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Weihnachten mit Schimmel

Sofia Talvik

Wiehl, artfarm
14.12.2018

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Sofia Talvik
Auf ihrer jährlichen Winter-Weihnachts-Tour machte die seit fünf Jahren von Berlin aus operierende Schwedin Sofia Talvik auch im eher beschaulichen Örtchen Wiehl Station, wo sie dann ihre neueste Sammlung ihrer recht speziellen Weihnachtslieder vortrug. In kleineren Locations außerhalb der großen Musikzentren zu spielen ist dabei für Sofia nichts Ungewöhnliches. Sie weiß halt, was sich gehört und beglückt ihre Fans sowieso vorzugsweise dort, wo sonst eher selten mal jemand hinfindet. Das mag zwar marketingtechnisch eher riskant sein - führt aber dazu, dass die besagten Fans Sofia in einem sehr persönlichen Rahmen erleben können - so natürlich auch in Wiehl.
Um es aber gleich zu sagen: Es ging an diesem Abend natürlich nicht wirklich um verschimmelte Weihnachten. Dieser Titel ist auf eine charmante sprachliche Unwägbarkeit zurückzuführen, die Sofia selbst erläuterte. "Ich lebe seit fünf Jahren in Berlin", stellte sie eingangs der Show klar, "das ist auch der Grund, warum ich so schlecht Deutsch spreche." Dabei spielte sie auf den Umstand an, dass man mittlerweile in Berlin - aufgrund des internationalen Charakters der Hauptstadt - mit Pigeon-Englisch deutlich einfacher zurecht kommt, als mit klarem Deutsch. Konkret ging es bei der Schimmel-Allegorie um das Weihnachtslied "Strålande Jul" - für das es auch einen deutschen Text namens "Weihnacht, strahlende Zeit" gibt, in dem die Zeile "Kirchen mit schimmerndem Lichterkranz" vorkommt - und das höre sich (so ihre an diesem Abend nicht anwesende Geigerin Regina Mudrich) eben an wie "Kirschen mit Schimmel", wenn Sofia das vortrüge. Wenn wir allerdings mal bei dem Bild der verschimmelten Weihnacht bleiben, dann ist das keine schlechte Metapher für jene Art von Weihnachten, die Sofia zu meinen scheint. Denn ihre eigenen Weihnachtslieder - wie auch das diesjährige "Poem At Year's End" (das man sich übrigens gegen Hinterlegung einer aktuellen eMail-Adresse kostenlos auf Sofias Bandcamp-Seite herunterladen darf) haben eine durchweg melancholische Note und bieten auch keine typischen Bestandteile wie etwa Jingle-Bells, Weihnachtsmänner, Rentiere und ähnliches. Nicht ein Mal besonders viel Schnee gibt es in Sofias Songs - und wenn, dann an Orten, wo man ihn nicht vermutete, wie z.B. "California Snow" deutlich macht. Das hängt damit zusammen, dass Sofias Songs weniger von Weihnachten handeln, sondern eher um die Weihnachtszeit bzw. die Zeit am Ende des Jahres, auf das es dann zurückzublicken gilt, angesiedelt sind.
Obwohl Sofia dabei zuweilen auch typische Weihnachtsthemen - wie etwa das Mädchen mit den Zündhölzern-Motiv in "A Berlin Xmas-Tale" - auf aktualisierte Art in ihre Songs mit aufnimmt und dabei sogar soziale Kommentare äußert, möchte sie nicht so weit gehen, politische Inhalte aufzuarbeiten. Den Wunsch ihrer Fans etwa, einen Weihnachtssong über Donald Trump zu schreiben, mochte sie so nicht realisieren (weswegen sie sich für das unverbindlichere Gedicht am Jahresende entschied). Kurzum: Sofia Talvik ist überhaupt nicht am Heile-Welt-Charakter der inszenierten Weihnachts-Seligkeit interessiert, sondern eher an den melancholischen, nachdenklichen, düsteren - um nicht zu sagen "schimmeligen" - Aspekten der Jahreszeit. Und so fanden dann auch Songs den Weg auf die Setlist, die im strengen Sinne gar keine Weihnachtslieder sind. Dazu gehörten auch Sofias Coverversionen wie Buffy Sainte Maries "Starwalker" oder Leonard Cohens "Hallelujah" - die aber dann stimmungsmäßig ganz gut ins Konzept passten: "Starwalker" wegen des an Sofiass Fuß festgeschnallten Schellenkranzes, der dann die fehlenden Jingle Bells am Ende doch irgendwie ersetzte und "Hallelujah" wegen des gebetsmäßigen, liturgischen Charakter des Stückes. Kleine Ironie am Rande: Gerade die Coverversionen - wie auch Joni Mitchells "The River" spielte Sofia in eher gut gelaunten Versionen. David Floer, ihr kongenialer Cellist aus Köln, meinte sogar, dass sie sich da zuweilen in eher seltsame Akkordfolgen versteige - was sie natürlich energisch abstritt. Ansonsten pendelte die Sache in den Extremen zwischen besinnlich/intim und whiskyselig/aufmunternd. "Min Ros Min Lilja" - das andere Stück mit schwedischen Folk-Roots - trug Sofia etwa a cappella vor - während sie das Publikum auf der anderen Seite animierte sie bei Stücken wie "That Big Old Christmas" oder "Cold Cold Feet" mit herzhaften Shanty-Chor-Einlagen zu unterstützen. Und musikalisch sorgte die Kombination aus akustischer Gitarre, Stimme und Cello für eine entsprechend heimelige Stimmung, während Sofia zwei Mal auch zum Piano griff und ihr Ehemann Jonas (der als Tontechniker für den ausgezeichneten Song sorgte) mit seinen Chimes zumindest gelegentlich für ein wenig Zuckerbäcker-Charme sorgte. Am Ende war das dann genau die Art von Weihnachtsfeier, die man gerne über sich ergehen lässt.

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Surfempfehlung:
sofiatalvik.com
www.facebook.com/sofiatalvikmusic
music.sofiatalvik.com/album/poem-at-years-end
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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