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Rock N Roll will never die

The Posies

Münster, Gleis 22
07.11.2000
Posies
Im Februar spielten Jon Auer und Ken Stringfellow zum ersten Mal wieder unter dem Namen The Posies in ihrer Heimatstadt Seattle (Gaesteliste.de berichtete). Als Duo und akustisch zwar, aber so erfolgreich, dass sie gleich eine ganze Europatournee drangehängt haben. Und mit der Seattle-Show als Maßstab durfte man für das einzige Deutschlandkonzert der beiden Helden einiges erwarten, hatten sie in Seattle doch eine mit Hits und witzigen Anekdoten vollgepackte 80-Minuten-Supershow gespielt. Ähnliches hatten sie auch in Münster vor, allerdings unter anderen Vorzeichen. Denn als sie um 23.00 Uhr auf die Bühne kamen und ihre Setlist für jeden gut sichtbar auf dem Boden platzierten, war bereits klar: Der Auftritt würde eine Hit-freie Zone sein. So hatte sich zum Beispiel kein einziger Song des bestverkauften Posies-Albums "Frosting On The Beater" auf die ca. 15 Songs lange Setlist verirrt - in Seattle hatten sie die Platte fast komplett gespielt. Aber das alles war eh nur Theorie, wie sich bald zeigen sollte.
Posies
Denn nach einem soliden Beginn mit "Hate Song", einem wunderschönen "You're The Beautiful One" (Ken: "Ich kann erst anfangen, wenn ihr alle Händchen haltet") und ihrem "Reality Bites"-Soundtrack "Going, Going, Gone" machte sich schnell bemerkbar, dass die Posies in ihren Gläser nicht Mineralwasser, wie zunächst vermutet, sondern Wodka hatten. Spätestens als die beiden anfingen, das edle Getränk direkt aus der Flasche zu trinken (Rock N Roll, MANN!), driftete die Show etwas ab. Eine halbe Stunde lang diskutierten die zwei im Stile eines Comedy-Duos alle möglichen Themen - Heroin, kleine Kinder, kleine Kinder auf Heroin, The Simpsons, die US-Wahl, die in jener Nacht stattfand, und offenbarten so eine ausgeprägte Vorliebe für kranken Humor. Ein Beispiel gefällig? Frage aus dem Publikum: "Wie viele Menschen sterben heute in [Bushs Heimat] Texas auf dem elektrischen Stuhl? Antwort Ken: "Keine Ahnung, aber wenn er gewinnt, werden jede Menge Freiwillige rufen: Nehmt mich, nehmt mich!" Zwischendurch versuchten Ken und Jon immer mal wieder, eine Coverversion zu spielen, ohne auch nur bei einem Song (von "Leave Me Be" der Zombies über REMs "So. Central Rain" und Bob Dylans "Lay Lady Lay" bis zu einigen Led Zeppelin-Sachen) über die erste Strophe hinauszukommen. Als dann irgendwann die Frage aufkam, für was die Posies eigentlich bezahlt würden (Ken: "Für eine Show, obwohl man darüber diskutieren kann, ob das hier eine ist"), rissen sie sich etwas am Riemen, spielten eine atemberaubende Fassung von "Apology", ein herzergreifendes "September Gurls" von Big Star und "Fall Apart With Me", angeblich über eine Exfreundin Kens aus Frankreich, obwohl es an diesem Abend unmöglich war, zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden. Sie schafften es sogar, zwei Publikumswünsche unterzubringen. Ein sensationelles, langsames "Grant Hart" und "I May Hate You Sometimes", einer von vielen, vielen Songs an diesem Abend aus ihrem lange vergriffenen Debut "Failure" ( "...das niemand von euch kennt, wir aber trotzdem heute komplett spielen, um euch zu foltern!").
Posies
Als die zwei nach 90 Minuten nach einer kurzen Pause, in der Jon Freibier fürs Publikum aus dem Backstageraum organisierte, für ihre Zugaben zurück auf die Bühne kamen, rechnete niemand im Gleis 22 mit mehr als ein, zwei weiteren Songs. Doch was folgte, war der beste Teil des Abends, eine 15 Song / 65 Minuten Zugabe, die komplett aus Coverversionen bestand und gleich mit drei aufeinanderfolgenden Beatles-Songs begann. "Dear Prudence" folgte auf "Long Long Long" und es war bei diesem Song, dass Ken die Setlist nahm, zerknüllte und ins Publikum warf, als Zeichen dafür, dass der "offizielle" Teil des Abends nun endgültig vorbei war und die zwei ihre vorher oft erwähnten Versuche, "das Programm durchzuziehen", längst aufgegeben hatten und Jon fiel vor Lachen fast vom Stuhl, als Ken bei "I Don't Want To Spoil The Party" bei der Zeile "I had a drink or two and I don't care" ankam. Trotz einiger kleiner Ungereimtheiten zeigten die Posies in dieser letzten Stunde, was für großartige Performer sie sind - Wodka hin oder her. Big Stars "Thirteen" war ebenso Klasse wie "Swinging Party" von den Replacements oder "Is She Really Going Out With Him?" von Joe Jackson oder die Handvoll von Byrds- und Neil-Young-Songs, die Ken und Jon noch zum Besten gaben. Der absolute Höhepunkt war allerdings die wirklich sensationelle Fassung des obskuren 70s-Soul-Classics "O-o-h Child" der Five Stairsteps, mit dem die zwei bewiesen, dass sie Harmonien so schön wie kaum jemand anders singen können. Nach einer aberwitzigen Joe-Cocker-Parodie Kens kam Jon dann noch auf die glorreiche Idee, a-capella die amerikanische Nationalhymne (!) zu singen, die die zwei - wie die Version auf dem kürzlich veröffentlichten 4-CD Boxset "At Least, At Last" beweist - perfekt beherrschen, obwohl sie wohl in der Regel dabei nicht Mikrophonständer und Bierflaschen zertrümmern!!! Zu guter Letzt gab's noch eine ziemlich derangierte a-capella-Version von Frank Sinatras "New York New York", und auch wenn diese Posies-Party in Münster kaum guten Gewissens ein Konzert genannt werden kann, war sie doch für mehr als zweieinhalb Stunden ein Riesenspass.
Surfempfehlung:
www.theposies.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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