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Konzert-Bericht
 
What's so funny about War, Politics and Baseball?

Steve Earle

Köln, Live Music Hall
13.03.2003
Steve Earle
"Zunächst mal möchte ich euch mal dafür gratulieren, dass ihr das gottverdammt erste Land gewesen seid, das 'Nein' zu diesem Wahnsinn gesagt hat", begann Steve Earle seine Show in der Kölner Live Music Hall. Worum es ging, war unschwer an dem "No Iraq War" Aufkleber auf dem Drumset zu erkennen. Earle hatte sich ja in den USA teilweise bereits mit seinem Album "Jerusalem" unbeliebt gemacht, auf dem er sich u.a. um ein Verständnis der Sichtweise eines Taliban Kämpfers mühte, über den Friedensprozess in Jerusalem sinnierte und mit "Amerika V6.0" ein äußerst düsteres Bild seines Vaterlandes zeichnete - und das deutlich VOR Bushs konkreten imperialen Spielereien. Jetzt wirkte er allerdings müde, ausgezehrt und resigniert. "Ich habe nicht viel Hoffnung, dass es nicht zum Krieg kommt", murmelte er in seinen Bart, "aber ich reserviere nach wie vor das Recht für mich, dagegen zu sein."
Leider legte sich diese negative Grundstimmung wie ein bleierner Sack über die ganze Veranstaltung: An diesem Abend kamen die Dukes nie so recht in die Gänge. Das hatte aber auch ganz banale Ursachen: Gitarrist Eric "Roscoe" Ambel ist ein Rock'n'Roller. Punkt, Schluss, aus! "Niemand kann so gut Riffs raushauen wie Eric", meint z.B. sein Freund Steve Wynn lobend. Und das stimmt auch. Leider gab's an diesem Abend kaum Riffs rauszuhauen. Denn Steve Earle ist nun mal kein Rocker. Und so was würde er gar nicht gerne hören, da er doch immer so gerne alles steuern möchte. (Auch wenn er andererseits wieder zugibt, dass das gar nicht so einfach möglich ist). Earle schreibt auch keine schnellen Stücke, in denen Ambel mit großer Begeisterung aufgeht - wie z.B. Elvis Costellos "What's So Funny 'Bout Peace Love & Understanding", das bei dieser Show als allerletzte Zugabe gegeben wurde. Außerdem ist Earle auch nicht der gleichberechtigte Gitarrenpartner, mit dem sich Ambel z.B. verzahnen könnte, wie er das mit Dan Baird bei den Yayhoos tut. Und wenn Steve dann zur Mandoline, zum Banjo oder zur akustischen Gitarre griff, gab's ein weiteres Problem: Ambel war ungefähr acht mal so laut wie die anderen. Und dass er scheinbar nicht wusste, was ein Tremolo ist und all seine Parts knochentrocken und entsprechend hakelig raustrieb, machte die Sache auch nicht einfacher. Nein, besonders harmonisch lief das alles nicht ab. Da nützte es auch nicht, dass Earle seine Söhne Patrick (am zweiten Drumset) und Justin als Roadie und Gelegenheits-Gitarrist zur Ergänzung der Dukes mitgebracht hatte. Kommen wir nun aber zu dem, was Steve denn nun mal ist und darstellt: Eine Ikone der Americana, ein Protestsänger und ein Bewahrer traditioneller musikalischer Werte. Nicht ganz untreffend wurde deshalb "Jerusalem" als "Contemporary Folk Album" und NICHT als Rock-Album für den Grammy nominiert. (Es verlor dann gegen das bequemere - weil unpolitische - Johnny Cash Album). Earle ist immer dann am besten, wenn er aus der attraktiven Historie und den Traditionen seines Landes schöpft. Zum ersten Mal wurde das bei dieser Show deutlich, als er - nach einigen gleichförmigen und schwerfälligen Rockern von "Jerusalem" wie "Ashes To Ashes" das Tempo zurücknahm und "My Friend The Blues" sang. Eine andere Hommage an die Tradition des klassischen Folkies war "Harlan Man" - das einzige Stück von der Bluegrass-Scheibe "The Mountain" - das Earle Minenarbeitern aus Pennsylvania widmete, die letztes Jahr in einer weltweit per CNN zu beobachtenden Aktion unter großer Anteilnahme nach einem Grubenunglück gerettet wurden. "Nicht dass CNN etwas mit deren Rettung zu tun gehabt hätte", konnte er sich nicht verkneifen hinzuzufügen. Es folgte dann der Klassiker "Copperhead Road" - dieses Mal mit Mandoline vorgetragen, was eine schöne Abwechslung darstellte - gleichwohl aber nicht an die Magie der Bluegrass-Version heran reichte, die er mal mit der Del McCoury Band präsentiert hatte.
Steve Earle
Eine andere Geschichte, die Earles Gemütslage charakterisiert, ist seine Liebe zum Baseball. "Ich weiß, dass euch das am Arsch vorbei geht, aber es sind nur noch 17 Tage bis zur Major League", kündete er den Song "Some Dream" an, den er für den sentimentalen Baseball Film "The Rookie" geschrieben hatte. ("Ich liebe diesen Film", erzählte er uns mal, "das ist ein Frauenfilm für Männer.") Das sind also Earles Hobbies - was ihm indes wirklich am Herzen liegt, ist aber nun mal die politische Basis-Arbeit. "Wie ich höre, hat Joan Baez neulich diesen Song gespielt", kündigte er "Christmas in Washington" nicht ohne Stolz an, und fügte dann hinzu: "in diesem Song geht es übrigens nicht um Weihachten - und schon gar nicht um Washington." Und dann sang er - quasi mit Tränen in den Augen - dass doch Woody Guthrie bitte zurückkommen möge. Irgendwie ist Steve auch so was wie ein moderner Woody Guthrie. Nur, dass die Zeiten eben nicht so simpel sind, wie noch zu Woodys Zeiten. Was aber auch Steve Earle sehr genau weiß. Den Song "The Truth" z.B. habe er in einem "klaren Moment" geschrieben, meinte er. Während also das Konzert musikalisch alles andere als eine Offenbarung war, blieb sich Steve Earle mit der borstigen Mischung aus konkreten (wenngleich simplifizierten) politischen Aussagen, sozialem Ungehorsam und der nicht totzukriegenden Begeisterung für das Gute im Menschen treu und sorgte dafür, dass diese Botschaft auch an diesem Abend unmissverständlich unter's Volk gebracht wurde. "Ich weiß ja, dass die meisten von euch keine Ahnung haben, was ich hier erzähle", meinte er noch zu Beginn des Sets, "deshalb möchte ich die bitten, die es verstehen, es den anderen beim rausgehen zu sagen." Indes konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Publikum doch zum größten Teil aus hartgesottenen Fans bestand - die natürlich verstanden, was Steve zu sagen hatte. Erfreulich indes, dass dies nicht nur ältere Herren (und Damen) waren, sondern auch vereinzelt ernsthafte jüngere Leute, die den Meister aufmerksam beobachteten. Schade also nur, dass die Chose so dermaßen auf den Schweine-Rock-Faktor fixiert war. Irgendwie, so hatte man den Eindruck, hätte Steve alleine mit seiner akustischen Gitarre weit mehr ausrichten können.
Surfempfehlung:
www.steveearle.com
www.steveearle.net
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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