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Eisige Grüße aus Island

Iceland Airwaves 2011 - Tag 1

Island, Reykjavík
13.10.2011

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Raised Among Wolves
Sechs Tage lang sind wir durch den faszinierenden, eisigen Norden Islands gereist, haben Wale (naja: einen), Seerobben (ebenfalls: eine), die echten Dimmuborgir (schwarze, Burg-artige Lavaformationen) gesehen, in heißen Quellen gebadet und uns in den Schwefelschwaden von (Mini-)Vulkanen räuchern lassen. Nach dem echten Abenteuer im isländischen Outer Rim nun das nächste, etwas andere Abenteuer: Iceland Airwaves 2011, "the hippest long weekend on the annual music-festival calendar" (Rolling Stone). Und wir mitten drin: Fünf Tage Reykjavík, 220 Bands und Künstler, Europas schönstes Club-Festival. Nachdem wir uns am ersten Festivaltag noch irgendwo in Island rumgetrieben hatten, stand am Donnerstag unser Tag 1 des Iceland Airwaves 2011 an.
Um das Festival zu begreifen, muss man einige Dinge wissen:

1. Reykjavík ist mit knapp 120.000 Einwohnern sehr klein. Im Vergleich zu Hamburgs Reeperbahn Festival fühlt Iceland Airwaves sich daher auch so an, als nehme es die ganze Stadt in Beschlag.

2. Jeder kennt jeden: Weil Island und Reykavík nur so klein sind, spielt jeder mindestens in drei Bands. Auf der Straße rennt man andauernd in Jónsi, mindestens einen der FM-Belfast-Arnís, GusGus oder Ólafur Arnalds.

3. Das Festival findet zwar praktisch überall in Reykjavík (Kirche, Schwimmbad, Plattenladen, das frisch fertiggestellte Opernhaus Harpa) statt, hauptsächlich aber im hippen Szeneviertel 101 Reykjavík. Daher ist das Publikum sehr jung und stylisch - bei jungen Damen gerade besonders angesagt: Parkas der "German Bundeswehr".

4. Es ist Island, es ist Mitte Oktober, es ist saukalt.

5. Beim Festival gibt es "Venues" für das Abendprogramm, hauptsächlich Clubs, in denen die Haupt-Gigs der größeren Acts stattfinden. Zusätzlich gibt es sogenannte "Off-Venues": Unzählige Bars, Cafés, Buchläden, Hostels etc., in denen insbesondere nachmittags überall Bands auftreten. Einige Künstler spielen über das Wochenende verteilt bis zu sechs mal, sodass man eigentlich kaum etwas verpasst.

Den intimen und freundschaftlichen Charakter der isländischen Musikszene konnten wir gleich nachmittags erleben, nachdem wir ins Hresso, eigentlich eine ziemlich uncoole Sportsbar, gestolpert waren. Im Innenhof fand ein Morr Music-Special statt, das Borko, der nette Onkel der hiesigen Musikszene (u.a. tätig auch bei Seabear, Múm und FM Belfast) etwas ungeplant eröffnete. Der ursprüngliche Start-Act, Sóley, war nämlich einfach nicht aufgetaucht - doch dazu später mehr. Borko bot mit seinem gemütlichen Folk-Rock mit Akustikgitarre einen angenehmen Einstieg in das Festival. Der bärige Songwriter brachte die immer zahlreicher werdenden Gäste mit seiner Band - natürlich in den typischen Island-Pullis - zum sanften Schunkeln und langsam anschwellendem Bierkonsum. Das Finale des Aufritts, geriet vor allem durch den gekonnten Einsatz von Trompete, Horn und Posaune herrlich episch.

Kurz darauf betraten die Elfen von Pascal Pinon die Bühne. Mit Akustik- und E-Gitarre, Keyboard, Bass und Xylophon gaben die sympathischen vier jungen Damen ihre zarten Pop-Miniaturen zum Besten. Die Songs verhuscht, die Ansagen schüchtern, wurde hier voll auf das Thema Niedlichkeit eingezahlt. Das war durchaus nett, wurde gegen Ende aber etwas durchschaubar.

Dann betrat mit einiger Verspätung doch noch Sóley (ebenfalls Mitglied von Seabear und Sin Fang) die Bühne, die erst kürzlich ihr Solodebüt "We Sink" auf Morr Music veröffentlicht hat. Ihre Entschuldigung für die Verspätung fiel ganz einfach aus: Sie war noch bei der Arbeit und hatte ihren Auftritt schlicht vergessen - so ist das eben in Island. Auch während ihres Gigs schien sie leicht verwirrt bis durchgeknallt, aber dadurch nicht minder sympathisch. Ihr vertrackter Piano-Pop ist - nicht zuletzt durch ihre ausgezeichnete Stimme - an sich schon spannend. Wirklich interessant wurde es aber, als Sóley sich selbst mit einem Loop-Gerät ihren eigenen Background-Chor stellte und Beats "einsang". Durch ihren hervorragenden Schlagzeuger, der Minuten zuvor noch Morr Music-Merchandise verkaufte, erhielt der Auftritt aber nochmal einen besonderen Reiz.

Als krönender Abschluss des Nachmittags stand schlussendlich Sin Fang, alias Sindri, Frontmann von Seabear, auf der Bühne. Lakonisch wie immer modererte er durch seine von melodischem Indiepop geprägte Show. Nebenbei klingelte mal kurz sein Handy: Sindri bat den Anrufer per Mikro einfach aufzulegen, da der- oder diejenige vermutlich eh im Publikum stand. Die Band präsentierte vor allem neue, druckvolle Songs, die durchweg überzeugten. Der ebenfalls angereiste Label-Chef Thomas Morr war jedenfalls sichtlich zufrieden mit einigen seiner interessantesten isländischen Acts.

Gleich im Anschluss durften wir einem tollen Auftritt von Raised Among Wolves im leider viel zu leeren Tjarnabio - einem Kino - beiwohnen. In ihren einheitlichen "Wolfskind"-Pullis boten die sechs sympathischen jungen Dänen eine wuchtige Folkrock-Show mit jeder Menge Percussion, die eines der ersten Highlights des Festivals darstellte. Schön zu sehen war vor allem, wie viel Freude die Band bei ihrem Auftritt hatte - ein Gefühl, das sich automatisch auf das Publikum übertrug.

Eines der wichtigsten Venues beim Iceland Airwaves ist der stylische Club NASA. Hier erlebten wir noch die letzten paar Minuten von Lára Rúnars - laut Veranstalter angeblich der nächste isländische Star vom Kaliber Emilíana Torrinis oder Björks. Vom Gesehenen her ist diese Einschätzung noch nicht ganz nachzuvollziehen: Das Ausgefallenste an ihrem Auftritt war die merkwürdige Jacke, die die junge Dame trug. Eigentlich waren wir aber wegen Young Galaxy aus Kanada ins NASA gekommen. Auch diese hatten sich herausgeputzt: Die Band war ganz in Weiß gekleidet, während Sängerin Catherine McCandless ein wallendes, weißes Gewand mit Federschmuck und Gesichtsbemalung trug. Mit ihrer Band bot McCandless einen bemühten Auftritt, doch leider sprang der Funke nicht über. McCandless Performance geriet vielleicht auch ein bisschen zu exaltiert - stellenweise fühlte man sich an Céline Dions berühmt-berüchtigtes "Titanic"-Video erinnert. Leider spielte die Band auch ausschließlich neuere Stücke inkl. ihres Hits "Cover Your Tracks", die zwar schneller, dafür aber auch deutlich unterkühlter sind.

Daher wechselten wir noch schnell rüber ins nahegelegene Idno (eigentlich ein Nobelrestaurant), um uns von den Qualitäten von Caged Animals aus den USA zu überzeugen. Kurioserweise traten auch diese ganz in Weiß auf, wussten im Gegensatz zu Young Galaxy jedoch mit ansteckendem Enthusiasmus und einer ordentlichen Portion Selbstironie zu begeistern. Frontmann Stephen Ramsay ist offensichtlich ein ziemlich verrückter Vogel, dem auf der Bühne keine Grimasse zu peinlich ist. Mit einer Mischung aus Synthie-Pop, wilden Indierock-Riffs und Computer-Beats aus den 80ern, vor allem aber durch Ramsays wilde Show inkl. Rollenspiel und Konfetti-Kanonen brachte die Band das Publikum zum Feiern. Tipp!

Gleich im Anschluss konnten wir dann ein zweites Mal Sin Fang sehen - diesmal in einem großen Saal und vor noch größerem Publikum. Leider musste die Band aus Zeitgründen auf einige Songs verzichten, sodass im Grunde die gleiche Setlist wie schon am Nachmittag herauskam - ein Umstand, von dem dem Sänger Sindri sichtlich genervt war, was die Qualität des Auftritts ein wenig trübte. Sindris Stimmung trübte aber vor allem sein ständig einknickender Mikrofonständer, der offensichtlich "sein Leben zu ruinieren versucht" - typisch isländischer Humor eben.

Als Abschluss unseres ersten Festivaltages konnten wir uns dann trotz meterlanger Schlangen noch einmal ins NASA mogeln. Hier gab es nun Yacht aus den USA zu sehen - und die feierwütige Meute war bereit. Man kann von Yachts Hype-Status und ihrem dritten Album halten, was man will - live gab's hier nichts zu meckern. Ihr Publikum hatten Jona Bechtolt und Claire Evans (in einem rattenscharfen, weißen Bodysuit) mit ihrem Discopunk voll im Griff. Unter einem riesigen, projezierten Dreieck legten die beiden eine wilde Choreografie aufs Parkett und ließen in einer kleinen Fragestunde auch das Publikum zu Wort kommen, das sich daraufhin gemeinsam mit der Band auf die Suche nach der "meaning of life" machte. Die Antwort, so scheint es nach gestern Nacht, ist eine wilde Dance-Party hoch oben im Norden Europas. Erschöpft aber glücklich freuen wir uns auf Tag 2.


Weiter zum 2. Teil...

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Surfempfehlung:
www.icelandairwaves.com
www.lastfm.de/festival/1725110+Iceland+Airwaves+2011
www.facebook.com/icelandairwavesfestival
www.flickr.com/photos/icelandairwaves
de.wikipedia.org/wiki/Iceland_Airwaves
Text: -Felix Maliers-
Foto: -Svea Schuhmann-


 
 

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