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Scary Prairie Western Swing Roundup

Colter Wall
Belle Plaine

Köln, Clubbahnhof Ehrenfeld
17.03.2019

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Colter Wall
Der Kanadier Colter Wall gehört zu jener Sorte von Americana-Musikanten, die nach dem "Warum jetzt nun ausgerechnet der"-Prinzip in kurzer Zeit unerklärlich erfolgreich und populär geworden ist und es demzufolge geschafft hat, ein genre- und generationenübergreifendes Publikum für sich zu gewinnen - obwohl er als Vertreter der orthodoxen Country-Zunft eigentlich nichts besonders Originelles macht (bzw. machen will). Das spiegelte sich auch bei der Show im Kölner Clubbahnhof Ehrenfeld wider, wo ein bunt gemischtes Völkchen Einlass begehrte, in dem zwar auch - aber eben nur gelegentlich - fransenbesetzte Jacken oder Cowboy-Hüte für das musikalische Interesse ihrer Besitzer sprachen.
Da sich im Auditorium angesichts des zu erwartenden konventionellen Programmes vergleichsweise viele junge Leute befanden, darf spekuliert werden, ob es Colter Wall (wohl auch aufgrund seines unbestreitbaren Appeals) gelungen sein könnte, eine Publikumsschicht zu aktivieren, die über ihn die klassische Country-Musik gerade erst entdeckt. Bevor Colter Wall - überraschenderweise mit seiner Band - die Bühne betrat und damit weitestgehend vom Schema des Hi Lonesome-Crooners abwich, das ihn bislang als Live-Performer auszeichnete, betrat seine Landsfrau Belle Plaine die Bühne - die wie Colter auch aus der Provinz Saskatchewan stammt (und die Colter auf ihrer aktuellen LP auch als Gastsänger verpflichtet hatte). Zusammen mit ihrem noch relativ frisch angetrauten Gatten Blake Berglund, der im letzten Teil ihres Sets hinzu kam, gestaltete Belle Plaine das Vorprogramm für Colter Wall. Programmatisch haute sie dabei in eine ähnliche Kerbe, wie der Meister selbst - allerdings auf einer anderen Ebene, denn während Colter Wall sich einen Spaß daraus machte, nun wirklich jedes Country-Klischee mit einer teilweise parodistischen Larger Than Life-Note genüsslich zu zelebrieren (wie sich im Folgenden zeigen sollte), konzentriert sich Belle Plaine auf eher persönliche Geschichten, die sie zudem eher mit einer folkigen Note als im klassischen Country-Setting darbot. Dabei machte sie sich die Mühe, die Stories zu den Songs - meist humorvolle Portraits oder Hommagen an ihr nahestehende Menschen wie ihre Großmutter oder befreundete Nachbarn - auf anschauliche Weise ausführlich zu erläutern; wodurch die spezifischen Details und Referenzen auch für das Publikum nachzuvollziehen waren. Das war dann fast ein wenig zu viel des Guten, weil die Geschichten zu den Geschichten teilweise länger ausfielen als die Songs selbst. Eine amüsante Anekdote entwickelte sich, als sie gerade den Song "Laila Sady Johnson Won't Be Beaten By No Train" anstimmen wollte (eine Geschichte darüber, wie ihre Großmutter Laila nur knapp dem Zusammenstoß mit einem Zug entgangen war) - denn genau in jenem Augenblick ratterte ein Zug über den Bahnsteig unter dem sich der Club-Bahnhof befindet. Einige Traditionals und eine Referenz an die Heimatprovinz "Sasketchewan" rundeten das Programm ab.
Als Colter Wall dann nach einer kurzen Pause die Bühne betrat, tat er zunächst mal das, was von ihm erwartet wurde. "Hi, I'm Colter and I'm gonna play some songs" stellte er sich vor und spielte dann erst mal vier Tracks alleine. Bis auf den Umstand, dass gelegentlich ein Feedback im Hintergrund lauerte, gefiel das schon mal durch den ausgezeichneten Sound der unverstärkten akustischen Gitarre und natürlich Colters voluminöses, sonores und raumgreifendes Bariton-Organ (das auf dem Papier bemerkenswert ungeeignet für die Hi Lonesome-Tradition geeignet scheint). Erst danach kamen die Jungs seiner Begleitband auf die Bühne. Inoffiziell formieren diese unter dem Namen Scary Prairie Boys und das zu recht, denn die jungen Herren scheinen allesamt die Country Musik mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Auf Colters LPs sind Songs mit Band ja eher die Ausnahme - aber bei dieser Show gab es sozusagen das volle Besteck. Interessant war dabei die Besetzung - denn anstelle eines elektrischen Gitarristen setzte Colter auf die Kombination des Steel- und Slide-Gitarristen Patrick Lyons und die Mundharmonika-Künste von Jake Groves. Damit wären wir dann auch bei einem wichtigen Punkt angelangt, denn diese Kombination war dann z.B. eines der Features, womit Colter Wall der bereits erwähnten orthodoxen Country-Mucke seinen Stempel aufdrückte. Es ist ja wichtig, in einem Genre, in dem musikalisch schon alles gesagt und gemacht worden ist, einen Ansatz zu finden, zu vermitteln, warum man denn eigentlich diese Art von Musik macht. Viele versuchen dies mittels musikalischer Experimente oder betont persönlicher Inhalte. Colter Wall geht indes einen ganz anderen Weg. Er weiß ganz genau, dass er in dem von ihm favorisierten, klassischen Folk- und Country-Setting etwas wirklich Neues nicht beitragen könnte - und versuchte es auch erst gar nicht. Auch scheint ihm klar zu sein, dass es auf der anderen Seite auch nicht reicht, die üblichen Genre-Klischees handwerklich sauber aneinanderzureihen. Deswegen hat er sich dazu entschlossen, diese Klischees in ihren Extremen auszuloten und dann auch regelrecht zu zelebrieren. Das bedeutet dann, das er alles größer, schöner, schneller (oder aber langsamer), theatralischer und inbrünstiger interpretiert, als das laut Regelwerk eigentlich notwendig gewesen wäre. Und wenn er mal einen Jodler bemüht, dann muss das aber schon einer epischer Natur sein.

Eine weitere Idee zu einer eigenen Identität zu finden (was ja nicht ganz einfach ist, wenn man nicht das Offenlegen des eigenen Seelenlebens ins Zentrum stellen möchte) ist dann die, zumindest die eigene Identität deutlich zu machen. Colter Wall tut das, indem er in seinen Songs auf die kanadische Heimat Bezug nimmt. Sei es inhaltlich in Songs wie "Sasketchewan in 1881", "Manitoba Man" oder "Calgary Roundup" oder musikalisch, indem er sich der kanadischen Country-Spielart Western Swing zuwendet (die übrigens eigentlich lauter und elektrischer sein müsste, als das, was Colter darunter versteht). Aber natürlich hat Colter Wall auch alle Schlenker drauf, die US-Barden im Repertoire haben und schreibt demzufolge auch gerne über seine Trips durch die USA. Abgerundet wird das Programm dabei gerne auch mit Coverversionen - in dem Fall von Ramblin' Jack Elliott, Woody Guthry, Arlo Guthrie oder Townes Van Zandt (und auch "Calgary Roundup" ist letztlich ein Cover von Wilf Carter). Dass sich Colter Wall bei seinen eigenen Songs weniger auf tatsächliche Charaktere, sondern auf archetypische Figuren bezieht, macht dabei gar nichts, denn gerade um dieses Ausleben von Archetypen geht es dem Mann ja. Das gilt dann auch für seine Folknummern wie "Wild Dogs" - das hier allerdings episch aufgebrezelt wurde. Das kommt dann alles so nonchalant, spielfreudig und unaufgeregt lässig daher, dass sich die Frage, warum Colter Wall nun diese Art von Musik macht, gar nicht mehr stellt: Denn offensichtlich kann der Mann gar nicht anders.

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Surfempfehlung:
www.colterwall.com
www.facebook.com/colterwallmusic
belleplainemusic.com
www.facebook.com/belleplainemusic
www.youtube.com/watch?v=-N5dm4oVWtM
www.youtube.com/watch?v=6Zpz5wgwt2Y
www.youtube.com/watch?v=BAM862I7vhc
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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