Joey Burns und Calexico machten dann im Folgenden keine Gefangenen. All jenen, die selbst bei dem brillanten neuen Album nicht erkennen wollten, wie solide sich die Band im Laufe der letzten 15 Jahre musikalisch entwickelt hatte, hauten die Jungs von der ersten Sekunde an tüchtig auf die Mundöffnung. Calexico haben ja schon viele Konzerte im Kölner E-Werk gespielt - aber noch keines wie jenes an diesem Abend. Mit einer geradezu ansteckenden Begeisterung und durchaus jugendlicher Frische eröffnete die Band das Set mit den großartigen Rausschmeißern des neuen Albums "Edge Of The Sun". Bereits auf der Scheibe gefallen Nummern wie "Falling From The Sky" oder "Beneath The City Of Dreams" ja durch hymnische Melodiebögen und poppige Refrains. Im Live-Kontext kam dann noch eine gehörige Portion Rock-Power und Spielfreude hinzu. Sowie des Weiteren R'n'B-Riffs, Ska-Rhythmen, Kubanische Piano-Läufe und Santana-mäßige Latin-Soli. Den von den Fans gewohnten und geforderten Tex-Mex gab es natürlich auch noch - aber mit einer fast parodistisch anmutenden, folkloristischen Begeisterung inszeniert. Und auch weniger Mariachi-lastig (obwohl das die bandeigenen Mariachi-Trompeter Martin Wenk und Jacob Valenzuela das zwischenzeitlich ganz gut draufhaben), denn es durfte hier auch mal ein wenig herumgejazzt werden.
Das neue Album wurde fast komplett gespielt - und hier zeigte sich dann eine gewisse Diskrepanz zwischen der Begeisterung der Band (allen voran Burns selbst, der das Publikum immer wieder mit Stadiengesten anzufeuern suchte) und dem Publikum selbst. Denn obwohl sich die offensiv dargebotenen Power-Pop-Knüller des Albums bestens als Party-Knaller geeignet hätten, zeigte sich hier eine typische Eigenart des deutschen Fans: Der tanzt nämlich nur zu dem, was er kennt, sodass die Party dann so richtig nur bei bekannten Calecixo-Hits losging. Das soll übrigens nicht heißen, dass das Publikum abgeneigt erschien - es schien halt nur damit beschäftigt, das neue Material erst mal zu absorbieren. Was der Band musikalisch des Weiteren gut getan hat, ist eine gewisse Entschlackung. So wurde Paul Niehausens zuletzt immer dominantere Pedal-Steel Gitarre durch Sergio Mendozas Keyboards (inkl. Synthesizer) ersetzt, während Gitarrist Jairo Zavala zwar ab und an zur Lapsteel griff, hauptsächlich aber mächtig als eher rockiger Solo-Gitarrist vom Leder zog.
Bonbons gab es auch - so zum Beispiel eine spontan ins Programm aufgenommene Solo-Version des "Fortune Teller"-Songs vom letzten Album "Algiers", mit "World Undone" vom neuen Album einen der seltenen Calexico-Ausflüge ins Blues Metier und einen Gastauftritt von Sarah Pagé, deren Französisch-Kenntnisse man genutzt hatte, vor der Show kurz die (halbe) Franco-Version des Publikumswunsches "Ballad Of Cable Hogue" einzustudieren. Und Jacob Valenzuela trug die spanischen Vocals zu diversen Gelegenheiten bei. Der neue feste Bassist Ryan Alfred hat sich mittlerweile eh nahtlos ins Gesamtkonzept integriert - und sogar die graue Tucson-Eminenz Nick Luca war mit dabei. Zum Schluss gab es dann noch noch mal Bewährtes wie etwa "Black Light" oder "Alone Again Or". Fazit: Den Vorwurf, der Calexico immer wieder entgegengebracht wird - dass sie nämlich "immer das Gleiche" machten -, entkräftete die Band an diesem Abend einfach dadurch, dass sie schlicht fast nur neues Material spielten - und dieses offensiv spielfreudig, ganz so, als ginge es ums eigene Leben. Da gibt es sehr viele andere Bands, die sich deutlicher und intensiver selbst referenzieren. Calexico haben eben einen eigenen Stil und zehren heutzutage von der im Laufe der Jahre perfektionierten Songwriterkunst - das sollte man auch mal anerkennen dürfen.