NACHGEHAKT BEI: HALEY JOHNSEN
GL.de: Wie bist du zur Musik gekommen? Du meintest ja während des Konzertes, dass du eine Spätzünderin seist?
Haley: Ich bin in Beaverton, einem Vorort von Portland, aufgewachsen und mache jetzt seit sieben Jahren Musik - muss allerdings zugeben, dass ich relativ spät anfing. So sang ich mit 19 zum ersten Mal vor Publikum und brachte erst 2015 und 2017 meine EPs heraus. Ich liebe es aber jetzt in Portland mit all den großartigen Musikern dort zusammenarbeiten zu können. Im Mai werde ich meine erste LP "Golden Days" independent veröffentlichen.
GL.de: Was sind deine musikalischen Wurzeln?
Haley: Ich habe viele Jahre damit verbracht, meinen Sound zu finden. Aufgewachsen bin ich mit klassischer Rockmusik, mag aber auch Popmusik. Als Sängerin bin ich von den größten ihrer Zunft beeinflusst: Annie Lenox, Bonnie Raitt, Celine Dion, Christina Aguilera zum Beispiel. Ich wollte damals das, was sie tun, emulieren und dabei meine eigene Stimme finden. Musikalisch habe ich hingegen immer schon alle möglichen Genres gemocht und bin da sozusagen herumgeschwommen und habe verschiedene Phasen durchlebt. Heutzutage würde ich sagen, dass mein Sound eher ein Band-Sound ist - klassisch mit Gitarre, Bass und Drums. Der Blues in meiner Musik kommt von meiner Stimmlage. Wenn ich aber einen Song schreibe, denke ich überhaupt nicht über Genres nach.
GL.de: Es ging also nie darum, einen bestimmten Stil zu verfolgen?
Haley: Nein - ich habe mir zwar angeeignet, bluesige Songs zu schreiben, würde mich allerdings niemals als Blues- oder Folk-Künstlerin bezeichnen - eher schon als alternative Rock.
GL.de: Wovon handeln deine Songs? Geht es oft um Beziehungsprobleme?
Haley: Tatsächlich eher nicht. Meine erste EP hatte zwar ein paar Breakup-Songs drauf, aber heutzutage schreibe ich hauptsächlich autobiographisch über das, was mir im Kopf herumschwirrt und versuche dabei herauszufinden, wie ich durch die Verarbeitung dieser Gedanken vielleicht zu einer besseren Person werden könnte.
GL.de: Eine klassische Geschichtenerzählerin bist du aber nicht, oder?
Haley: Auf gewisse Weise bin ich schon eine Geschichtenerzählerin - aber nicht in dem Sinne wie das z.B. Joni Mitchell ist, die Geschichten auf ihre ganz eigene Weise zu erzählen versteht. Ich denke, da habe ich noch eine Menge zu lernen, bevor ich so eine Art von Geschichtenerzählerin bin. Aber es gibt zumindest immer eine Botschaft in meinen Songs.
GL.de: Und wie entstehen deine Songs?
Haley: Das ist vielleicht mein größtes Problem. Mein Freund Johnny zum Beispiel kann sechs Songs am Tag über alles mögliche schreiben. Das könnte ich niemals. Ich weiß selbst nie genau, wovon ein Song handelt, bevor ich ihn geschrieben habe. Es ist zwar schwierig, Songs auf diese Weise schreiben zu müssen - es ist aber auch lohnend, weil ich so manchmal selbst überrascht bin von dem, was ich tue. Ich muss mich halt mehr anstrengen, als andere.
GL.de: Was zeichnen gute Songs für dich aus?
Haley: Wenn der Text auf natürliche Weise aus mir herausquillt und ich mich nicht so abmühen muss, einen Sinn oder einen Kerngedanken zu finden. Für mich funktioniert es besser, wenn ich eine Geschichte aufrichtig und ehrlich erzählen kann, anstatt mich hinter konfusen Details zu verstecken. Und wenn es um Arrangements geht, versuche ich gerne herumzuexperimentieren und dem Song eine eigene Richtung zu geben, anstatt mich an Regeln zu halten.
GL.de: Was ist denn dabei die größte Herausforderung?
Haley: Ich habe immer ein Problem damit, wenn die Leute mich in eine bestimmte Schublade stecken wollen, um mich vielleicht verstehen zu können. Ich möchte aber gerne viele Barrieren durchbrechen. Ich möchte Dinge ausprobieren und nicht als Folksängerin bezeichnet werden nur weil ich Gitarre spiele. Das heißt nicht, dass ich demnächst HipHop machen will oder mich ganz von der Gitarrenmusik lösen werde, aber meine Freiheiten möchte ich mir schon bewahren. Es ist ja auch eine Herausforderung, aus anderen Singer-Songwriterinnen herauszustechen, weil es ja schließlich viel Konkurrenz auf dem Sektor gibt. Ich versuche einfach, mir selbst treu zu bleiben - aber nicht das zu tun, was man von mir erwartet.
GL.de: Ist das vielleicht dann auch das Thema der kommenden LP "Golden Days"?
Haley: Ich finde, dass sich als Thema herauskristallisiert hat, mit dem dankbar zu sein, was ich bisher erreicht habe, mit den Unbilden, die das Leben dir gegenüber äußert umzugehen und eine positivere und dankbarere Person zu sein als die, die ich bislang bin. Es geht also um die klassische Reise durch das tägliche menschliche Ringen.
GL.de: Gibt es einen Plan B für dich?
Haley: Nein - ich habe keinen Plan B. Es gibt eine Sache, die ich nebenher mache und die hilfreich ist. Ich lehre Gesang und Gitarre und das ist etwas, was ich immer machen könnte, egal an welcher Stelle meiner Laufbahn ich mich befinde. So kann ich ja auch etwas von dem, was ich habe, zurückgeben und anderen Leuten helfen, ihre musikalische Seite zu finden. Das ist mir auch deswegen wichtig, weil es für mich selnst so lange gedauert hat und ich anfangs auch immer Probleme mit meinem Selbstbewusstsein hatte. Da kann ich anderen sicherlich behilflich sein.