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Konzert-Bericht
 
Love & Peace Express

Lambchop
Twit One & Retrogott

Köln, Gloria
21.02.2017

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Lambchop
Nachdem sich Kurt Wagner auf dem letzten Lambchop Album "Flotus" - zumindest teilweise - auch seiner "zweiten Liebe", der elektronischen Musik, zugewendet hatte (nachdem er zuvor bereits mit seinem Projekt Hecta eindrucksvoll auf diese Passion aufmerksam gemacht hatte), war es natürlich interessant zu beobachten, ob ihm das Lambchop-Publikum auf diesem Wege folgen würde und ob er dadurch vielleicht sogar neue Fans gewinnen könnte? Die Antwort mit Bezug auf die Show im Kölner Gloria lautet: "Ja und Nein". Denn obwohl das Konzert nicht ausverkauft war und zum Einlass nur wenige Hardcore-Fans im Nieselregen standen, war das Gloria am Ende dann doch sehr gut gefüllt - und zwar mit den altgedienten Fans, die Kurt Wagner und Lambchop schon seit den 90er Jahren verfolgen. Das ist insofern erstaunlich, als das Lambchop bislang ja tendenziell eher dem Americana-Genre zuzusortieren war und Fans dieser Gattung von Musik stilistisch ja besonders dogmatisch reagieren. Es bedeutet aber auch, dass Kurt Wagner als kreatives Individuum wahrgenommen wird und nicht nur wegen des musikalischen Stils verehrt wird. Schön, dass es so etwas also auch zu geben scheint.
Nichtsdestotrotz mussten die Fans dann doch erst mal schlucken. Denn als Support hatte sich Kurt zwei Junge Herren aus Köln als Support eingeladen. 4Trackboy und Echoman (alias Twit One & Retrogott alias Retrodios & Twit Uno) hatte Kurt bei seinem letztjährigen Ausflug in die Domstadt kennengelernt, als er auf dem Week-End Festival in Köln Deutz das "Flotus"-Album erstmals mit lokalen Künstlern (dort allerdings in einer elektronischen Remis-Variante) präsentiert hatte. Das, was die Herren nun präsentierten, war dann solide HipHop-Kost. Bis auf einen eingedeutschten Remix von Lambchops "The Care" präsentierten Echoboy als Sampleking und 4Trackboy als Rapper politisch motivierten Agit-HipHop mit wahrlich wortreichen Wortkaskaden, die kaum Raum für musikalische Details - geschweige denn irgendwelche poppigen Elemente oder gar Refrains, Melodien oder Hooklines ließ. Das war recht unterhaltsam, regte immer wieder auch zum Schmunzeln an und es war sogar insofern erträglich, als dass die Jungs nicht den Fehler machten, aus den - doch sehr ähnlich konzipierten - "Liedern" etwa einen endlosen Flow zu machen, sondern kurz und knapp zum Punkt kamen. Kurt Wagner war übrigens vor Begeisterung kaum zu halten. Er hatte sich an den Bühnenrand gesetzt, machte dort Faxen und feierte die Jungs als "The Greatest" (so seine Originalformulierung). Das Ganze kam erstaunlich gut an und die Jungs durften sogar Szenenapplaus zwischen den Nummern kassieren und sich darüber freuen, dass sie das Set gleich mehrfach verlängern konnten.
In dem auch an diesem Abend gegebenen Song "Poor Bastards" singt Kurt von der "Dark Side Of Perfection". Interpretiert man die Musik von Lambchop mal so, dass diese ja durchaus stets eine düstere Komponente ihr Eigen nennt, dann wäre das eine geeignete Metapher, das folgende Tun von Kurt & Co. an diesem Abend zu umschreiben. Keyboarder Tony Crow hatte freilich eine andere Idee zum Thema des Tages. "Es soll doch jetzt bitte jedermann mal seinen Nachbarn umarmen", skandierte er zwischen zwei Tracks, "wir sind doch alle zusammen im Lambchop Love & Peace Express." Nun, ganz so schlimm wurde es dann nicht - aber erstaunlicherweise geriet gerade dieses Lambchop-Konzert zu einem der intimsten, friedlichsten und sanftmütigsten überhaupt. "Erstaunlich" heißt es hier deswegen, weil Kurt mit gerade mal drei Musikanten angereist war und es hinbekam, dass das Konzert sogar noch eine Spur intimer und leiser geriet, als zu der Lambchop Trio-Phase.

Merkwürdig allerdings die Präsentation des Materials: Kurt selbst versteckte sich z.B. hinter einem Stehpodest, auf dem er erstens die Lyrics seiner Songs gestapelt hatte (die sich bei den ultralangen Tracks des neuen Albums gerne auch mal über mehrere Seiten erstrecken durften) und zweitens einen elektronischen Stimmen-Tweaker. Mit diesem Gadget modulierte er seinen Gesang dann im Sinne der Experimente, die er auf "Flotus" zu einer eigenen Genussmittelklasse erhoben hatte. Der Neid muss es ihm allerdings lassen, dass er darauf achtete - anders als auf der Scheibe -, die Vocals nicht zu zerhacken. Wohl aber setzte er sein Organ lautmalerisch ein - auch, wenn er (bei konventionellen Lambchop-Tracks) zur Gitarre griff. Und auch die auf "Flotus" eher elektronisch ausgerichteten Nummern wie "Directions To The Can" wurden im Live-Treatment organisch eingefangen. Das Set ließ sich grob in drei Kategorien unterteilen: Die elektronisch mutierten Experimentalnummern von "Flotus" (die sich freilich in der Minderzahl befanden), eher jazzig angerichtete, reduzierte Versionen, die Kurt als Vokalisten und Tony Crow als Pianisten erstaunlich viel Raum boten, sich zu verwirklichen und dann die Inner-City-Tracks, bei denen Kurt - nicht zuletzt aufgrund der großartigen Beiträge von Bassist Matt Swanson - seinen inneren Marvin Gaye baumeln ließ und sich gut gelaunt als brillanter, körperbetonter, groovender Rhythmusgitarrist präsentierte. In der Tat hatte man Kurt bei einem Lambchop-Konzert noch nie so gelöst, heiter und bewegungstechnisch kinetisch gesehen. Seine Rückenprobleme (die ihn zuweilen ja dazu zwangen, sich bei Lambchop-Konzerten in der Vergangenheit gerne sitzend zu präsentieren) scheint er heutzutage im Griff zu haben. Dass Kurt sich bewegen kann, hatte er ja schon mit seinem Kort-Projekt mit Courtney Tidwell bewiesen - schön, dass das Ansatzweise jetzt auch bei seiner Mutterband zum Tragen kam. Drummer Andy Stack, der am linken Rand der Bühne platziert war, trug mit seinem - auch eher intim angelegten - Besen-Drumming viel zur jazzigen Gemengelage bei. Seine Aufgabe war es zudem, die elektronischen Rhythmus-Aspekte abzudecken und obendrein gewisse flächige Soundeffekte mit Keyboards und Pads beizusteuern. Ein weiteres Lob dieser Show galt dem Timing. Auf "Flotus" war Kurt ja zuweilen von der songwriterischen Elephantiasis befallen worden und hatte insbesondere die konventionelleren Lambchop-Tracks wie "The Hustle" zu wahren Epen aufgeblasen. Das blieb bei der Show alles im Rahmen - und selbst wenn sich die Band ein Mal in die Extase zu spielen drohte, fand Kurt Mittel und Wege das Abdriften zu verhindern und die Songs auf den Punkt einzudampfen. Irgendwie steril wirkte das dennoch nicht - einfach weil die Musiker das Material mit so viel Herzblut und so schön organisch traktierten. Kurzum: Lambchop 2017 - das war dann für alle doch eine angenehm positive Überraschung - und zudem auch ein Highlight in der langen Laufbahn des Projektes, das Kurt ursprünglich mal als Alternative zum klassischen Nashville Country-Sound in die Welt gesetzt hatte.

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Surfempfehlung:
www.lambchop.net
www.facebook.com/lambchopisaband
twitone.bandcamp.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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