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Konzert-Bericht
 
Es ist, wie es ist!

Cat Power
Mark Borthwick

Eindhoven, MU Museum + Theater Het Klein
16.11.2002

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Cat Power
Mark Borthwick ist ein Künstler wie er im Buche steht. Auf sympathische Weise impulsiv, unorganisiert, umständlich, linkisch und zerstreut zieht er sein Ding durch - ohne sich dabei über Konventionen, Umstände oder gar Konsequenzen einen Kopf zu machen. Als das Publikum - nach längerer Wartezeit - in den Saal gelassen wird, sieht man ihn an einem Tisch sitzen, hektisch Notizen machend, umgeben von zig eng beschriebenen Seiten aus einem Skizzenblock, die er auf dem Boden verteilt hat. Auf dem Tisch, an dem eine alte Gitarre lehnt, stehen zwei CD-Player und ein Mixer und auf dem Boden davor zwei kleine Boxen, aus denen ein an- und abschwellendes Feedback-Geräusch zu hören ist. "Entschuldigung, dass ich euch warten ließ", grinst er ins Publikum, fährt jedoch fort zu kritzeln. Das tut er dann für ca. 10 Minuten bevor er beginnt, seine Papiere einzusammeln und zu erklären, was denn eigentlich da abgeht. "Ich habe mir diese Skripte gemacht, wie ich all meine CDs mixen könnte", sagt er entschuldigend, "das ist aber zu verwirrend geworden, so dass ich das jetzt mal so probieren möchte."
Mark Borthwick
Dann beginnt er also seine CDs zu mixen, die aus Musik, Collagen und spoken Word-Beiträgen bestehen, die er teils live einspricht und die teils - ziemlich verfremdet - von den Tonträgern kommen. Nach ca. 20 Minuten meint er dann, dass es Zeit für etwas anderes sei und beginnt, die Gitarre mit einzubeziehen. Wie ein etwas unsicherer Bill Callahan klimpert er zunächst zu den Collagen, und erzeugt er mittels eines Delays repetierende Klangmuster, über die er dann einen Songtext - oder eher ein Gedicht sprechsingt. Bis er irgendwann zu stocken beginnt. "Entschuldigung, aber ich habe diesen Text erst kurz vor der Show geschrieben und kann ihn jetzt nicht mehr lesen", meint er und fährt dann fort - wieder freundlich und erwartungsvoll ins Publikum grinsend, so als wolle er eine Reaktion provozieren. Doch da kommt keine. Die Gesichter der Besucher sprechen indes Bände: Vom verzweifelten Bemühen, das ganze Verstehen zu wollen, über konzentrierte Spannung bis hin zu belustigtem, mitleidigem Lächeln ist alles möglich. "Das ist aber normal", erklärt Chan Marshall (Cat Power) nach der Show, als sie dieses Szenario beschrieben bekommt, "so ist Mark nun mal." Mark, so stellt sich heraus, ist von Haus aus ein Fotograf aus England, der jetzt zwischen dort, Paris und New York herum pendelt und alles mögliche macht. Seine Ausstellung - oder bessere Installation im MU-Museum von Eindhoven, die der Grund und Anlass des Konzertes sind, besteht aus Fotos, Texten, Video-Installationen (eine davon, auf einer Großbildleinwand, zeigt Chan auf einer Waldlichtung, wo sie ihre Songs in der freien Natur vorträgt) sowie diversen Installationen aus Alltagsgegenständen wie Blumenbänken, Holzverschlägen und einer Wohnecke, in der eine Art Liege und ein Verstärker mit Mikro steht - die allerdings nicht benutzt werden. "Mark ist jemand, der den inneren Drang hat, uns ganz reale, rauhe Dinge zu zeigen und darauf hinzuweisen, wie wichtig sie sind", erklärt Chan weiter (sie ist viel besser darin, andere Leute zu erklären, als sich selbst), "das ist es was er tut und das ist eben auch so direkt und wirklich. Gefällt es dir?" Das ist eine Frage, die sich so gar nicht beantworten lässt. Mark's Fotos zeigen auf einer Wand Bilder von Fenstern mit Gedichten, auf der nächsten Szenen, die bei der Arbeit an seinen Werbekampagnen entstanden sind und auf einer Urlaubs-Szenen von einem Picknick mit Freunden und Familie am See. Auf dem Boden liegen telefonbuchdicke Zeitschriften mit gefälschten Werbekampagnen-Fotos, die sich die Besucher mitnehmen können. Wir einigen uns dann irgendwann darauf, dass sich das Ganze der Wertung schlicht entzieht und es einfach ist, wie es ist. "Du solltest eigentlich noch mal in Ruhe zurück kommen und dir die Sachen genauer ansehen", drängt Chan, "denn es ist echt wichtig, was hier zu sehen sind, weil die Dinge, die Mark zeigt, so wichtig sind." Nun ja, eigentlich ging es ja um die Musik, die bei Mark Borthwick ja eher nur ein Teil des Ganzen ist. (Wenn man ihn beobachtet, wie er nach der Show, bei der Vernissage in kleinem Kreis mit Händen, Zähnen und Messern - quasi mit vollem Körpereinsatz und mit großer Begeisterung Nahrungsmittel traktiert, um diese verfügbar zu machen, kann man sich des Eindrucks nicht erwähnen, dass für ihn alles auf irgendeine Art zu seiner Performance gehört - ohne dass dies irgendwie geplant oder aufgesetzt wirkte.) Mark, und das ist der Grund, warum Chan Marshall an diesem Abend überhaupt da ist, ist ein Mensch, wie Chan ihn mag - sicherlich auch deshalb, weil er sich Erklärungen und Kategorisierungen entzieht und quasi aus dem Bauch heraus lebt.
Cat Power
Es ist aber natürlich trotzdem so, dass viele der Besucher an diesem Abend sicherlich eher ihretwegen zu dem Konzert im Het Klein Theater gekommen sind. Und das ist dann auch die eigentliche Krönung des Abends - trotz aller Hochachtung, die man Mark Borthwick's Attitüde entgegenbringen muss. Bei manch einem Künstler, der mit Gitarre und/oder Piano solo agiert, schleichen sich ja mit der Zeit Verschleißerscheinungen ein, insbesondere dann, wenn man sich - wie Chan - in einem musikalisch doch sehr überschaubarem Rahmen bewegt. Nicht so hier. Gleich mit den ersten Takten und dem ersten Stück (einer Collage aus diversen Cover-Versionen - u.a. "Dreams" und "Blue Moon", die nahtlos ineinanderfließen) hat sie das Publikum auf ihrer Seite. Zugegeben, dies ist ein vergleichsweise sortierter Auftritt, ohne die gefürchteten Aussetzer und das Hadern mit der Technik, die zwar z.T. den Charme eines Cat-Power-Konzertes ausmachen können (weil man immer mitfiebert, was denn wohl als nächstes passiert), die aber musikalisch recht hinderlich sein können. Dann setzt sich Chan ans Piano - einen schönen großen Flügel - und beginnt, Stücke des neuen Albums "You Are Free" vorzutragen. Diese zeichnen sich allesamt durch wunderschöne, ungewöhnliche und simple Melodien aus, die Chan's inzwischen doch recht selbstsicherer, raumgreifender Stimme alle Möglichkeiten offen lassen. Gerade der eher intime Vortrag ohne störende Band kommt diesen Stücken sehr zu gute. Da Chan an diesem Abend gut drauf ist, wird auch der Vortrag nicht nennenswert unterbrochen oder gestört, sondern fließt in einem für sich dahin. Daran, dass sie energisch und fast perkussiv mit ihren Cowboy-Boots die Klavier-Pedale traktiert, kann man erkennen, dass alles im Lot ist. Neben den neuen Stücken gibt es einige Cover-Versionen - darunter das obligatorische "Sophisticated Lady" von Duke Ellington, das sie aber wie gewohnt über das Piano-Arrangement ihres eigenen Songs "In The Hole" spielt. Was hingegen fehlt - also in dem Sinne, dass sie nicht gespielt werden - sind eigene Songs der letzten Alben. Das hat aber auch seinen Grund. Auf ein besonders gelungenes Stück angesprochen, das auf einem düsteren, meoldischen Riff basiert und sich thematisch wieder mal mit dem Mond beschäftigt (dem sie ja mit "Moon Pix" ja quasi eine ganze CD widmete) und das sie gegen Ende des Konzertes spielt, meint sie nachher: "Das Stück heißt 'You' - aber das ist nicht auf dem neuen Album drauf, sondern auf dem nächsten, weil es nämlich so viele neue Stücke gibt." Was ja letztlich auch kein Wunder ist, denn seit dem Covers-Album (was ja auch keine neuen eigenen Sachen enthielt) sind ja auch schon wieder ein paar Jahre ins Land gegangen. "Ich hoffe, dir gefällt die neue Scheibe", meint Chan noch zum Schluss, "bedenke aber, wenn du sie hörst, dass die eine Hälfte der Songs mit etwas anderem zu tun hat und die andere - ich weiß nicht..." Was ja auch nicht entscheidend weiter hilft. Zumal das Label von der "selbstbewußtesten" Cat-Power-Scheibe bislang spricht. Aber so ist sie nun mal. Äußerungen wie diese wird man Chan Marshall - Selbstwusstsein hin oder her - sicherlich nicht abgewöhnen können. Das ist wie mit Mark's Kunst: Es ist, wie es ist. Bei Chan kommt es immer zuerst auf ihre Stimmung an, ob etwas zu einem Erfolg wird - und nicht auf die Ratio. An diesem Abend stimmt jedenfalls fast alles. Dieser Meinung ist auch Chan's amerikanischer Booker, der auch anwesend ist, und der die neue CD etwas konkreter beschreiben kann. "Es ist keine richtige Band-Scheibe", erklärt er, "es beginnt mit einem Piano-Solo-Stück, dann kommen ein paar Rock-Sachen, dann wird es wieder ruhiger und zum Schluss klingt es mit ein paar Tracks wieder solo aus. Die Scheibe ist sehr verschieden von einem Live-Konzert, aber sie hat einen schönen Flow. Ich denke, es ist ein starkes Cat-Power-Album geworden." Die Scheibe wird im Februar veröffentlicht und indes trotz des Titels nicht kostenlos sein, wie das Label im aktuellen Newsletter betont. "Das ist aber eine grausamer Witz", empört sich Chan mit ihrer unerbittlichen Logik, als sie das erfährt, "das ist doch eine CD, die kann doch nicht kostenlos sein."

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Surfempfehlung:
www.matadorrecords.com/cat_power/
www.net-quest.com/~arne/catpower
www.absolutearts.com/artsnews/2002/11/15/30486.html
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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