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Konzert-Bericht
 
A Little Love And Affection

Neil Young

Frankfurt/Main, Alte Oper/ Hannover, Kuppelsaal
01.05.2003/ 09.05.2003
Neil Young
Es war etwas ruhig geworden um Neil Young - die politische Lage änderte sich ständig, Naturkatastrophen ereigneten sich, der Irak-Krieg brach aus, und kein Ton von dem sonst nicht gerade wortkargen Mann (besonders wenn es darum ging, seine Meinung zu politischen Dingen und sozialer Ungerechtigkeit zu äußern) des Rock N Roll. Aber der inzwischen 57-Jährige hat den Kampf nicht aufgegeben, er hat sich nur etwas zurückgezogen und eine traurig-schöne Geschichte über Gut und Böse, Zivilisation gegen Natur, Medien gegen Menschen erfunden. Ladies and Gentlemen: Welcome to Greendale, Pop. 25,810.
Auf der Bühne in der Alten Oper in Frankfurt standen drei Akustik-Gitarren, eine Orgel, ein Klavier, ein Piano, diverses Zubehör (Mundharmonika, Megaphon), umgeben von einigen Kerzen - wer auf eine "Greatest Hits"-Konzert im Unplugged-Stil hoffte, sollte erstmal überrascht werden, denn Neil Young wäre nicht Neil Young, wenn er nicht immer wieder etwas Neues und Unerwartetes hervorbringen würde. Als er dann in typischer "Neil-Fashion" (Jeans, Holzfällerhemd) auf die Bühne schlurfte, und verkündete, dass er von einem kleinen Nest namens Greendale und seinen Einwohnern erzählen wolle, konnten viele der Anwesenden bereits erahnen, dass dies wirklich eine "very special night" mit Neil Young werden würde. Im ersten Teil des Konzerts wurden in zehn neuen Songs die Geschehnisse in Greendale geschildert, mit besonderem Augenmerk auf die Familie Green, um deren Charaktere sich alles drehen sollte: Allen voran Grandpa Earl, der einen Helden-Tod im Kampf Medien gegen Menschheit stirbt; Grandma Edith, 104 Jahre alt, kettenrauchend und Scotch-trinkend; Cousin Jed, der zum Copkiller wird; Enkelin Sun, die zur Öko-Aktivistin wird und mit einem Mann namens Earth Brown nach Alaska geht; hinzu kommt Officer Carmichael, der von Jed bei einer Autokontrolle erschossen wird und selbst einige Leichen im Keller versteckt hat; Satan, der im örtlichen Knast lebt und natürlich komplett in rot gekleidet ist inkl. rotem Anzug, rotem Hut und rotem Hutband. Der Teufel läuft übrigens einem weiteren Green-Familien-Mitglied über den Weg, einem Vietnam-Veteran, der psychedelische Bilder malt und erfolglos versucht, sie an die Galerien zu verkaufen - obwohl die Bilder laut dem "Psychedelic Standard Committee" richtig gut seien. Satan kreuzt seinen Weg, haucht seine Brille an, damit er besser sehen was er malt, und ohne es richtig zu begreifen, malt er einen trampenden Satan mit einem "Alaska"-Schild in der Hand. Die Greendale-Geschichte - die damit beginnt, dass Jed Officer Carmichael erschießt und damit sensationshungrige Journalisten nach Greendale holt, die sich auf die Familie Green stürzen und letztendlich Grandpa dazu bringen, mit einer Flinte in der Hand für sein Recht auf Schweigen zu kämpfen; ein Kampf, der Grandpa das Leben durch eine Herzattacke kostet - erzählt Neil Young äußerst wortreich in und zwischen den neuen Songs. Obwohl die Story im Grunde sehr traurig ist, hat sie einige schöne und heitere Momente, und Neil Young scheint auch selbst sehr in der Geschichte bzw. dem Erfinden/Erzählen aufzugehen, denn im "Greendale"-Set redete er sich den Mund fuselig, hatte kleine Anekdoten parat (z.B. dass er sich vorkam wie in einer Daily Soap, als der täglich einen neuen Song, also ein neues Kapitel auf dem Weg in's Studio geschrieben hat, und selbst nicht so genau wusste, wie sich das alles entwickeln würde), und nachdem Grandpa gestorben ist, wurde er sehr traurig, da er sein Lieblings-Charakter in der Geschichte gewesen sei. Die musikalische Untermalung des Ganzen war ebenfalls vom Feinsten: Bis auf einen Song an der Orgel (nach Grandpas Tod) hat Young alles auf der Akustik-Gitarre vorgetragen (das Megaphon kam zum Einsatz, als Enkelin Sun ihre Parolen kundtat), hat sich dabei sehr wenige Verspieler geleistet und eine erstklassige Gesangsleistung geboten. Die Songs an sich hatten oft einen bluesigen Charakter, manchmal hatte man das Gefühl, das ein oder andere Riff bereits aus früheren Young-Werken zu kennen. Das Konzept-Album "Greendale" wird voraussichtlich im August erscheinen, die Songs sollen auf Platte deutlich rockiger und weniger akustisch klingen - dazu wird es übrigens auch einen Film geben, der zeitgleich auf DVD erscheinen soll.

Nach einer 10-minütigen Pause kam Neil Young wieder auf die Bühne, um zehn weitere Songs zu spielen, allerdings diesmal bekannte Nummern aus dem riesigen Repertoire. "Lotta Love" und "Comes A Time" eröffneten den zweiten Teil, der mit dem selten gespielten und wundervollen "Long May You Run" an der Orgel fortgesetzt wurde. Wortlos schluffte Young an's Klavier, um "Birds" und "Danger Bird" zu spielen, bevor es mit "Old Man" und "Don't Let It Bring You Down" an der Akustik-Gitarre weiterging. Sehr wortkarg ging es diesmal zu zwischen den Songs, nur ein gemurmeltes "Scheiß drauf" gab es zu hören, als er sich zwischen den fünf Gitarren nicht entscheiden konnte und sich an's Piano setzte, um das immer wieder herzzerreißend schöne "Only Love Can Break Your Heart" anzustimmen. "After The Goldrush" am Piano und "War Of Man" (das er ankündigte als Song für die ölverschmierten Tiere des ersten Golfkrieges) beendeten den zweiten Teil. Nach einer kurzen Pause betrat er ein letztes Mal die Bühne, um mit "Heart Of Gold" den Abend endgültig zu beschließen.

Es war auf jeden Fall ein besonderer Abend mit Neil Young, die "Greendale"-Geschichte wurde mit viel Herzblut vorgetragen, etwas, das man im zweiten Teil des Abends doch etwas vermisst hat - Young leistete sich einige falsche Töne und war äußerst wortkarg. Aber eben das macht seine Unberechenbarkeit aus - das sollte man nie vergessen und ihm immer wieder hoch anrechnen.

...ein paar Tage später in Hannover...

Knapp zehn Tage später, beim letzten Konzert der ausgiebigen Deutschland-Tournee in Hannover, wurden die Eindrücke aus Frankfurt sogar noch verstärkt. Darf man Youngs mitreisendem Gefolge Glauben schenken, war der erste Teil der Show - vor allem zum Finale hin - noch besser als in Mainhattan (auch bei einem Altmeister wie Young macht Übung anscheinend den Meister, um mal eine Floskel zu bemühen), der zweite Teil - rund 20 Minuten und drei Songs kürzer und um alles beraubt, was guten Gewissens als Überraschung hätte definiert werden können - noch liebloser als rund eine Woche zuvor. Die Geschichte aus Greendale war natürlich auch im gut gefüllten, aber keinesfalls ausverkauften Kuppelsaal die gleiche, nur in Nuancen anders. Die Änderungen waren zumeist durch Zwischenrufe aus dem Publikum - und derer gab es viele, die meisten ebenso unsinnig wie störend - motiviert, manchmal schien es allerdings so, als würde Young die Story, die er fast Abend für Abend erzählte, mit jedem neuen Auftritt noch bewusster. Der interessanteste Schlenker kam kurz vor Schluss, als er für einige Minuten Greendale den Rücken kehrte und lang und ausführlich über seinen schriftstellernden Vater als Inspirationsquelle sprach. Die eingefleischten Young-Fans nahmen diesen freimütigen Ausschnitt aus seinem Privatleben mit Begeisterung zur Kenntnis, so recht zum strengen Konzept der Geschichte passte der Ausreißer allerdings nicht. Nach der Pause kam Young dann auf die Bühne zurück geschlurft und sorgte mit einigen wenigen Kommentaren zur Deutschland-Tournee und den Fahrten auf der Autobahn für leuchtende Augen im Parkett. Warum er allerdings zuerst erzählte, wie viel Spaß er in Germany gehabt hätte, sich dann aber entschloss, zwei Songs weniger als im Durchschnitt üblich zu spielen, blieb ein Rätsel. Als einzigen (für diese Tour) neuen Song spielte er "From Hank To Hendrix" - einerseits keine schlechte Wahl, andererseits auch ein Stück, das, ähnlich wie "Don't Let It Bring You Down", bereits allabendlich beim Deutschland-Trip des Jahres 2001 gelaufen war. Auf Songs mit Seltenheitswert à la "Birds" oder "Dangerbird" wartete das Publikum in Hannover vergeblich. Schlimmer noch, gegen Ende der Show schien Young geradezu froh zu sein, das Konzert hinter sich gebracht zu haben. So willkommen das erwartete Finale mit "War Of Man" und "Heart Of Gold" auch war - die Versionen sind mit "fast an die Wand gefahren" wohl am besten beschrieben. Zumindest an diesem Abend offenbarte sich, dass diese Tournee vermutlich ein Kompromiss war. Youngs Hauptanliegen war es offensichtlich, das "Greendale"-Album erstmals in der Öffentlichkeit auszutesten, und diese Übung gelang ihm mit Bravour. Um aber Eintrittspreise von bis zu 100 Euro (das sind immerhin 200 Deutschmark West!) zu rechtfertigen, mussten eben auch noch ein paar Greatest Hits her, die Young allerdings mit spürbar weniger Energieeinsatz und Enthusiasmus darbot. Will meinen? Die Puristen wären vermutlich auch glücklich gewesen, wenn das Konzert nur aus den "Greendale"-Songs bestanden hätte, den Touristen hingegen dürfte die zweite Halbzeit entschieden zu kurz und unterkühlt gewesen sein. Bei allem Respekt vor "Greendale" - da wäre mehr drin gewesen!

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Text: -David Bluhm (F) / Carsten Wohlfeld (H)-
Foto: -Pressefreigabe-

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