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Eine Klasse für sich

The Cure

Hahn/Hunsrück, Kultur:Event:Arena
13.07.2002
The Cure
Obwohl das Zillo-Festival, das auf dem alten Gelände des Flughafens in Hahn eine wirklich ausgezeichnete neue Heimat gefunden hat, dieses Jahr, besonders was die Anhänger der schwärzeren Klänge angeht, mit Acts wie Apocalyptica, Deine Lakaien, Apoptygma Berzerk, In Strict Confindence, Crüxshadows, Hocico oder Moonspell, also mit unzähligen Stars und Sternchen der Szene ausgezeichnet besetzt war, war das Zwei-Tage-Open-Air im Hunsrück doch ohne jede Frage die Veranstaltung einer einzigen Band, die an diesem Abend - nicht zuletzt aus alter Verbundenheit mit dem Magazin - einen von nur insgesamt zwei Deutschland-Auftritten des Jahres 2002 bestritt: The Cure.
Und das, obwohl auch für die Fans der weniger düsteren Klänge einiges geboten wurde: Joseph Arthurs zum Beispiel konnte mit seinem experimentellen Mix aus live gesampelter Apokalypse und britischen Folk Songs genauso überzeugen wie Justin Sullivan & Friends from NMA, die die Show auf der Zeltbühne in Wirklichkeit zu einem Akustik-Gig der New Model Army werden ließen, die mit einer 3000-stimmig unterstützen Soloversion von "Green & Grey" und einem gelungenen Cover der Rolling-Stones-Hymne "Gimme Shelter" genauso reich an Höhepunkten war wie das Set der gewohnt regungs- und emotionslos erscheinenden, aber natürlich mit dem Legendenbonus ausgestatteten Anne Clark und den erstaunlich gut eingespielten The Mission, die nach der katastrophalen Südamerika-Tour und dem Ausstieg von Craig Adams nun endgültig "Wayne Hussey & Begleitband" sind, aber mit einem Set vornehmlich aus alten Hymnen à la "Beyond The Pale", "Severina", "Butterfly On A Wheel", "Deliverance" und dem Depeche-Mode-Cover "Never Let Me Down Again" sowie einem ungemein druckvoll-energiegeladenen Sound das Publikum richtig auf Betriebstemperatur brachten.

Daß die letzte Band des ersten Tages die unbestrittenen Headliner waren, zeigte sich allerdings bereits backstage, denn dort war alles auf The Cure zugeschnitten. Während Robert Smith schnell noch gut gelaunt zwei Kurz-Interviews gab und erzählte, daß er gelegentlich Texte aus anderen Ländern zu Informationszwecken durch den Babelfish-Übersetzer jagt, und auf die Frage von Gaesteliste.de, was denn nun für ihn erstaunlicher gewesen sei, daß England bei der Fußball-WM das Viertelfinale erreicht hat oder Deutschland das Finale, nur kichernd meinte: "Erstaunlich wäre nur gewesen, wenn Deutschland im Viertelfinale ausgeschieden wäre und England Vizeweltmeister geworden wäre", war nämlich im Backstage-Bereich der Ausnahmezustand verhängt worden. Das führte dazu, daß sich Szenen wie die folgende abspielten:

Security-Mann (groß, blond, breite Schultern, "bescheidene" Fremdsprachenkenntnisse): "Entschuldigung, Sie können hier nicht durch!"

Kleinerer Typ mit roten Haaren und Sonnenbrille: "What?"

Security-Mann: "Sie können hier nicht durch... ähhh... ju kännt go sru hier."

Der kleine Typ: "I wanna go to my dressing room!"

Security Mann: "Ähm... ze interview... ähm... nott bevor ze interview wiss Ze Cure iss over!"

Der kleine Typ: "What? I am WAYNE HUSSEY FROM THE MISSION!!!"

Natürlich tat der arme Sicherheitsbeauftragte nur das, was man ihm gesagt hatte, aber sein Übereifer sorgte bei den Umstehenden dennoch für grinsende Gesichter, und der gute Wayne, ob der ungewissen Zukunft von The Mission derzeit eh etwas angefressen, war ganz offensichtlich "not amused".

Aber vielleicht gerade deshalb, weil hinter der Bühne wirklich alles dafür getan wurde, The Cure auch bei diesem Festival alles so angenehm wie möglich zu gestalten, lieferten die fünf Briten einmal mehr eine wirklich sensationelle Show ab. Hatten sie in den letzten Jahren auf Festivals immer sehr ähnliche Sets gespielt, die stets aus großen Teilen des aktuellen Albums plus einer Reihe Charts-Hits bestanden hatten, war die Band schon bei den vorangegangenen Festivals der letzten Woche in Griechenland, der Schweiz, Italien und Schweden etwas couragierter an die Setlists herangegangen, doch beim Zillo-Festival übertrafen sie sich - wie von Robert vorher versprochen - in der Tat selbst. So gab es entgegen aller Gerwohnheit gerade einmal einen einzigen Songs aus dem etwas unterschätzten letzten Studioalbum "Bloodflowers", ansonsten war die über zweieinviertel Stunden dauernde Show vollgestopft mit willkommenen Raritäten. So fanden sich unter den rund zwanzig Songs gerade einmal drei Singles, und nur eine einzige ("Pictures Of You") hatte jemals die Charts aus der Nähe gesehen. Trotzdem kam nie Langeweile auf, denn das erstaunlich frisch klingenden "From The Edge Of The Deep Green Sea" (aus dem 1992er Nummer-1-Album "Wish"), das fast schon ungewohnt harte "Shake Dog Shake", die oft vergessene Pop-Hymne "Push", oder der verlorene Klassiker "One Hundered Years" (mit der berühmten Eröffnungszeile "It doesn't matter if we all die...") sorgten jeweils bereits nach wenigen Takten für Ekstase bei den ca. 15 000 vor der Bühne. Daß Robert blendend aufgelegt war, zeigte sich auch bei seinen Ansagen à la "Der nächste Song ist rund um die Welt ein Top-10-Hit... allerdings leider nicht auf dieser Welt", und als er sich nach gut 100 Minuten mit einem großartigen "Disintegration" zum ersten Mal verabschiedete, wußten alle: Hier ist noch lange nicht Schluß.

Doch während The Cure bei den anderen Open Airs der vorangegangenen Woche für die Zugaben dann doch auf den Hit-Kurs eingeschwenkt waren und mit Stücken wie "Just Like Heaven" oder "The Inbetween Days" doch noch einige poppige Chartstürmer oder zumindest neu einstudierte Coverversionen von Thin Lizzy ("Don't Believe A Word") oder der Sensational Alex Harvey Band ("The Faith Healer") ins Set gerutscht waren, hatten sich Robert und seine Gang für das Zillo-Festival einen ganz besonderen Gag ausgedacht. Obwohl sie schon im Mainset reichlich Stücke aus ihrer berühmt-berüchtigten Frühphase gespielt hatten, gab es als Zugabe ganz einfach noch knapp die Hälfte (!) des Sets, das sie schon bei einer ihrer ersten ausgedehnten Europa-Reisen, der "Pornography"-Tour 1982, gebracht hatten! Von Robert nur schelmisch angekündigt mit "Jetzt kommt das wirklich alte Zeug" spielten sie - abgesehen davon, daß Perry Bamonte ein kurzes Gitarrenfeedback und Roger O'Donnel kaum zu hören ein Tambourine bediente - "Three Imaginary Boys" wie im Original nur zu dritt mit Robert an der Gitarre, Simon Gallup am Baß und Jason Cooper am Schlagzeug, brachten das obskure "M" genauso (fast) im Originalarrangement, genauso wie das grandios-minimalistische "Play For Today" und das netterweise nicht ganz so erbarmungslos wie sonst üblich ausgewalzte "A Forest". Die größte Überraschung des Abends war allerdings wohl das lange, lange nicht gespielte und von Robert mit "ich hoffe, wir kriegen's irgendwie hin" angekündigte "Charlotte Sometimes", das rückblickend betrachtet im Original etwas an seiner typischen 80s-Wave-Produktion leidet, aber an diesem Abend auf dem alten Militärflughafen behutsam umarrangiert zum Song des Abends wurde, bevor uns The Cure mit einem weiteren alten, inzwischen allerdings runderneuerten und verlängerten Klassiker, "Faith", in die leider etwas verregnete Sommernacht entließen. "Vielleicht bis morgen", sagte Robert mit Hinblick auf den Auftritt beim Woodstage-Festival in Glauchau tags darauf zum Abschied, und als ihm in der gleichen Sekunde auffiel, daß das Zillo-Festival eine Zwei-Tage-Veranstaltung ist, fügte er schnell noch an: "Oder wenn nicht, dann auf jeden Fall sehr bald." Es war der einzige faux pas eines ansonsten unglaublich guten Konzerts.

Setlist:
Plainsong
Figurehead
From The Edge Of The Deep Green Sea
The Drowning Man
Torture
Push
The Kiss
If Only Tonight We Could Sleep
Pictures Of You
Shake Dog Shake
Siamese Twins
One Hundred Years
Bloodflowers
Pornography
Disintegration

Three Imginary Boys
M
Play For Today
A Forest

Charlotte Sometimes
Faith

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-


 
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