendig ist. Und: Es geht ihm um die Musik und sonst nichts.
Als sein auch fürs Licht zuständiger Tourmanager bei den ersten Songs die Band in eine bunte Lightshow taucht, beordert Hugh ihn zur Bühne, um ihn wissen zu lassen, dass das Geflacker doch bitte aufzuhören habe, und weiß solle das Licht sein! Auch sonst ist der Auftritt frei von jeglichem Ballast. Angetreten in klassischer Power-Trio-Formation mit Gitarre-Bass-Schlagzeug präsentiert der Brite einen Querschnitt durch sein 35-jähriges Schaffen, orientiert sich so und technisch dabei aber vor allem am schnörkellosen Retro-Sound seiner aktuellen, als Free-Download erhältlichen Studioplatte "Hooverdam", die mit Produzent Liam Watson in dessen komplett analogem Londoner Toe-Rag-Studio (wo in der Vergangenheit auch Künstler wie Billy Childish, Holly Golightly, The Datsuns, Television Personalities oder sogar die White Stripes auf der Kundenliste standen) eingespielt wurde. Sprich: Bei "Toiler On The Sea" (aus dem 1978er-Stranglers-Album "Black And White") und der Jimi Hendrix-Hommage "Wrong Side Oft The Tracks" aus Hughs aktuellem Solowerk, die das Konzert in Essen eröffnen, darf es ebenso angenehm scheppern wie beim als letzte Zugabe gespielten, unkaputtbaren Klassiker "Hanging Around". Überhaupt hält Hugh das Energielevel während der 80-minütigen Show sehr hoch. Für lange Ansagen ist genauso wenig Platz wie für viele ruhigere Momente. Durchaus aus gutem Grund: "Always The Sun" und "Golden Brown" sind zwar nominell die größten Hits des Sets, doch die Ausflüge auf Pop- bzw. Balladen-Terrain gelingen Hugh und den Seinen nicht annähernd so gut wie die krachigen Nummern à la "Rain On The River" oder "Going To The City", und was kann man einem Altgedienten Schöneres attestieren, als dass seine neuen Werke die alten in den Schatten stellen?

Vor der Zugabe, bei der Bassistin Caroline Campbell, die gemeinsam mit Drummer ChrisBell die Band ergänzt, für "Princess Of The Streets" ans Mikro darf, liefert sich Hugh auch noch einen netten Schlagabtausch mit dem Publikum. Die Zuschauerwünsche "Peaches" und "Nice 'n' Sleazy" verweigert er mit dem augenzwinkernden Hinweis auf seine mit Hits gespickte Vergangenheit: "Wir können sie nicht alle spielen - oder zumindest würde es sehr, sehr lange dauern, und ihr müsst doch bestimmt morgen alle zur Arbeit!" Auch das Merchandise preist er auf humorvolle Art an. Beim Kauf einer CD bekäme man ein T-Shirt für nur 5,00 Euro, lässt er uns wissen und hat auch einen Old-School-Vergleich parat, um das gute Preis-Leistungs-Verhältnis zu unterstreichen: "Das ist besser als Karstadt!" Stimmt. Denn die in Sichtweite des Grend gelegene Karstadt-Filiale ist seit Jahren geschlossen, das Feuer, das in Hugh Cornwell brennt, ist dagegen noch lange nicht erloschen.

NACHGEHAKT BEI: HUGH CORNWELL

Vor dem Konzert im Grend hatten wir die Gelegenheit, kurz mit Hugh über das Ergreifen von Chancen, neue Vertriebswege, kurze Aufnahmesessions und die Herausforderung, alten Songs neue Seiten abzugewinnen, zu sprechen.

GL.de: Trotz eines randvollen Konzertkalenders und deiner Tätigkeit als Buchautor findest du immer wieder Zeit für kleine Nebenbeschäftigungen wie zuletzt den Gastauftritt auf dem aktuellen The Posies-Album "Blood/Candy". Des Geldes wegen machst du das ja ganz sicher nicht?

Hugh Cornwell: Richtig, ich hab das unentgeltlich gemacht. Wir haben gemeinsame Freunde und ich habe nach ihnen im gleichen Studio in Spanien gearbeitet. Es ist toll, auf diese Weise Menschen kennenzulernen. Wenn sich mir solche Gelegenheiten bieten, ergreife ich sie immer!

GL.de: Wenn du vom Ergreifen von Chancen sprichst - ist das der Hauptunterschied zwischen deiner heutigen Herangehensweise und früher?

Hugh Cornwell: Ja, ich denke, das kann man so sagen. Ich lasse den Dingen heute einfach ihren Lauf. Wenn sich die Gelegenheit zu einer Kollaboration ergibt, sage ich nie Nein! Welche Nachteile sollte ich dadurch haben? Es gibt keine!

GL.de: Zuletzt hast du auch nach alternativen Vertriebsmöglichkeiten für deine Musik gesucht. Dein letztes Studioalbum "Hooverdam" gab es als kostenlosen Download auf deiner Webseite, das nächste, "Totem And Taboo", wird von den Fans vorfinanziert werden...

Hugh Cornwell: Das waren Gelegenheiten, etwas Neues auszuprobieren. Im Falle des kommenden Albums ist es so, dass die Menschen, die meine Musik mögen, eine Chance haben, bei der Produktion mitzuhelfen, was wundervoll ist, denn sie dürfen sich so viel mehr eingebunden fühlen, und wenn die Platte fertig ist, gehört sie mir - und nicht irgendeinem Label! Ich habe die komplette Kontrolle über das Projekt.

GL.de: Schließt sich da der Kreis? Immerhin hast du in einer Zeit angefangen, als der Independent-Gedanke im Musikbusiness erst richtig aufkam.

Hugh Cornwell: In gewisser Weise stimmt das, aber ich sehe es nicht als Rückkehr zu den Anfängen, schließlich bringe ich jetzt die Erfahrung all der Jahre dazwischen mit. Es ist gewissermaßen ein Neuanfang, aber einer mit viel Erfahrung!

GL.de: Teil der Erfahrung scheint zu sein, dass du heute viel Wert auf schnelles Arbeiten und einen sehr direkten Sound legst...

Hugh Cornwell: Absolut! Ich habe eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne, Dinge langweilen mich sehr schnell. Eigentlich ist das eine meiner Schwächen, aber ich versuche, etwas Positives daraus zu machen. Früher habe ich oft sechs Monate an einer Platte gearbeitet, "Hooverdam" dagegen entstand innerhalb von zehn Tagen, da konnte keine Langeweile aufkommen! Ich habe das so sehr genossen, dass wir "Totem And Taboo" ebenfalls wieder in zehn Tagen aufnehmen werden. Auf diese Weise ähneln die Platten eher Gemälden. Sie sind ein Momentaufnahme.

GL.de: Für deine aktuellen Live-Shows spielst du nicht nur deine neuen Songs, sondern natürlich auch eine Menge alter Nummern. Ist das für einen stets nach vorn blickenden Künstler wie dich nicht mitunter langweilig?

Hugh Cornwell: Nein, denn manche sind echte Herausforderungen! Manchmal spielen wir "London Lady" als Zugabe, das ich ja damals im Original gar nicht gesungen habe, und wenn wir "Princess Of The Street" spielen, singt Caroline es! Das ist dann wie ein neuer Song. Immer wieder nur das Gleiche zu machen, wäre mir aber in der Tat zu langweilig!

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Surfempfehlung:
www.hughcornwell.com
www.hughcornwell.com/download.php
www.pledgemusic.com/projects/hughcornwell
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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