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Der Bart ist ab

Friska Viljor
Side Effects

Köln, Gloria
17.01.2019

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Friska Viljor
Eigentlich brauchte eine Band wie Friska Viljor - die seit über zehn Jahren für gut gelaunten, schratigen Indiepop mit Live-Party-Faktor steht wie kaum ein anderer Act dieser Art - ja nun wirklich keine "Anheizer" als Support Act. Vielleicht war es aber bei dieser Tour keine schlechte Idee gewesen, die junge schwedische Rockband Side Effects für genau diesen Zweck anzuheuern, denn auf dem soeben erschienenen, aktuellen Friska Viljor-Album "Broken" seziert Joakim Sveningsson auf eindrucksvoll offene - und dementsprechend melancholische - Weise das Zerbrechen seiner Familie nach einer unschönen Trennungsgeschichte.
Wie dem auch sei: Die schwedischen Side Effects (nicht zu verwechseln mit der kroatischen Truppe gleichen Namens) haben - sicherlich nicht ohne Grund - als Genre auf ihrer Facebook-Seite "Melodic Pop Whatever" vermerkt. Melodisch agieren die Jungspunde nämlich tatsächlich - auch wenn dabei der Rockfaktor nicht zu kurz kommt. Neben griffigen Songs mit jeder Menge Rockappeal und Raum für stadienreife Gesten und Posen bietet das Quartett noch ein besonderes Schmankerl - nämlich indem sich Gitarrist Billy Cervin, Drummer Hugo Mårtensson und Keyboarder Elias Jungqvist auf recht unterschiedliche, aber durchaus souveräne Weise die Aufgabe als Lead-Vokalisten teilen. Dass die Jungs Oasis-Fans sind, hört man der Performance dann ebenso an wie den Umstand, dass sie den New Wave Pop der 80er studiert haben und beides auf recht ansprechende Weise zusammenführen. Das Entscheidende an diesem Abend war aber, dass die Side Effects mit ihrer Show ein gewisses Energielevel aufgebaut hatten, dass dann auch die lange, von einem unangenehmen Drone-Ton unterlegte Umbaupause überbrücken konnte.

Als schließlich dann Joakim Sveningsson, Daniel Johnsson und ihre bewährten Musiker die Bühne betraten, wurde dann erst ein Mal mit dem Instrumental "Is It Over", zu dem Daniel ein schönes Flügelhorn-Solo beisteuerte, das Thema des Abends etabliert. Freilich hatten die Jungs darauf geachtet, dass die Shotgun Sisters (das Pseudonym, das sich Friska Viljor nach einem ihrer Songtitel ausgesucht hatten, um das neue Material auf dem letzten Reeperbahn Festival erstmals live auszuprobieren) nicht den ganzen Abend dominieren sollten. Im ersten Teil der Show gab es demzufolge neben der eher "normalen" Tracks des neuen Albums wie z.B. "Unless You Love Me" auch ordentlich Party-Hits mit vielen "Dei Dei Deis", "Oh Ohs" und "La La's" zum mitsingen aus der jüngeren Friska-Vergangenheit, die sogar dem erstmals seit langem bartlosen (!) Joakim an Mandoline und Gitarre das eine oder andere Lächeln entlockte. Eher ungewohnt für Friska-Verhältnisse waren allerdings die vielen Keyboards, die nicht nur Keyboarder Emil Nilsson, sondern im folgenden auch von Daniel und Bassist Thobias Eidevald bedient wurden. Im ersten Teil der Show spielte das noch keine Rolle, als aber die Shotgun Sisters dann im übertragenen Sinne noch ein Mal zu Gast waren, machte sich das schon bemerkbar.

Der eigentlich wichtige Teil des Abends folgte dann auch im zweiten Teil der Show. Denn bevor im anschließenden dritten Teil die alten Hits und Gassenhauer zum Tragen kamen und das gut gefüllte Gloria sich in eine einzige, wogende Partymeile verwandelte, wurde es besinnlich und berührend. Hier präsentierte nämlich Joakim die traurigsten Songs aus dem Mittelteil des "Broken"-Albums. Teilweise ohne Bandbegleitung und sichtlich bewegt erzählte er zwischen den Tracks dann die Geschichte, die "Broken" eben zugrunde liegt: Dass er von der Mutter seiner Kinder verlassen worden sei, insbesondere seine Kinder diesbezüglich vermisse, dass er in ein tiefes Loch gefallen sei und den Lebensmut verloren habe, eigentlich gar keine Musik mehr habe machen wollen und dann von Daniel ermuntert worden sei, es noch ein Mal zu versuchen. Weiter zu erklären oder zu analysieren braucht man die zugrundeliegenden Tracks dann nicht, denn hier buchstabiert Joakim die Geschichte sozusagen Wort für Wort aus. Einen emotionalen Höhepunkt erreichte die Show, als Joakim sich tränenerfüllt abwenden musste, als er den Hintergrund des Songs "I Miss You When You Sleep" erklärte - in dem er beschreibt, dass er seine Kinder am meisten vermisse. Daniel sprang ihm dann tröstend bei und das Publikum richtete ihn dann mit entsprechend aufmunterndem Applaus wieder so weit auf, dass er den Vortrag mit brüchiger Stimme schließlich fortsetzen konnte. "Man verliebt sich ja vielleicht nur ein Mal im Leben", erklärte er abschließend, "und das war meine Liebe." Dass er auf der gerade laufenden Tour bei jeder Show an den Punkt kommt, an dem ihn die Gefühle übermannen, zeugt davon, dass Joakim die Trennung keineswegs überwunden hat - auch wenn er sich in einigen seiner aktuellen Lyrics dieses einzureden versucht.

Im bereits erwähnten dritten Teil der Show gab es dann allerdings kein Halten mehr. Angestachelt vom mit großer Begeisterung feiernden Publikum steigerten sich Friska Viljor (und hier insbesondere der hyperaktive Bassist Thobias Eidevald) in einen wahren Spielrausch und ließen den Abend dann in eher gewohnter Manier mit Fan-Favorites wie "Wohlwillstraße" oder eben "Shotgun Sister" ausklingen. Ein besonderes Bonbon gab es auch hier noch, denn Daniels Familie war in Köln zu Gast und seine Frau und sein Söhnchen gaben demzufolge ein Gastspiel (wozu ihnen Joakim vor der Show noch extra Papier-Rosen als Friska Viljor-Markenzeichen gebastelt hatte). Zumindest in diesem Sinne war dann auch wieder alles in Ordnung.

Friska Viljor
NACHGEHAKT BEI: FRISKA VILJOR

GL.de: Eure neue LP "Broken" ist ja sozusagen noch warm und gerade mal am Vorabend der Tour erschienen. Daran habt ihr ja bis zur letzten Sekunde gearbeitet, nicht wahr?

Daniel: Ja, das stimmt. Die Scheibe ist digital am Freitag erschienen, aber am Montag habe ich noch bis 4:30 Uhr morgens an den Mastern gesessen. Joakim hatte mir noch ständig Texte geschickt und gesagt, was ich alles noch ändern soll. Das war alles ziemlich knapp - aber ich muss dazu sagen, dass wir dieses Mal beide auch noch ganztägig gearbeitet haben, während wir an unserer Scheibe werkelten. Wir hatten ursprünglich sogar die Idee gehabt, zwei Scheiben zu veröffentlichen: Eine am Ende des letzten Jahres und eine am Anfang diesen Jahres - mit einer Minute Abstand. Das hat aber leider nicht geklappt, weil wir einfach nicht fertig geworden sind. Viel Zeit blieb dann nicht mehr für die Ankündigung.

Joakim: Ich will ja jetzt nicht respektlos erscheinen, aber um Promotion und Pressearbeit ging es uns nun wirklich nicht bei dem neuen Album - das war alles zweitrangig. Wir wollen damit nicht großartig Geld verdienen oder noch berühmter werden. Uns war es wichtig, die Musik richtig hinzubekommen und in den Mittelpunkt zu stellen.

GL.de: Auf dem letzten Reeperbahn Festival habt ihr ja die Songs schon mal als Shotgun Sisters ausprobiert. Damals waren die aber noch nicht fertig. Was ist denn aus den Shotgun Sisters geworden? Wie geht es denen? Kommen die noch mal zurück? Und warum hattet ihr euch damals eigentlich nicht Shotgun Brothers genannt?

Daniel: Wir hatten tatsächlich überlegt uns Shotgun Brothers zu nennen - aber aus Gleichberechtigungsgründen hatten wir dann entschlossen, uns lieber "Sisters" zu nennen. Ist ja auch ein besseres Pseudonym. Die Sisters besuchen uns hin und wieder noch - zu Beispiel im Mittelteil unserer Show. Die Sisters sind für uns ja ein Experiment gewesen. Wenn wir als Friska Viljor auf dem Reeperbahn Festival nur neue Songs gespielt hätten, wäre das ja super-seltsam gewesen - speziell da die neuen Songs so unterschiedlich zu unserem normalen Energie-Level sind.

GL.de: Seltsam war das Konzert aber dennoch insofern, als dass ihr damals alles mit Keyboards gespielt hattet. Was war denn hier die Idee?

Daniel: Das fing damit an, dass sich Joakim die Hand gebrochen hatte. Es hatte aber auch damit zu tun, dass wir aus unserem Übungsraum geflogen waren, weil die Stadt das Gebäude abgerissen hatte, so dass wir auf die Idee gekommen sind, mit Elektronik und Samples zu experimentieren. Man kann aber nie so richtig sagen, was von was kommt. Mal gibt es diese und mal jene Regeln. Oder vielleicht entwickeln sich Joakim und ich einfach weiter.

Joakim: Wir haben aber immer schon darüber gesprochen, unsere Richtung mal zu ändern - schon bei den letzten beiden Alben haben wir uns darüber unterhalten. Wir haben es auch versucht, aber nicht so richtig geschafft, obwohl es immer mal neue Elemente gab. Dieses Mal war es konsequenter.

GL.de: Wie war denn eigentlich die Zeitschiene seit wir uns 2015 zum letzten Mal getroffen hatten?

Joakim: Damals war alles noch super in Ordnung. Wir waren glückliche Eltern und Familienväter. Es war dann im Sommer 2016 als meine Sache zusammenbrach. Damals verließ mich die Mutter meiner Kinder und das hat mich sehr schwer getroffen. Ich meine: Jeder macht mal Trennungen durch, aber dieses Mal waren meine Kinder im Spiel, das machte es mir sehr schwer damit umzugehen. Ich bin da in eine selbstzerstörerische Phase gestolpert, die ungefähr vom Sommer 2016 bis zum Sommer 2018 reichte. Zwei Wochen, nachdem mich meine Frau verlassen hatte, meinte ich zu Daniel, dass ich Friska Viljor an den Nagel hängen und eigentlich gar nichts mehr machen wollte. Er meinte, dass er das verstehen könne, schlug aber vor, einfach mal abzuwarten und zu sehen, ob es mit der Zeit besser werden könne. Ich willigte ein und begann dann in der Phase Songs für mich selbst zu schreiben und versuchte, das Ganze in Worte zu fassen. Der ganze Dunst, durch den ich da waberte, machte es schwierig, irgendwo den Boden zu erkennen und herauszufinden, wo ich mich eigentlich befand. Ich habe dann also Songs für mich selbst gemacht und irgendwann angefangen, Daniel welche zuzusenden - denn er ist ja mein bester Freund und ich wollte das schon mit ihm teilen. Er war es dann auch, der darin ein gewisses Potential sah.

GLde: Das heißt also, dass das Schreiben der Songs dann für dich die klassische Musiktherapie darstellte?

Joakim: Ja - aber das habe ich zunächst nicht erkannt. Es war für mich einfach eine Sache, die ich gemacht habe - wie ein Tagebuch zu führen. Es mag also eine Art von Therapie gewesen sein, sie hat mir aber nicht geholfen. Ich habe mich nachher also nicht besser gefühlt. Heutzutage fühlt sich das aber wie eine Therapie an - wenn wir auf der Bühne stehen und uns über die Songs unterhalten. Wir haben dann auch festgestellt, dass sich daraus eine Zeitschiene ergab und die Songs dann zusammenzustellen, fühlte sich wie die eigentliche Therapie an.

Daniel: Dazu gehört auch die Dramaturgie der Scheibe. Zum Beispiel, dass wir das Album mit dem Song "Because You Love Me" beginnen, einem Song, den Joakim schon für Friska Viljor schrieb, bevor die ganze Sache losging. Und dann gibt es z.B. die Instrumental "Is It Over" und "Guess It's Over", die Joakim auf Instagram stellte, nachdem wir die LP schon fertig hatten, und die wir nun als musikalische Klammer als Intro und Outro verwenden.

GL.de: Hätte es denn einen Plan B gegeben?

Joakim: Nein - ich hatte überhaupt keinen Plan. Erst im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass diese Scheibe zu machen die perfekte Methode gewesen war, wieder auf die rechte Bahn zu kommen. Wir sind jetzt wieder in der alten Friska Viljor-Ordnung angekommen und sprechen jetzt schon davon, so schnell wie möglich ein weiteres Album rauszubringen. Daniel hat ja auch Songs geschrieben und ich habe noch welche. Vielleicht klappt das sogar schon im Sommer. Wie gesagt: Der ursprüngliche Plan war ja, zwei Alben rauszubringen

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Surfempfehlung:
www.friskaviljor.net
www.facebook.com/friskaviljorofficial
www.facebook.com/sideeffectsofficial
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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