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Konzert-Bericht
 
Erwartungen

Mercury Rev
Nikki Sudden

Köln, Prime Club
28.10.2001
Mercury Rev
"Überwältigend" ist das einzige Wort, das die Mercury-Rev-Shows der Jahre 1998/99 treffend beschreibt. Auf der unerwarteten Erfolgswelle reitend, die ihr Album "Deserter's Songs" ausgelöst hatte, entfalteten Mercury Rev eine Magie auf der Bühne, die ihresgleichen suchte. Das zu überbieten, schien unmöglich. Glücklicherweise war das auch der Band bewußt. Während andere Acts mit noch mehr Aufwand, noch mehr Show (und noch mehr Geld), alles versucht hätten, um die nächste Tournee noch extravaganter zu gestalten, sind Mercury Rev glücklicherweise auf dem Boden geblieben.
Nikki Sudden
Das zeigte sich in Köln schon bei der Wahl des Supportacts: Anstelle des eigentlich eingeplanten schwedischen Newcomers Nicolai Dunger stand kurzfristig der legendäre Nikki Sudden auf der Bühne des Prime Club, die er laut eigener Aussage seit einem katastrophalen Auftritt mit seiner Band The Jacobites 1985 (!) nicht mehr betreten hatte, nachdem ihm die Clubleitung mitgeteilt hatte, dies sei das zweitschlechteste Konzert der Clubgeschichte überhaupt gewesen. Anno 2001 schlug sich der nur mit einer Akustikgitarre bewaffnete und erstaunlich fit aussehende Brite wesentlich besser. Persönlich angekündigt von Mercury-Rev-Gitarrero Grasshopper verließ er sich in erster Linie auf die Hits seiner glorreichen Vergangenheit: "Fortune & Fame", "One More String Of Pearls", "Ambulance Station" und natürlich "Silver Street". Schließlich war es letzterer Song, der Nikki überhaupt diese Einladung beschert hatte, wie er selbst attestierte: 1998 hatten Mercury Rev den Song für eine B-Seite gecovert. Um Punkt 22.00 Uhr betraten dann die runderneuerten Mercury Rev die Bühne, in der gleichen Sechs-Mann-Besetzung inklusive zweier Keyboader wie auf der letzten Tournee.
Mercury Rev
Vielleicht lag es an Grasshoppers Sonnenbrille, vielleicht an Jonathans weinrotem Seidenhemd oder dem extra am Mikroständer von Jonathan Donahue angebrachten Aschenbecher - jedenfalls gaben sich die Amerikaner von Beginn an als perfekte Rockstars, die mit "My Funny Bird" auch gleich für einen Höhepunkt zu Beginn sorgen konnten. Nicht nur die - abgesehen von der Lightshow - alles andere als spektakuläre Bühnenshow ließ Erinnerungen an die großartigen Shows der letzten Tournee wach werden, auch das Programm enthielt auffällig viele alte Songs. Und gerade die waren die überraschenden Highlights, wobei das keinesfalls als Herabwürdigung des neuen Albums "All Is Dream" gemeint ist. Doch während die Band bemüht war, die neuen Stücke möglichst originalgetreu wie auf der Platte zu präsentieren, haben sich die alten inzwischen verändert und weiterentwickelt. So gab es eine grandiose "Bowie-in-Berlin"-Version von "Delta Sun Bottleneck Stomp" und eine kaum noch mit dem Original zu vergleichende, aber ungleich bessere Fassung des frühen Hits "Frittering". Für die besten Showeinlagen des Abends sorgte dieses Mal allerdings nicht der extravagante Sänger Jonathan, sondern Saitenmann Grasshopper. Der hatte nämlich ungeschickterweise Bier über seinen Verstärker geschüttet, worauf der prompt den Dienst quittierte. Nach einer längeren Pause, in der ein supergestresster Roadie (Zitat Grasshopper: "Our roadie is under a lot of pressure now!") vergeblich versuchte, den Amp zu reanimieren, und die beiden Keyboarder einen Hang zu klassischer Klaviermusik offenbarten, ging es dann mit einem Miniaturverstärker in Kofferradiogröße weiter, was nicht nur Grasshopper offensichtlich unfaßbar lustig fand. Und auch, wenn er mit seinen ungewollt komischen Tanzeinlagen zwischendurch ein bißchen von der epischen Breite und dem großen Tiefgang der Songs ablenkte, gab es doch gerade gegen Ende der Show mit "Little Rhymes", dem stets genialen "Goddess On A Highway" und einer gnadenlos auf ungefähr 15 Minuten ausgewalzten Version von "Opus 40" noch reichlich Highlights. Für die Zugaben ihres Eindreiviertel-Stunden-Sets wurde es dann noch einmal etwas beschaulicher. Dort gab es nämlich das herzergreifende Album-Schlußstück "Hercules", eine witzige Instrumental-Einlage mit Jonathan an der singenden Säge (!) und als krönenden Abschluß "The Dark Is Rising".

Abgesehen davon, daß "Opus 40" ungefähr acht Minuten zu lang geriet, war es ein weiteres Mal große Kunst, die uns Mercury Rev präsentierten. An den Standard der letzten Tournee schien der Auftritt in Köln zwar nicht heranzureichen, aber die Erklärung dafür mag wohl eher das subjektive Empfinden des Betrachters und nicht ein objektives Qualitätskriterium sein. Immerhin waren die Erwartungen dieses Mal ungleich größer. Enttäuscht ist dennoch wohl niemand nach Hause gegangen.

Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Stefan Claudius / Carsten Wohlfeld-


 
 

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