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Konzert-Bericht
 
Mehr als die Summe der einzelnen Teile

Hood

Köln, Studio 672
03.12.2001
Hood
Daß Hood eine außergewöhnliche Band sind, die es wie wenig andere in Europa verstehen, die gute alte Tradition des energie- und verzerrergeladenen Indierocks mit moderner Elektronik- und Sample-Technologie zu vereinen, steht nach ihren bisher sechs ausnahmslos gelungenen Alben außer Frage. Auch daß "Cold House", der aktuelle Longplayer, den das Quartett aus Leeds nun auch live in Deutschland präsentierte, die Ideen des Hood'schen Soundkosmos noch besser auf den Punkt bringt als die teilweise zu experimentierfreudigen beiden Vorgängeralben, ist ebenfalls unbestritten. Daß sich die Band aber wochenlang in den Lesercharts von Gaesteliste.de unter den ersten fünf platzieren konnte, kam dennoch ebenso überraschend wie die streckenweise hymnischen Rezensionen der Kollegen von der schreibenden Zunft.
"In England ist es genau das gleiche", bestätigt uns Bassist Richard Adams vor der Show im Studio 672. "Alle sagen uns, wie toll die neue Platte doch sei. Natürlich sind wir sehr glücklich mit dem Album, aber es ist schon ein wenig frustrierend, daß alle finden, es sei so viel besser als unsere alten Sachen. Heißt das, unsere alten Sachen waren alle Schrott? Wir haben noch nicht herausgefunden, warum das gerade jetzt passiert. Für uns ist das Ganze ebenso überraschend wie für euch." Daß gerade "Cold House" und die diesjährigen Liveshows so ausgezeichnete Kritiken bekommen, ist umso mehr verwunderlich, wenn man den Hintergrund kennt. Nach dem 1999er Album "Cycle Of The Days And Seasons", das zu Unrecht weltweit mit Mißachtung gestraft wurde, löste sich die Band faktisch auf, und nur Richard und sein Bruder Chris blieben übrig. Deshalb finden sich sowohl auf der im Sommer veröffentlichten EP "Home Is Where It Hurts" als auch auf dem aktuellen Album eine Reihe Homerecordings, die eigentlich gar nicht unbedingt zur Veröffentlichung gedacht waren. "Wir haben einfach angefangen und geschaut, was sich ergibt", erzählt Richard. "Bei der letzten LP war das ganz anders. Wir sind mit genau den Songs ins Studio gegangen, die nachher auf der Platte gelandet sind."

Noch viel schwieriger, zumindest im Vorfeld, war es allerdings, die Stücke der neuen Platte überhaupt auf die Bühne zu bringen. "Wir mußten sehr diszipliniert an die Sache herangehen, deshalb spielen wir eigentlich auch jeden Abend die gleichen Songs. Früher haben wir das Set allabendlich gewechselt und viele unveröffentlichte Songs gespielt. Manchmal war das allerdings, als wenn man bei einem Autounfall zuschaut. Die Songs, die wir jetzt spielen, waren eigentlich nicht als Livesongs konzipiert, also mußten wir sie uns erst erarbeiten. Außerdem bauen viele auf Loops aus dem Sampler auf, die man nicht einfach willkürlich ändern kann. Allerdings hatten wir keine Zeit mehr, an Songs für Zugaben zu arbeiten. Wir haben noch genau einen weiteren Song. In Belgien wollten sie aber mehr hören und wir hatten alle Stücke bereits gespielt, die der Sampler hergab, also mussten wir ganz alte [Gitarren-] Songs spielen. Die sind dann völlig improvisiert. Ist das Publikum halt selbst schuld, wenn es mehr hören will! Nach der ersten Zugabe gibt es jedenfalls das komplette Blutbad!" lacht Richard.

Mit dem - auch dieses Mal durch Dia- und Super-8-Projektionen unterstützten - Konzert in Köln bewiesen Hood jedenfalls eindrucksvoll, daß sich der Klang einer traditionellen Triobesetzung mit Bassist, Gitarrist und (einem unglaublich aktiven) Schlagzeuger hervorragend mit dem eines Samplers ergänzen kann und das Ganze mehr ist als nur die Summe der einzelnen Teile. So klangen Hood in den besten Momenten der fast 90-minütigen Show, zu der sie übrigens auch noch eine handgestaltete Tour-7" mitgebracht hatten, wie die gelungene Melange aus The Notwist und Slut, mal abgesehen davon, daß das Gemurmel von "Sänger" Chris sie zudem noch in die Nähe von The Cure oder den Television Personalities rückte. Und so ernsthaft sie während der vorwiegend melancholisch stimmenden Stücke auch wirkten, sorgte zwischendurch vor allem Richard mit Ansagen wie "Vernünftige Versionen dieser Songs kann man an unserem Merchandise-Tisch erwerben" oder "Noch irgendwelche Wünsche, außer, daß wir endlich verschwinden sollen?" doch immer wieder für Lacher. In der Gewissheit, daß der Großteil des Publikums sie erst kennt, seitdem sie die Elektronik als Stilmittel für sich entdeckt haben, konzentrierten sich die vier vor allem auf die Songs ihrer drei letzten Alben und konnten sich bei den frenetisch eingeforderten Zugaben sogar den Luxus leisten, denjenigen Single-Freiexemplare zu versprechen, die den wüsten Punkrock-Song von ihrem ersten Album erkennen würden, der aufgrund der bereits erwähnten knapp bemessenen Probenzeit dann doch noch ins Programm gerutscht war. Es war ein Auftritt, der bewegte, denn Hood gelang es, eine emotionale Verbindung herzustellen, weil ihre Musik aus dem Bauch heraus kommt und vor allem eines ist: Ehrlich. Und das ist heutzutage schon eine ganze Menge.
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-


 
 

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