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Who The Fuck Is Evan Dando?

Sneeze
Smudge/ Godstar/ 120 Mins

Münster, Gleis 22
10.09.2002
Sneeze
Nein, die Bandnamen sind nicht unbedingt allen ein Begriff, trotzdem dürfte so ziemlich jeder Indie-Rocker mit einer halbwegs gescheiten Plattensammlung die ein oder andere Scheibe im Schrank stehen haben, an denen die beiden Protagonisten dieser Mini-Festival-Tour maßgeblich beteiligt sind. Die heißen nämlich Nic Dalton und Tom Morgan, kommen aus Sydney und sind aus dem dortigen Musikuntergrund schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr wegzudenken. Tom wurde in erster Linie als Evan Dandos Co-Autor bei den Lemonheads bekannt, für die er einige der besten Songs auf "It's A Shame About Ray", "Come On Feel The Lemonheads" und "Car Button Cloth" schrieb, Nic, der auch das Half-A-Cow-Label betreibt, steuerte den Song "Kitchen" zum 1992er Lemonheads-Album bei und tourte mit der Band bis 1994 zweieinhalb Jahre als Bassist um die Welt. Nun waren die beiden Helden nach einer monströsen 36-Stunden-Reise durchs französische Hochwassergebiet und die Staulandschaft deutscher Autobahnen für ihr einziges Deutschland-Konzert im Gleis 22 zu Gast. Vier Bands standen an diesem Abend auf der Bühne, benötigt wurden dafür allerdings gerade einmal sechs Musiker!
120 Mins
Den Anfang machte das spanische Duo 120 Mins, dem mit zwei Gitarren und zwei Stimmen sowie klassisch geprägtem Indierock der melancholischeren Sorte der Brückenschlag zwischen den Blake Babies (Leticia Nischang und Marti, der Mann ohne Nachname, klangen stimmlich des Öfteren erstaunlich nach Juliana Hatfield und John Strohm) und den frühen Galaxie 500 scheinbar mühelos gelang. Okay, was die zwei aus Barcelona ablieferten, war nicht unbedingt umwerfend eigenständig, aber dennoch ohne Frage der beste Beweis dafür, dass a) die richtige Inspiration oft mehr wert ist als schlechte eigene Ideen und b) Indierock definitiv nicht tot ist!

GodstarDass Totgesagte manchmal länger leben, unterstrichen auch die folgenden zwei Bands. Denn nach 120 Mins. betrat ein ob seines Schlafmangels ungewohnt aufgekratzter Nic Dalton die Bühne, um das eigentlich längst abgeschlossene Kapitel namens Godstar zu neuem Leben zu erwecken. Durch die Depri-Ballade "Forgotten Night" (aus der LP "Sleeper") hangelte er sich gleich zu Beginn solo, bevor er dann Tom Morgan, Simon Gibson und Aushilfsbassist Tom van Heeren (sonst bei Half Miler) auf die Bühne bat, um ein kurzes, aber leider geiles Set mit Hits und Hymnen seiner alten Band zu spielen. Dass ausgerechnet sein heimlicher Superhit ("The Brightest Star") fehlte, wurde mit seinem vielleicht puristischsten Popsong überhaupt, "There's Nobody Coming Over", mehr als ausgeglichen. Dass der Song eigentlich gar nicht von Godstar, sondern von der kurzlebigen Nachfolgeband The Kombi Nation stammte, dürfte dabei den wenigsten aufgefallen sein. Es hat halt auch Vorteile, seine Platten nur auf Vinyl und auf 300 Exemplare beschränkt unter die Leute zu bringen. Für den Schluss hatte sich Nic noch ein persönliches Highlight aufgehoben. Den Song "Pushpin"(aus dem zweiten Godstar-Album "Coastal") hatte er nämlich damals in Deutschland geschrieben, und deshalb war er "sehr froh, ihn heute hier für euch spielen zu können."

Danach ging es fast ohne Pause weiter. Denn abgesehen davon, dass Marti von den 120 Mins Toms Bassistenplatz übernahm, spielten Smudge im Anschluss kurzerhand in identischer Besetzung. "Die anderen Bandmitglieder sind zu Hause in Australien - wir haben sie einfach nicht alle in den Kleinbus quetschen können!" führte Nic erklärend aus. Tom entschuldigte sich gleich zu Beginn für etwaige Fehler ("Wir waren den ganzen Tag im Van unterwegs - 36 Stunden"), nur, um sich für diese Ankündigung Nics scherzhaften Kommentar "Ihr müsst verstehen, bei uns in Australien hat ein Tag 36 Stunden" anhören zu müssen. Dabei waren Entschuldigungen eigentlich komplett fehl am Platze, denn das Feuerwerk aus Klassikern, das er innerhalb kürzester Zeit abbrannte, war wirklich beeindruckend: "Divan"! "The Outdoor Type"! "Tenderfoot"! "Mike Love Not War!" Großartig, großartig, großartig. And who the fuck is Evan Dando?

Sneeze
Damit, dachten einige Menschen im handverlesenen, aber äußerst enthusiastischen Publikum, sei der Höhepunkt des Abends erreicht, und so quittierten nicht wenige Nics augenzwinkernde Ankündigung "And now Sneeze, the band you all have been waiting for" mit einem Lachen. Schließlich haben Sneeze in Deutschland offiziell nie eine Platte veröffentlicht, und einigen war wohl auch nicht so ganz klar, was sich hinter der Annkündigung versteckte, dass Nic und Tom in dieser Band mehr Soul als Indierock fabrizieren würden [Aufklärung verspricht das Gaesteliste.de-Interview mit Nic und Tom nächste Woche]. Trotzdem brauchten Sneeze - Nic, Tom, Drummer Simon Gibson von Half Miler plus Leticia und Marti von 120 Mins) nur ein, zwei Songs, um das Publikum mit ihrem Partysound auf dem schmalen Grat zwischen Parodie und soulig-samtweichem Retro-Chic auf ihre Seite zu ziehen. Dabei half es sicherlich, dass Sneeze entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten an diesem Abend neben den neueren "ernsten Songs mit witzigen Texten" à la "Too Much Man To Be My Woman" oder "Deaf Girl, Dumb Guy, Blind Love" auch eine Handvoll ansonsten selten gespielter Nummern ihres ultra-schrägen Debütalbums mit 41 Songs in 47 Minuten (!) spielten, Songs wie "2 Kates" oder "Ying And Yang".

SneezeDass Leticia (die bei "Beibi Pelu" den Leadgesang auf Spanisch übernahm) und Marti nur Gäste waren, machte sich übrigens auch überhaupt nicht bemerkbar - und das nicht nur, weil alle fünf identische "Sneeze - Sexgang Of The Year"-Shirts trugen! Schließlich praktizierten Sneeze das freie Rotationsprinzip auch zu Hause in Australien schon lange vor Ottmar Hitzfeld. Dem Sound tat es jedenfalls merklich gut, dass verschiedene Bandmitglieder hier und da die Hände frei hatten, um diverse Shaker, Bongos und Casio-Orgeln zu bedienen - ganz abgesehen vom mehrstimmigen Gesang. Die Mischung aus Anspruch und Albernheit jedenfalls stimmte, egal ob bei "Maybe Moving In Together Wasn't Such A Good Idea", der großartigen Single "Doctor Of Love" oder dem in der Tat schwer ohrwurmgefährdeten, aber bisher leider nicht aufgenommenen "If It's Catchy, It Means You Stole It". Ganz zum Schluss ließen Sneeze die guten Absichten allerdings dann doch noch - wenngleich gewollt - über Bord gehen und trashten in bester Punkrock-Manier durch eine Reihe alter Favoriten wie "Trouble In School" oder natürlich "Ripped Jeans".

Das Fazit nach mehr als zwei Stunden Aussie-Power mit spanischer Unterstützung: Großer Abend im kleinen Kreis! Überall strahlende Gesichter und eine Band, die nachher noch geduldig alles signierte, was nicht fest am Boden angeschraubt war. Bleibt zu hoffen, dass bis zum nächsten Europa-Abstecher von Tom, Nic und Co. nicht wieder acht Jahre ins Land gehen!

Surfempfehlung:
ezeens.tripod.com
nicdalton.tripod.com/godstar.html
www.angelfire.com/indie/lipsticktrace/smudge.html
www.120mins.com
www.halfmiler.com.au
www.halfacow.com.au
Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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