NACHGEHAKT BEI: PHELA
GL.de: Die Sache mit den Streichern war ursprünglich gar nicht geplant, oder?
Phela: Nein - die ursprüngliche Tour im März ist ja verschoben worden, weil meine Tochter krank geworden war und wir hatten das Ganze eigentlich mit einer ganz normalen Bandbesetzung geplant. Da die Tour aber verschoben wurde, hatte ich Bock etwas Neues zu machen und bin dann auf die Idee mit den Streichern gekommen. Moritz Brümmer hat sich dann zwei Monate vor der Tour hingesetzt und nun insgesamt 18 Stücke von den beiden Platten für Streicher arrangiert. Dabei hat er sich nur teilweise an den bestehenden Arrangements orientiert und teilweise auch eigene Sachen geschrieben. Die Musiker haben wir uns verschiedenen Bereichen - Klassik, Jazz, Avantgarde und neue Musik - zusammengesucht.
GL.de: Das heißt also, dass die Musik neu ist - auch für die älteren Stücke. Wann sind eigentlich die Songs für "Wegweiser" enstanden?
Phela: Das Material ist bis Ende 2017 entstanden. Anfang 2018 waren wir dann auf Teneriffa, um die Platte dort aufzunehmen und da wusste ich noch gar nicht, dass ich bald nicht mehr alleine sein würde - sozusagen. Eigentlich hatte ich nämlich geplant, das ganze Jahr 2018 auf Tour zu gehen - und dann habe ich erfahren, dass ich schwanger bin und es wurden nur vier Konzerte. Es war also alles anders geplant - denn die Songs und die Produktion standen ja schon als ich schwanger wurde - und es hat sich natürlich viel verändert. Es ist aber total schön, dass wir dann jetzt auf Tour sind, weil sich der Bogen so irgendwie schließt.
GL.de: Auch wenn das jetzt eine ganz blöde Frage ist: Wie hat sich die Geburt deiner Tochter Tochter auf deine künstlerische Einstellung ausgewirkt?
Phela: Nicht so sehr die Geburt selbst, sondern die Tatsache, dass ich jetzt Mama bin. Und zwar insofern als dass ich das Gefühl habe, dass ich mutiger geworden bin, Dinge so umzusetzen wie ich Lust habe sie umzusetzen. Ich habe mit dem "Mama-Werden" angefangen, mein Team umzustrukturieren, mit Leute ins Boot zu holen, auf die ich total Lust habe - menschlich wie beruflich. Und ich habe begonnen zu schauen, was ich jetzt überhaupt für eine Person bin und welches Umfeld ich brauche, welche Energien ich nicht mehr unbedingt brauche und wohin ich musikalisch überhaupt hin will.
GL.de: Und wohin willst du?
Phela: Nun - diese Band nur mit Streichern spielen zu können, zum Beispiel. Das ist ja etwas sehr Ungewöhnliches. Manchmal gibt es das ja mit Band und Streichern - aber nur mit Streichern ist sehr selten. Das habe ich zum Beispiel entschieden, obwohl meine Booking-Agentur zuerst dagegen war, weil die meinten, dass man ausverkaufte Touren nur mit Band spielen könne.
GL.de: Das hat sich dann aber wohl ausgezahlt, oder?
Phela: Ja - es bestand ja die Möglichkeit, dass viele von den Streichern abgeschreckt werden könnten. Wir haben jetzt aber viele positive Reaktionen von den Leuten nach den Konzerten bekommen. Viele davon gehen in die Richtung: "Wir haben ja gar nicht gewusst, dass das mit Streichern möglich ist." Das war aber genau meine Idee: Dass man eben kein klassisches Streichquartett auf die Bühne bringt, sondern zeigt, welche Möglichkeiten Streicher haben. Dass es wild und laut sein kann, aber auch ganz leise und vorsichtig und dass da viele verschiedene Stimmungen an einem Abend kreiert werden. Zum Beispiel trauen sich die Leute manchmal kaum zu klatschen, weil da so eine Magie erzeugt wird - und das ist für mich das schönste Lob.
GL.de: Deine Musik ist ja eigentlich im positiven Sinne unspektakulär aber tiefgründig. Was ist dir selbst denn am wichtigsten?
Phela: Mir selbst beim Songwriting-Prozess keine Schubladen aufzumachen. Ich setze mich also nicht hin und sage mir, dass ich ein Lied schreiben möchte, das das und das erfüllt, sondern ich möchte mir komplette Freiheiten lassen. Das ist mir besonders beim zweiten Album gelungen - insbesondere bei dem Titeltrack, denn der ist ganz spontan aus einer Stimmung heraus entstanden und ist vollkommen untypisch, weil er keine typische Songstruktur hat. Ich möchte mich nicht eingeschränkt fühlen. Diese Freiheit habe ich mir mit dem zweiten Album erkämpft und bin auch stolz darauf.
GL.de: Und diese Freiheiten äußern sich dann in einer betont vielschichtigen Popmusik. Gerade mal eine Frage: Warum jammern deine männlichen deutschsprachigen Songwriterkollegen eigentlich immer so viel?
Phela: Ich dachte, das würde immer Frauen vorgeworfen? Nun ja, ich denke, das liegt daran, dass männliche Songwriter viel von Frauen gehört werden - und die schätzen es eben, wenn Männer auch ihre Verletzlichkeit zeigen. Ich finde immer, es ist schön, wenn man an einen Punkt kommt, wo man Musik nicht bewerten muss. Es gibt superviele Geschmäcker und zig verschiedenen Stilistiken und Bands und jeder macht was anderes und wenn man es vielleicht privat nicht hören möchte, finde ich es toll, dass es möglich ist.
GL.de: Du selbst hast ja mit Verletzlichkeit keine Probleme. Dennoch ist es schon erstaunlich, dass du einen offenherzigen, emotionalen und persönlichen Song wie "Mama" im Programm hast.
Phela: Das Schönste ist es, Feedback zu bekommen, wenn man sich als Songwriter öffnet. Das wusste ich aber nicht von Anfang an. Ich habe gedacht, dass ich Musik mache, weil ich gerne Songs schreibe - dann aber gemerkt, dass das eine Reaktion erzeugt, wenn man damit auf die Bühne geht. Da kommen Reaktionen des Publikums, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Das ist wie das Austauschen von Energien in einer sicheren Blase. Den Song "Mama" habe ich geschrieben, als meine Tochter noch gar nicht geboren war und ich dachte, dass ich ein Lied nur für mich schriebe, indem ich alle Ängste, die auf mich einprasselten, in einem Lied verpackte. Als ich es aber veröffentlicht habe, kamen zig Mütter und auch Väter und sagten mir, dass sie diese Situation und die beschriebenen Gefühle nur zu gut kennen würden. Und ich dachte: Das gibt's doch nicht - weil ich gedacht hatte, dass das nur mir so ginge. Man meint also etwas nur für sich zu machen - und dann kommt so viel zurück. Und das ist das Schöne an der Musik und am Song-Schreiben.