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Rock'n'Roll-Lebensretterinnen

Gurr
J.R. Löwenherz

Wuppertal, Die Börse
28.01.2017

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Gurr
First we take Berlin, dann die ganze Welt: Gurr sind gekommen, um nicht nur Indiehausen ganz gehörig aufzumischen - und mit Auftritten in ganz Europa und sogar in den USA sind die beiden in der Bundeshauptstadt heimischen Gitarristinnen und Sängerinnen Andreya Casablanca und Laura Lee Jenkins kurz davor, schon mit ihrem allenthalben begeistert aufgenommenen Debütalbum "In My Head" mehr zu erreichen als so manche andere deutsche Band in Jahrzehnten. Die zwei verstehen es meisterhaft, in ihren Songs so viele unterschiedliche Einflüsse zusammenzubringen, dass man viel zu sehr damit beschäftigt ist, sich von dem aufregenden Stilmix aus Garagenrock, Riot-Grrrl-Punk, 60s-Rock'n'Roll, New Wave und Indiepop mitreißen zu lassen, und gar nicht erst in Versuchung kommt, den clever First Wave Gurrlcore getauften Sound auf der Suche nach eindeutigen Inspirationsquellen zu sezieren.
Die ersten 30 Minuten bestreiten J.R. Löwenherz, das neue Soloprojekt des Darjeeling-Sängers Jan Szalankiewicz, der praktischer-, aber auch etwas verwirrenderweise gleich noch Personal seiner anderen Band auf seinen Solopfaden beschäftigt. Gemein ist beiden Projekten auf jeden Fall ein ausgeprägtes Faible für die Vergangenheit. Denn auch wenn J.R. Löwenherz an diesem Abend tendenziell etwas bodenständiger klingen als Darjeeling und der Psychedelic- und Krautrock-Anteil gegen einen deutlicheren Garagenrock-Einschlag und bisweilen auch einen Schuss bluesgetränkte Indie-Folk-Schluffigkeit eingetauscht worden zu sein scheint, sorgt auch hier die prägnante Orgel von Fabian Reinkenhoff für viel ungestümes Retro-Feeling. Neu sind dagegen die deutschen Texte - Kernthema: Liebe und Leid in allen Facetten -, die Jan in den rauesten Momenten in bester Jim-Morrison-meets-Whiskey-Manier herausschreit. Ein Schelm, wer denkt, dass er mit diesem Projekt in die AnnenMayKantereit-Erfolgsspur einfädeln will!
Auch Gurr sind hörbar durch die Musik von gestern und vorgestern inspiriert. Nicht ganz umsonst schrieb der englische Guardian, der Erstling des Duos, das live ein Quartett ist, klänge, als habe er seit den frühen 90ern in irgendeinem Plattenladenregal vor sich hin geschlummert und sei nun von den Studierenden einer liberalen amerikanischen Kunsthochschule wiederentdeckt worden. Auch wenn Andreya und Laura Lee durchaus perfektionistisch veranlagt sind, begeistern sie bei ihrem knackig kurzen Auftritt in Wuppertal weniger mit Makellosigkeit als mit ihren vielen betont lässigen Ohrwurm-Melodien und jeder Menge ungebremstem Enthusiasmus. Denn wer braucht schon Virtuosität, wenn man stattdessen ein wunderbar simples Velvet-Underground-Schlagzeug, Schrammelgitarren, eben nur fast perfekte Girl-Group-Harmonien und massenhaft spritzige DIY-Attitüde in handlichen 2-Minuten-30-Dosierungen haben kann?

Doch nicht nur musikalisch, auch mit ihrer Performance machen Gurr alles richtig. Herrlich ausgelassen springen und hüpfen Laura und vor allem Andreya ohne Pause über die Bühne, schütteln die Haare und üben sich in allen klassischen Rock'n'Roll-Moves. Drummer Brandon Walsh und Bassistin Sally Brown ist es derweil vorbehalten, den Sound zusammenhalten - was den beiden auch mühelos gelingt. Für Atempausen bleibt bei so viel unbändiger Power kaum Zeit. Nur für "Moby Dick" und "Shania Twain" (eine herrlich schräge Spoken-Word-Nummer, mit der Gurr den Wikipedia-Eintrag der viel belächelten Country-Pop-Queen vertonen) werden Tempo und Lautstärke mal kurz zurückgeschraubt. Sonst gilt: Kopfüber und mit tonnenweise Charme und oft beindruckender Wucht (besonders mitreißend: "Diamonds") stürzen sich Gurr in ihre Songs und sind von den ersten Akkorden des Openers "Breathless" bis zum krachenden Finale mit dem Beatles-Cover "Helter Skelter" nicht zu bremsen. Nach gerade einmal einer Dreiviertelstunde Bühnenzeit steht deshalb fest: Wer glaubt, der Rock'n'Roll sei tot, hat ganz sicher Gurr noch nicht live gesehen!

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Surfempfehlung:
www.facebook.com/Gurrband/
gurrband.bandcamp.com/
twitter.com/gurrband?lang=de
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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