NACHGEHAKT BEI: L’IMPÉRATRICE (Flore Benguigui und Charles de Boisseguin)
GL.de: Es fällt schon auf, dass eure Live-Versionen zuweilen doch erheblich von dem abweichen, was ihr auf Konserve präsentiert. Arbeitet ihr denn auch schon an neuem Material? Denn immerhin ist "Matahari" für euch ja schon etwas älter als für uns.
Charles: Nun, da wir das Album aber gerade erst international veröffentlicht haben, spielen wir bislang nur die vorhandenen Titel. Wir hatten bisher einfach noch keine Zeit, neue Songs zu schreiben.
Flore: Ja, das stimmt - aber du bekommst live nicht das zu hören, was auf dem Album ist. Ich meine - es sind schon dieselben Tracks, aber wir erarbeiten jedes Mal eigene Arrangements für den Live-Vortrag, schon damit die Leute überhaupt ein Interesse daran haben könnten, uns Live zu sehen.
Charles: Wir sind keine dieser Bands, die genau dieselbe Version spielen möchten, die es auf der LP zu hören gibt; denn wir sind sechs Musiker, die auf der Bühne stehen. Der Witz ist dann ja gerade, die Arrangements so zu verändern, dass du zwar den Song noch erkennen kannst, aber jedes Mal etwas anderes geboten bekommst.
GL.de: Das heißt, ihr lasst der Musik dann quasi ihr Eigenleben?
Flore: Ja, und das passiert manchmal aus Zufall. Zum Beispiel haben wir neulich beim Soundcheck einen neuen Sound für unser Stück "La Lune" entdeckt - und das bringt eine ganz neue Perspektive ins Spiel. Bei uns entwickelt sich immer alles irgendwie weiter.
GL.de: War das immer schon so? Wie kam es eigentlich zu dem Projekt "L’Impératrice"?
Charles: Das fing alles 2012 an. Ich war damals ein Musikjournalist und die Idee, Musik zu machen, entstand spontan in meinem Wohnzimmer. Ein paar Freunde starteten gerade ein neues Label und baten mich, eine EP zu produzieren. Dann erst traf ich die anderen Jungs und wir sind zunächst in Paris und in Indien aufgetreten. Erst dann (2015) habe ich Flore getroffen. Erst da entstand der Sound unserer Band so richtig. Ich habe keine musikalische Ausbildung - außer, dass meine Mutter eine klassische Tänzerin war als sie mit mir schwanger war und ich glaube, dass ich daher mein Interesse an der Musik habe. Erst später entdeckte ich die Welt der Soundtracks - Michel Legrand und solche Sachen, und das war dann eine Offenbarung für mich, weil das große Gefühle in mir auslöste. Ich wollte auf einer emotionalen Ebene dann auch so etwas machen - aber als Tanzmusik mit fetten Basslinien.
GL.de: Und die Musik machst du dann alleine?
Flore: Nein - ganz und gar nicht. Die Band besteht aus sechs festen Mitgliedern. Das ist wie eine große Familie. Wie soll ich das sagen? Für mich ist das wie ein einziges Wesen mit sechs verschiedenen Köpfen. Alle Musiker komponieren auch - und jeder bringt seine Ideen mit ein.
GL.de: Worüber singt ihr denn eigentlich? Nicht, dass die Worte nicht verständlich wären - aber geradlinige Geschichten sind ja nicht gerade euer Ding, oder? Sind eure Songs dann am Ende auch als Soundtracks zu verstehen?
Charles: Auf gewisse Weise ja. Wir erzählen schon Geschichten - aber nicht besonders präzise. Es geht eher um Bilder, die wir entwerfen und die du wie einen Film erleben sollst.
Flore: Für mich ist dabei eher der Sound wichtig als die Bedeutung der Worte. Ich singe auf Französisch und hier sprechen ja nicht alle Französisch. Ich konzentriere mich dann eher darauf, wie das klingt, als was es bedeutet - damit es auch alle verstehen können, die die Sprache nicht sprechen. Natürlich bedeutet das Ganze für mich schon etwas - aber das ist ja gar nicht der Punkt. Ich gebe mal ein Beispiel: Wir haben einen Song namens "Balade fantôme" - und den erfasst man besser über die zugrunde liegende kosmische Atmosphäre als Bedeutung des Textes; in dem es aber um jemanden geht, der im Weltall gestrandet ist und sich mit den Geistern von Astronauten singt - was wir dann wieder mit creepy Effekten untermalen. Science Fiction als Thema ist dabei für uns ganz normal.
GL.de: Wie definiert sich denn für euch ein guter Song?
Charles: Für mich sind das zwei Dinge: Die Emotionen und die Produktion. Mag sein, dass mein Gehör diesbezüglich etwas verdorben ist, aber ich höre immer auf Produktionsdetails und es kann sein, dass ich Songs, die ich früher mochte, heutzutage hasse, weil ich die Produktion nicht mehr mag.
Flore: Für mich ist die Einzigartigkeit am Wichtigsten. Man muss einen guten Song sofort erkennen können. Es gibt heutzutage einfach so viel Musik, dass ein guter Song einfach nicht wie alle anderen klingen darf.
GL.de: Was hat es mit dem Projektnamen auf sich? Hattet ihr da eine bestimmte Kaiserin im Sinn?
Charles: Nein - es geht um die Idee, was passiert, wenn wir Musik spielen. Als ich zum ersten Mal Musik schrieb, entdeckte ich diesen weiblichen Teil meiner selbst, von dem ich gar nicht wusste, dass er existiert. Und "die Kaiserin" nannte ich das Projekt dann eben wegen jenen kraftvollen, hypnotischen, femininen und majestätischen Gefühls, das ich damals empfand. Und ich experimentierte damals mit diesem Synthesizer, der mit diesen Frauenstimmen ausgestattet war.
GL.de: Ist das auch der Grund, warum Mata Hari die Titelheldin des Debütalbums geworden ist?

Charles: Das Leben und die Geschichte von Mata Hari hat uns fasziniert. Sie war die erste Frau, die so frei war, einfach das zu machen, was sie machen wollte. Sie hat vorgegeben, eine Spionin zu sein und für verschiedene Regierungen gearbeitet und sie hat vorgegeben eine Tänzerin zu sein. Ich finde das faszinierend und inspirierend. Ich finde auch, dass unsere Kaiserin Mata Hari ganz ähnlich sein könnte. Mata Hari hat jeden an der Nase herumgeführt und alle Konventionen gebrochen und die Vorherrschaft der Männer in Frage gestellt. Sie ist unsere Heldin. Und dann noch etwas: Mata Hari hatte verschiedene Gesichter und Masken und das ist das, was wir ja auch wollen. Sechs verschiedene Musiker, die sich hinter einer Maske verstecken.
GL.de: Inwieweit seid ihr in die Produktion eurer fantastischen Videos involviert?
Charles: Wir suchen die Regisseure aus und sprechen ein wenig mit ihnen über die Songs - aber dann lasse ich sie machen, was sie möchten. Es ist wichtig, ihnen Freiheiten einzuräumen.
GL.de: Das heißt: Die Videos sind dann Interpretationen der Songs von L’Impératric?
Flore: Ja, ganz genau. Das gibt den Songs ein zweites Leben. Deswegen sind die Videos auch so verschieden zu den Ideen, die wir für die Songs haben.